Nach Kroatien – und wieder zurück?
Abschiebung. Ein Urteil hilft Leuten, die über die Balkanroute kamen – aber nicht allen.
So weit zur Theorie. Denn in der Praxis gibt es noch immer große Probleme, Menschen außer Landes zu bringen: Von den 10.677 Ausreisen im Vorjahr fanden rund 5797 freiwillig statt. Die restlichen 4880 mussten zwangsweise abgeschoben werden.
Wolfgang Taucher, Direktor des Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, will daher im kommenden Jahr zwei Schwerpunkte setzen. Zum einen will er die freiwillige Rückkehr stärker forcieren. Derzeit können sich Menschen sowohl an die Caritas als auch an den Verein Menschenrechte Österreich wenden, wenn sie – aus verschiedensten Gründen – wieder in ihre Heimat zurückkehren wollen. Diese beiden Organisationen sollen für die Rückkehrberatungen in Zukunft mehr Budget zur Verfügung gestellt bekommen. Auch eine Erhöhung der Rückkehrhilfe für die betroffenen Personen ist nicht ausgeschlossen. Derzeit beträgt dieses Startgeld 370 Euro.
Das führt nun zu dem zweiten Schwerpunkt der Asylbehörde: Wien. Ihr Schützling aus dem Irak, so rügt eine Niederösterreicherin, sei noch am 25. November nach Kroatien abgeschoben worden. Obwohl dies nicht hätte passieren dürfen, meint die Frau.
Tatsächlich war der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) in einem am 16. November gefällten Urteil einem Flüchtling, der über Kroatien kam, zur Hilfe gekommen. Allerdings verhängte das Gericht kein generelles Verbot, Personen nach Kroatien zu bringen. Der VwGH erklärte aber in dem Fall, dass die Unterinstanz prüfen müsse, ob die betroffene Person durch „staatlich organisierte Maßnahmen“weiter- reisen durfte. Denn es hatte eine Zeit gegeben, in der die Flüchtlinge auf der Balkanroute von den Staaten gefördert und auch mithilfe Österreichs weiterreisen durften. In diesem Fall könnte die Dublin-Regel nicht greifen, laut der Kroatien als erstes EU-Land, das ein Flüchtling betreten hat, das Asylverfahren führen muss. Zur Frage, wie das mit slowenischen Fällen ist, ist bereits ein Verfahren vor dem EU-Gerichtshof anhängig.
Im Lichte der Judikatur würden alle Fälle noch einmal von den Behörden vor der Überstellung nach Kroatien geprüft werden, heißt es aus dem Innenministerium zur „Presse“. Allerdings könnten von dem Urteil nur Fälle in einem be- stimmten Zeitraum (von September 2015 bis Februar 2016) profitieren, als die Grenze offen war. Das begrenze die Zahl stark. Und bei rechtskräftig entschiedenen Fällen finde weiterhin die Überstellung nach Kroatien statt.
Das VwGH-Urteil wirkt also nicht automatisch auf alle, im Streitfall muss man als Asylwerber individuell juristisch kämpfen, wie auch Asylanwalt Wilfried Embacher berichtet. Er versucht gerade, einen bereits nach Kroatien gebrachten Mandanten im Lichte der VwGH-Entscheidung wieder nach Österreich zurückzubringen.
Insgesamt wurden im Vorjahr 451 Asylwerber von Österreich nach Kroatien zurückgebracht.