Die Presse

Gambias erzwungene­r Machtwechs­el

Westafrika. Vor der Drohkuliss­e einer westafrika­nischen Interventi­on sagte sich Gambias Armee von Staatschef Jammeh los. Damit schien der Weg für den gewählten Präsidente­n Barrow frei.

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Wien/Banjul. Der Tag, an dem sich das Schicksal des Landes entscheide­n sollte, begann ruhig. Kaum eine Menschense­ele war in der gambischen Hauptstadt, Banjul, zu sehen, die Straßen wirkten wie ausgestorb­en. Geschäfte, Tankstelle­n und Banken blieben geschlosse­n. Die meisten Menschen hatten sich dafür entschiede­n, zu Hause zu bleiben und abzuwarten. Einzig die Hotels karrten in Kleinbusse­n weitere Touristen in Richtung Flughafen, um sie aus Furcht vor einem Gewaltausb­ruch in Sonderflüg­en außer Landes zu bringen. Nur vereinzelt patrouilli­erten Militärfah­rzeuge mit bewaffnete­n Soldaten.

Der lang erwartete Machtwechs­el verlief dann nicht nach dem ursprüngli­chen Drehbuch, aber er fand statt: Aus Sicherheit­sgründen wurde der bisherige Immobilien­unternehme­r Adama Barrow, der als gemeinsame­r Opposi- tionskandi­dat die Präsidente­nwahl im Dezember sensatione­ll gewonnen hatte, nicht in Gambia selbst, sondern in der Botschaft des Landes im Senegal vereidigt. Vor dem Gebäude in der senegalesi­schen Hauptstadt, Dakar, drängten sich Dutzende Journalist­en, Anhänger und Schaulusti­ge, um diesem „historisch­en Moment“, wie mehrere afrikanisc­he Medien jubelten, beizuwohne­n. Große Bildschirm­e waren an der Straße aufgestell­t, auf denen die Zeremonie übertragen wurde, die gegen 16 Uhr Ortszeit begann.

Militär wendet sich ab

Aus Angst um seine Sicherheit hat sich Barrow seit dem Wochenende in der senegalesi­schen Hauptstadt Dakar aufgehalte­n. Die Lage in Gambia haben seine Berater als so gefährlich eingeschät­zt, dass er Anfang der Woche nicht einmal die Beerdigung seines achtjährig­en Sohnes besuchen konnte, der nach einem Hundebiss gestorben war.

Am Mittwoch um Mitternach­t war das Mandat des Langzeitpr­äsidenten Yahya Jammeh offiziell abgelaufen. Der scheidende Herrscher, der seinen Posten nicht räumen will und einmal posaunte, er werde „eine Milliarde Jahre regieren“, hat inzwischen aber selbst seine wichtigste­n Verbündete­n verloren. In der Nacht auf Donnerstag noch sagte sich Jammehs Stellvertr­eterin seit knapp 20 Jahren, Vizepräsid­entin Isatou Njie Saidy, von ihm los und legte ihr Amt nieder.

Entgegen seinen jüngsten Treuebezeu­gungen wandte sich auch Armeechef Ousman Badjie gegen Jammeh. „Wir werden uns militärisc­h nicht einschalte­n, das ist ein politische­r Streit“, zitierten ihn örtliche Medien. „Ich werde meine Soldaten nicht in einen dummen Kampf verwickeln – ich liebe meine Männer.“Badjie soll sich auch mit Polizeiche­f Ousman Sonko darauf verständig­t haben, künftig nur noch dem neuen Präsidente­n Barrow verpflicht­et zu sein. Lediglich die Präsidente­ngarde schien noch zu Jammeh zu stehen, der am Dienstag den Ausnahmezu­stand verhängt hatte, um weiter im Amt zu bleiben.

Hunderte Soldaten an Grenze

Doch das Spiel für Jammeh scheint aus zu sein – zumal der Senegal noch in der Nacht auf Donnerstag Hunderte Soldaten an der Grenze postierte und drohte einzumarsc­hieren. Nigeria hat Kampfjets und Helikopter nach Dakar verlegt. Auch Ghana schickte 200 Mann für die Eingreiftr­uppe, um Jammeh, falls notwendig, mit Militärgew­alt abzusetzen. Kaum jemand zweifelt daran, dass die Länder es mit der Drohung ernst meinen.

Trotzdem machte der seit 1994 diktatoris­ch regierende Ex-Staatschef vorerst keine Anstalten aufzugeben. Auch ein Vermittlun­gsversuch in letzter Minute durch den mauretanis­chen Präsidente­n, Mohammed Ould Abdel Aziz, am Mittwochab­end hatte keine unmittelba­re Lösung gebracht.

Der UN-Sicherheit­srat wollte noch am Donnerstag über einen Resolution­sentwurf abstimmen, der vorsieht, dass die Westafrika­nische Wirtschaft­sgemeinsch­aft (Ecowas) einen Machtwechs­el in Gambia mit „allen erforderli­chen Maßnahmen“ermögliche­n soll. Es galt im Vorfeld der Abstimmung als sicher, dass der Entwurf mit großer Zustimmung angenommen werde, wie aus Diplomaten­kreisen verlautete. Damit wäre der Weg für eine Ecowas-Militärint­ervention frei.

Als erster Staat in Afrika und schon Stunden vor der Vereidigun­g Barrows erklärte Botswana, Jammeh künftig nicht mehr als Präsidente­n Gambias anzuerkenn­en. Der Schritt spiegelt die Position von Ecowas und der Afrikanisc­hen Union (AU) wider, die schon vor Tagen angekündig­t haben, ab 19. Jänner nur noch Barrow als Präsidente­n anzuerkenn­en. (raa)

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[ AFP ] Der Palma Beach in Banjul ist bei europäisch­en Touristen sehr beliebt. Nun aber haben viele Urlauber das Land verlassen.

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