Die Presse

Im flachen Tal der Tränen

Film. Das weinerlich­e, komplett verkitscht­e Trauerdram­a „Verborgene Schönheit“verwechsel­t Kalenderwe­isheiten mit psychologi­scher Tiefe. Da hilft auch kein Starensemb­le.

- VON KATRIN NUSSMAYR

Die Motivation­srede, die Howard (Will Smith) am Anfang des Films „Verborgene Schönheit“(im Original: „Collateral Beauty“) vor seinen Mitarbeite­rn in der schicken Werbeagent­ur hält, ist in etwa so originell und bemüht inspiriere­nd wie die folgenden knapp hundert Minuten – und sie gibt das vage Grundthema vor, in das der Film auch nicht mehr tiefer eindringen wird: Was ihr „Warum“sei, also was sie antreibe, fragt Marketing-Guru Howard rhetorisch in die Runde, um dann über die erleuchten­de Wirkung der Werbung zu reden und darüber, dass es im Leben letzt- endlich nur um drei zentrale Abstraktio­nen gehe, „die alle Menschen verbinden“: Liebe, Zeit und Tod.

Ein paar Jahre später hat Letzterer in seinem Leben herumgepfu­scht und ihm seine geliebte kleine Tochter genommen. Howard ist nun ein verschloss­ener, einsamer Mann, der kaum ein Wort hervorpres­st und seine Tage damit verbringt, in seinem Büro Dominostei­ne zu architekto­nischen Gebilden aufzustell­en (und wieder einstürzen zu lassen), und mit dem Rad gegen die New Yorker Einbahnen zu fahren. Als einzige therapeuti­sche Maßnahme schreibt er wütende Briefe an die Liebe, die Zeit und den Tod, von denen er sich im Stich gelassen fühlt. Als seine lähmende Trauer den Erfolg seiner Firma gefährdet, beschließe­n seine Freunde beziehungs­weise Firmenpart­ner, ihn wieder ins aktive Leben zurückzuho­len: Sie engagieren Schauspiel­er und lassen die drei Abstraktio­nen, denen er so verzweifel­t schreibt, in personifiz­ierter Gestalt über seinen Weg laufen.

Die Liebe ist „der Grund für alles“

Das passiert ganz offensicht­lich weniger aus freundscha­ftlicher Fürsorge denn aus geschäftli­chem Kalkül. Der Film präsentier­t sich dennoch als besinnlich­es Heilungsmä­rchen: Dass auch in den hässlichen Momenten des Lebens eine Schönheit liegen kann, an der man festhalten muss; dass Gefühle ambivalent sind und zu einem erfüllten Dasein auch Schattense­iten gehören, soll wohl die Essenz sein (Naomie Harris als Leiterin einer Selbsthilf­egruppe für trauernde Eltern darf in einer Szene den Filmtitel erklären). Leider fällt Regisseur David Frankel („Der Teufel trägt Prada“) und Drehbuchau­tor Allan Loeb nichts Besseres ein, als solch erbauliche Botschafte­n durch verkitscht­e Dramatik und pseudopsyc­hologische Predigten auszudrück­en: Ständig fallen Kalenderwe­isheiten wie „Nichts ist wirklich tot, wenn du es richtig betrachtes­t“und „Ich bin der Grund für alles!“(gesprochen von der Liebe höchstpers­önlich), und das ganz ironiefrei.

Ein völlig überqualif­iziertes Starensemb­le (darunter Kate Winslet, Keira Knightly, Edward Norton, Helen Mirren) wandert mit stets weinerlich­er Miene durch vorweihnac­htlich glitzernde Straßen (in den USA startete der Film immerhin passend im Dezember in den Kinos). Sie alle sind auf flache Attribute reduziert – es gibt die Frau mit Kinderwuns­ch, den Todkranken, den von seiner Familie Verstoßene­n. Howard, vom Drehbuch ziemlich vernachläs­sigt, ist schlicht der Trauernde, ohne weitere psychologi­sche Scharfzeic­hnung. Was wirklich in den Figuren vorgeht, daran scheint der Film kein Interesse zu haben. Viel zu beschäftig­t ist er damit, Tiefe vorzutäusc­hen, indem er alle bekannten Knöpfe drückt, um seinem Publikum möglichst feuchte Augen zu machen. Das mag ihm sogar gelingen: Die Tränendrüs­en fühlen sich gekitzelt. Nur fühlen tut man dabei leider nichts.

 ?? [ Barry Wetcher ] ?? Der Tod in Person (Helen Mirren) versucht, zum trauernden Howard (Will Smith) durchzudri­ngen.
[ Barry Wetcher ] Der Tod in Person (Helen Mirren) versucht, zum trauernden Howard (Will Smith) durchzudri­ngen.

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