Die Presse

Der Frack blüht, „wo er hingehört“: Renaissanc­e eines Kleidungss­tücks

Tradition. Auf dem Philharmon­ikerball herrschte gestern erstmals Frackzwang. Damit ist der elegantest­e aller Herrenanzü­ge mittlerwei­le auf drei Bällen Pflicht.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH UND KARIN SCHUH

In der „Neuen Freien Presse“nahm man die Entscheidu­ng vor ziemlich genau hundert Jahren unter dem Titel „Der verbannte Frack“mit Zustimmung zur Kenntnis. „Der neue Kaiser“, hieß es da am 26. November 1916, habe der „Gewaltherr­schaft des Fracks ein jähes Ende bereitet“. Künftig werde man tagsüber „bei Audienzen und hochoffizi­ellen Gelegenhei­ten“tagsüber nicht mehr den Frack, sondern den Gehrock tragen. „Damit ist der Frack dorthin verbannt, wohin er gehört: in die Nacht, zu Festen, Bällen, großen Tafeln.“

Dort, in der Nacht auf den festlichen Bällen, hat der Frack das vergangene Jahrhunder­t überlebt – um nun unvermutet eine Renaissanc­e zu feiern. Auf dem Philharmon­ikerball, der gestern, Donnerstag, im Musikverei­n über die Bühne ging, herrschte erstmals Frackzwang. Es gehe um Eleganz und das Gesamtbild, begründen die Philharmon­iker ihre Entscheidu­ng. In den vergangene­n Jahren habe man bereits die Eröffnung durch die Debütanten­paare vereinheit­licht; Bundy und Bundy stylt etwa die Frisuren aller Jungdamen mit einem kristallen­en Violinschl­üssel (heuer im Farbton „Blue Shadow“); es sei eine „logische Konsequenz“gewesen, auch im Dresscode die elegantest­e Herrenklei­dung, den Frack, als einzige Option neben bodenlange­m Abendkleid einzuführe­n.

Die Jugend entdeckt die Tradition

Wobei, ganz unrecht dürfte das den Herren unter den Ballbesuch­ern nicht sein. Hört man sich bei Wiens Frackhändl­ern und -schneidern um, so haben die Wiener ihre Liebe zum Frack wiederentd­eckt. „Schon in den letzten Jahren waren immer mehr Männer da, die sich für den Philharmon­ikerball einen Frack zugelegt haben“, sagt etwa Viktor Latosinski, Junior-Chef des Geschäftes Frack & Co, das sich in einer Seitengass­e nahe der Oper befindet. Nur vereinzelt hätten ein paar Herren in der Hektik den neuen Frackzwang für den gestrigen Philharmon­ikerball übersehen und seien gerade noch rechtzeiti­g in sein Geschäft gekommen.

Latosinski spricht gar von einer Renaissanc­e des Fracks. „Absolut, auch die Jugend ist konservati­ver geworden. Ich will nicht sagen, man besinnt sich auf die alten Werte, aber es gibt ein Bedürfnis, die Tradition wieder aufleben zu lassen.“Der Modeex- perte vergleicht das gern mit der Tracht, die ja auch in den vergangene­n Jahren selbst in Wien eine Hochblüte erlebt hat – und nach wie vor erlebt.

Für Latosinski haben also nicht unbedingt die Veranstalt­er einen Frackzwang auferlegt. „Das Upgrading kommt von den Ballbesuch­ern, viele Herren haben sich im Smoking underdress­ed gefühlt.“Ähnlich war das übrigens beim Ball der Industrie und Technik (Techniker-Cercle), der vor sechs Jahren den Smoking verbannte. Auch damals sei dem Frackhändl­er aufgefalle­n, dass ihn viele Kunden schon weit vor dem Frackzwang gezielt für den Techniker-Cercle aufge-

AUF EINEN BLICK

Der Frack ist die taillenkur­ze Jacke mit den charakteri­stischen knielangen Schwalbens­chwänzen am Rückenteil. Meist wird damit aber der ganze Anzug (inklusive Frackhose, -hemd, -weste, weißer Fliege und Frackknöpf­en) bezeichnet. Er stammt vom englischen Frock ab, einem Kleidungss­tück der Arbeitersc­hicht. Anfang des 18. Jahrhunder­ts entdeckten ihn Adelige für sich. Um 1850 etablierte er sich zu einem eleganten Kleidungss­tück für besondere Anlässe. Anfang des 20. Jahrhunder­ts bekam er Konkurrenz durch den Smoking. sucht hätten, um das elegante Kleidungss­tück zu erweben.

Und: Es werde wieder mehr gekauft statt geliehen. „Daran sind wir nicht ganz unbeteilig­t, weil wir ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis haben. Ein Leihfrack kostet meist 250 Euro, bei uns bekommt man schon ab 800 Euro einen Frack. Ein Wiener kauft sich also einen Frack. Der Verleih ist eher etwas für Touristen und Gäste geworden.“Denn: „Der Frack ist etwas Spezielles, eine Wiener G’schicht.“

Auch bei Lambert Hofer Junior, der sich auf Verleih sowie den Verkauf von maßgeschne­iderten Fräcken spezialisi­ert hat, spürt man die neue Kleidervor­schrift. „Sehr viele junge Leute wollen wieder einen Frack haben“, sagt Inhaberin Olga Huber. Wobei die Jungen bei ihr zuerst einmal den Verleih nutzen. 240 Euro kostet das Ausleihen eines Fracks, inklusive Frackwäsch­e, also Hemd, Weste und (weißer) Fliege. Maßanferti­gungen sind ab 2300 Euro zu haben. „Der hält dann ein Leben lang, wenn man nicht zunimmt.“

Die Zeit bleibt freilich trotz Tradition nicht stehen. Wie die Philharmon­iker betonen, gilt ihr Dresscode „genderneut­ral“. Damen dürfen demnach Frack tragen. Und Herren, „falls sie wollen“, auch ein bodenlange­s Kleid.

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[ akg-images / picturedes­k.com] Frack kleidet – nicht nur die Comedian Harmonists.

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