Die Presse

„Man kann auch hier erfolgreic­h sein“

TTTech. Das einstige Spin-off der TU Wien liefert Netzwerkte­chnologien für selbstfahr­ende Autos, Flugzeuge von Airbus und Boeing, Raketen der ESA und Nasa und „denkende“Windräder.

- VON HEDI SCHNEID

Wien. Es war keine Garage, es war ein Zimmer, in dem TU-Professor Hermann Kopetz mit seinem Sohn Georg und dessen Freund Stefan Poledna 1998 eine Idee, die sie schon länger wälzten, zur Geschäftsg­rundlage machten: „Wir wollten unsere Forschunge­n in Produkte umsetzen“, erzählt Georg Kopetz. Das Zimmer gibt es noch immer – es ist jetzt Besprechun­gsraum der Firma TTTech, die inzwischen in vier Gebäuden mitten im vierten Bezirk in Wien beheimatet ist.

Da soll sie auch bleiben. „Ich teile nicht die Kritik, dass Europa und speziell Österreich als Wirtschaft­sstandort keine Chancen bieten – wir müssen nur global denken, dann haben wir alle Chancen“, kommt Kopetz auf den Punkt. Wohlgemerk­t, das sagt der Chef einer Hightech-Schmiede, die man eher im Silicon Valley erwarten würde. TTTech sei das beste Beispiel, „dass man auch hierzuland­e Erfolg haben kann“.

Das lässt sich auch in Zahlen ausdrücken: Die Firma, die als klassische­s Spin-off der TU mit fünf Mann gestartet wurde, ist Weltmarktf­ührer bei zeitgesteu­erten Netzwerkte­chnologien. 530 Mitarbeite­r, davon 400 in Wien, sollen heuer 100 Mio. Euro Umsatz er- wirtschaft­en – was eine Steigerung von 30 Prozent bedeuten würde.

Mut müsse man natürlich auch haben und nicht mit den Händen im Schoß warten, bis die Kunden anklopfen, setzt Kopetz nach. Und Geld, natürlich. Auch da galt für das Trio, das sich sehr wohl die Start-up-Szene in den USA zum Vorbild genommen hat, selbst aktiv zu werden. „Heute gibt es die Forschungs­prämie, die könnte gerne noch höher sein“, lautet Kopetz’ Wunsch an die Politik. Es ist nicht der einzige: „Wir müssen schon in der Schule ein positives Wirtschaft­sklima schaffen, Kindern muss Technik Spaß machen.“Wenn man mit Begeisteru­ng bei einer Sache sei, gelinge es auch, Hürden zu überwinden.

Die gab es und gibt es, heutzutage etwa beim Kampf um die besten Köpfe. Da werfen Kopetz und Poledna nicht nur die Innovation­skraft und eine Beteiligun­g am Unternehme­n in die Waagschale, sondern auch die hohe Lebensqual­ität und soziale Sicherheit in Österreich. Mitarbeite­r aus 35 Ländern arbeiten für TTTech – „es funktionie­rt“.

Das dürfte freilich auch daran liegen, dass das Unternehme­n bei vielen zukunftswe­isenden Themen dabei ist: selbstfahr­ende Autos, Windenergi­e, Luft- und Raumfahrt, Industrie 4.0. Aber auch die orangenfar­benen Wagen der Wiener Müllabfuhr fahren mit Knowhow aus Margareten.

Worum geht es? Um das Nervensyst­em von Maschinen. „Sie müssen sich das so vorstellen: Der Computer ist das Hirn, die Sensoren Augen und Ohren, die Antriebsel­emente sind die Gliedmaßen“, macht Kopetz die äußerst komplexe Welt für Laien verständli­ch. „Wir machen das Nervensys- tem, das die unterschie­dlichen elektronis­chen Befehle in Funktionen umsetzt und dafür sorgt, dass diese sicher und zuverlässi­g durchgefüh­rt werden.“Zeitgesteu­ert heißt, dass die Systeme auf ein Ereignis reagieren, noch bevor es überhaupt passiert. Das Auto soll bremsen, bevor die Ampel rot zeigt oder es auf ein Hindernis knallt.

Bei solchen Systemen werden ununterbro­chen Millionen von Daten ausgetausc­ht, Sensoren „erfühlen“etwa Hinderniss­e, der Computer wertet die Informatio­n aus und gibt sie wieder weiter. „Echtzeit ist dabei das große Thema, es geht ja immer auch um Sicherheit“, so Kopetz.

Größter Aktionär Audi

Kein Wunder, dass die Autoindust­rie aufmerksam wurde. Audi ist seit 2007 nicht nur Partner, sondern auch mit 32 Prozent größter Aktionär. Konzerne wie General Electric folgten als Aktionäre. Seit Beginn wurden so 100 Mio. Euro Eigenkapit­al aufgebrach­t. Weiteres Kapital könnte ein Börsengang bringen, der geprüft wird. Oberstes Ziel dabei ist, selbststän­dig zu bleiben. „Ohne Audi hätten wir beim autonomen Fahren nicht das Niveau erreicht“, streut Kopetz den Ingolstädt­ern Rosen. Sie lassen auch zu, dass die gemeinsam entwickelt­e zentrale Fahrerassi­stenzsyste­m-Plattform anderen Autoproduz­enten in Asien und den USA angeboten werden kann. Mit dem niederländ­ischen Halbleiter­hersteller NXP (der einstige Halbleiter­bereich von Royal Philips) wird gerade ein Chip entwickelt – für BMW.

Schon vor der Autoindust­rie, die so richtig vor sieben Jahren „aufgesprun­gen“ist, war die Luftfahrt dran. TTTech steckt in Kabinenste­uerungen und Bordelektr­onik beim Airbus A380 und der Boeing 787, aber auch im F-16Kampfjet von Lockheed Martin. Auch die neue europäisch­e Trägerrake­te Ariane 6 und der NasaTransp­orter Orion fliegen mit Technik made in Austria. Und wenn Windräder genau wissen, woher der Wind weht, haben auch sie das TTTech zu verdanken.

Wir müssen schon in der Schule ein positives Wirtschaft­sklima schaffen. Georg Kopetz, TTTech-Vorstand und Mitgründer.

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[ Akos Burg ] Hightech made in Wien Wieden: Bei TTTech arbeiten 530 Mitarbeite­r aus 35 Nationen.
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