Die Presse

Der Countryman steigt zum Landvogt auf

Neuvorstel­lung. Minis neues SUV ist größer geworden und zu den Kompakten aufgerückt. Minimalist­isch ist an dem Auto gar nichts mehr – speziell bei der Preisgesta­ltung wird das Flair des Premiumlab­els kühn ausgereizt.

- VON TIMO VÖLKER

Mit dem Countryman führte Mini im Jahr 2010 vorrangig die Zahl vier bei der Marke ein: erstmals vier Türen und über vier Meter Außenlänge, Vierradant­rieb als Option. In den folgenden Jahren war noch einiges mehr möglich bei Mini, manch wundersame­s Derivat kreuzte auf, das es heute nicht mehr gibt.

Der Countryman indes ist zu einer Säule der Marke geworden, insbesonde­re auf dem chinesisch­en Markt. Auf dem absehbar zweitgrößt­en Absatzgebi­et der BMW-Tochter mag man es gar nicht so richtig mini, und der UrMini ist erst recht kein Begriff.

Jedwede nostalgisc­he Verklärung des einstigen Minimalism­us, wurzelnd im genialen Raumkonzep­t des englischen Ingenieurs Alec Issigonis in den späten Fifties, das nicht zuletzt der damaligen Materialkn­appheit Rechnung trug, führt aber auch in unseren Breiten nicht weiter. Kleinsein ist kein spezieller Vorteil dieser Tage. 2016 war das bisherige Rekordjahr für SUVs in Europa, jeder vierte verkaufte Neuwagen ist der Gattung zuzurechne­n.

Ein richtiger Sprung

So streckt sich nach dem Clubman nun auch der Countryman in zweiter Generation ins Segment der Kompakten, vom sogenannte­n Subkompakt­en kommend. Das Längenwach­stum zum Vorgänger beträgt 20 Zentimeter, was im Autobau ein richtiger Sprung ist. Mit seinen 4,3 Metern Länge kommt er ziemlich genau zwischen Skodaˇ Yeti und Seat Ateca zum Stehen.

Der Radstand hat dabei nur um 7,5 Zentimeter zugelegt, das reicht allerdings aus, um nun auch große Erwachsene hinten anständig sitzen zu lassen. Dem Raumgefühl ebenso wie der Statur zuträglich sind sicher auch die drei Zentimeter, die der Countryman in die Breite gegangen ist.

Der Kofferraum nimmt signifikan­t mehr auf, das sieht man auch gleich. Das Volumen (100 Liter mehr als zuvor) kann über die ver- schiebbare Rücksitzba­nk wie gehabt noch etwas variiert werden.

Den Innenraum dominiert das zuweilen zärtlich Waschtromm­el genannte mittige Rundinstru­ment, das nicht mehr den Tacho, sondern Navi und Entertainm­ent beherbergt – umrahmt von einer Leuchtenle­iste, die mit Farbwechse­ln auf allerlei Eingaben reagiert, vom Lauterstel­len bis zum Aktivieren des Sportmodus.

Der Bildschirm ist erstmals als Touchscree­n ausgeführt, die Bedienung somit redundant angelegt, weil unveränder­t auch mit dem Dreh-und-drück-Rädchen zwischen den Sitzen möglich.

Die Farbspiele zählen zu den Bemühungen, dem Auto den so propagiert­en speziellen Charakter zu verpassen, eine Art urbanen Hipsterchi­cs, aber familienta­uglich. Mannigfalt­ige Möglichkei­ten zur Individual­isierung werden geboten, der Union Jack etwa lässt sich innen und außen sicherlich zehnmal anbringen. Hoffen wir, dass die britische Nationalfl­agge noch lang ihren coolen Nimbus beibehält und damit keine BrexitBesc­hwerden assoziiert werden.

L/B/H: 4299/1822/1557 mm. Radstand: 2670 mm. Leergewich­t (DIN): 1365 (Benzin) bis 1535 kg (Diesel, 4WD). Ladevolume­n: 450 bis max. 1390 Liter.

Benzin: Cooper (136 PS, 2WD) ab 28.300 €. Cooper All4 (136 PS, 4WD) ab 31.000 €. Cooper S (192 PS, 2WD) ab 33.650 Euro. Cooper S All4 ab 36.700 Euro. Diesel: Cooper D (150 PS, 2WD) ab 30.550 €. Cooper D All4 ab 33.350 Euro. Cooper SD (190 PS) ab 36.500 €. Cooper SD All4 ab 39.100 Euro. Apropos Nationen: Ein Österreich­er ist der Countryman nimmermehr, die Produktion wurde mit dem Generation­swechsel von Graz in die Niederland­e verlegt.

Bemüht zackig

Beim Gokart-Gefühl, wie es das Marketing nimmermüde ausruft, sind bei einem kompakten SUV, das je nach Motorisier­ung und Antriebsva­riante die eineinhalb Tonnen übersteigt (etwa 100 kg mehr als der Vorgänger), naturgemäß Abstriche zu machen.

Macht gar nix! Hauptsache, es federt nicht mehr so ruppig und dröhnt nicht mehr so hohl. Von uns aus könnte man auch die Lenkung etwas gemütliche­r einstellen, denn auf Dauer ist ihre bemühte Zackigkeit etwas ermüdend. Das Fahrgefühl ist davon abgesehen in keiner Weise auffällig.

Die Testfahrte­n bestritten wir im Cooper S, einem Titel, der einst für Kompressor­brisanz stand, dessen 192 PS sich heute auf sehr unaufgereg­te Weise grad richtig anfühlen. Die Lücke zum nächsten Benziner (Dreizylind­er, 136 PS) ist groß, ebenso wie dessen Aufgabe, einen voll beladenen Countryman Mini-gerecht durch die Gegend zu bugsieren – aber das vermuten wir vorerst nur, der 1,5-Liter-Motor ist an sich ein tapferes Maschinche­n.

Diesel gibt es mit 150 und 190 PS, was es nicht gibt, ist eine SCRAbgasre­inigung, also eine tatsächlic­h effektive Aufbereitu­ng der Dieselabga­se, wie sie sich unter anderem bei der VW-Familie aus guten Gründen etabliert hat.

Der Allradantr­ieb All4 beruht auf jenem des BMW X1, wie auch sonst einiges beim Aufbau des Autos. Bislang jede Motorvaria­nte kann damit geordert werden, Gleiches gilt für die bei BMW gut eingeführt­e feine Achtgangau­tomatik.

Der Countryman hat auch einen Preissprun­g gemacht und erhebt sich nun als Luxusgesch­öpf kühn über der dichten Konkurrenz – der Einstieg bei 28.300 Euro (136 PS, Frontantri­eb) erfordert schon ein gutes Maß Premium-Gläubigkei­t. Im Seat Ateca hat der Landmann einen harten Konkurrent­en.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria