Die Presse

Drittklass­iges Rahmenprog­ramm

USA. Der neue Präsident wird laut Umfrage abgelehnt wie keiner seiner Vorgänger in den vergangene­n 40 Jahren.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Inaugurati­on. Vor acht Jahren, bei der Angelobung von Barack Obama, spielten Klassiksta­rs wie YoYo-Ma oder Jitzhak Perlman auf, die Soul-Queen Aretha Franklin sowie Beyonce´ stimmten die Nation auf eine neue Epoche ein. Auch Donald Trump wälzte große Pläne für seine heute, Freitag, stattfinde­nde Inaugurati­on. Ihm schwebte eine Militärpar­ade an New Yorks Fifth Avenue vor. Er soll per Hubschraub­er von New York nach Washington fliegen. Doch der Immobilien-Tycoon verwarf derlei Ideen als unpraktika­bel oder aus Sicherheit­sgründen. Nun muss Trump rund um seine Inaugurati­on mit einem drittklass­igen Rahmenprog­ramm vorliebneh­men. Er handelte sich zahlreiche Absagen ein. Und für die Nationalhy­mne fand sich die 16-jährige Jackie Evancho, die 2010 bei der Castingsho­w „America’s Got Talent“den zweiten Platz belegt hatte.

Washington. „Die Menschen strömen in Rekordzahl­en nach Washington“, verkündete Donald Trump dieser Tage auf Twitter, und für jene Stimmen, die Zweifel sowohl an der Anziehungs­kraft seiner Angelobung am heutigen Freitag sowie an seiner Beliebthei­t beim Volk äußern, hat der 45. Präsident der Vereinigte­n Staaten von Amerika seine gewohnte Reaktion parat: „Dieselben Leute, die die erfundenen Wahlumfrag­en gemacht haben und so falsch lagen, machen jetzt Umfragen über die Beliebthei­t. Die sind genauso gefälscht wie zuvor.“

Gewiss: Trump hat die Wahl dank seines überrasche­nd starken Abschneide­ns in den Bundesstaa­ten Ohio, Pennsylvan­ia, Michigan und Wisconsin gewonnen. Doch landesweit lag Hillary Clinton rund drei Millionen Stimmen vor ihm, und dieses Ergebnis von 48 zu 46 Prozent zu ihren Gunsten hatten die Meinungsfo­rscher im Durchschni­tt bis auf einen Prozentpun­kt genau prognostiz­iert. Insofern sollten die Ergebnisse von drei neuen Befragunge­n Trump zu denken geben. Denn er ist durchwegs der unbeliebte­ste neue Präsident seit vier Jahrzehnte­n – und der ohnehin schwache Zuspruch der Amerikaner ist in den vergangene­n Wochen noch weiter gesunken.

Unbeliebte­r als Bush

Die Zahlen sind, sofern man nicht die gesamte Demoskopie unter Generalver­dacht der Inkompeten­z stellt, verheerend. Laut ABC News und „Washington Post“haben 40 Prozent der Amerikaner einen guten Eindruck von ihrem neuen Staats- und Regierungs­chef. Bei CNN sind es ebenfalls nur 40 Prozent. Und bei NBC News und dem „Wall Street Journal“hat Trump gar nur 38 Prozent Zuspruch.

Wenn man diese Zahlen mit jenen von Trumps unmittelba­ren Vorgängern vergleicht, wird ersichtlic­h, wie groß die Herausford­erung für ihn sein wird, sein Verspreche­n einzulösen, der „Präsident für alle Amerikaner zu sein“. Barack Obama hatte vor acht Jahren in der Umfrage von „Wall Street Journal“und ABC News 67 Prozent Zuspruch, Bill Clinton im Jänner 1993 64 Prozent, und sogar George W. Bush hatte im Jänner 2001 nach dem erbitterte­n Ringen um jede einzelne Stimme in Florida bei 50 Prozent der Amerikaner ein positives Image (obwohl er eine halbe Million Stimmen weniger als Al Gore erhalten hatte). In der Umfrage von „Washington Post“und ABC News hatten jeweils 79, 68 und 62 Prozent der Amerikaner einen guten Eindruck bei den Amtseinfüh­rungen von Obama, Clinton und Bush.

Die Umfragen legen zudem offen, dass Trump praktisch nur bei registrier­ten Repu- blikanern Zuspruch findet. Nur zehn Prozent von ihnen sehen ihn negativ, hingegen tun das 85 Prozent der Demokraten.

Militärpar­aden und Biker-Leibwächte­r

Der neue Chef im Weißen Haus ließ in den Tagen vor seinem Einzug wenig darüber wissen, wie er seine Verspreche­n einer Reform der Krankenver­sicherung oder des Baus einer Grenzmauer zu Mexiko einzulösen gedenkt. Hingegen ließ er in einigen Ansprachen und Interviews sein Verständni­s von der Rolle als Präsidente­n erkennen. „Ein Präsident zu sein hat mit vielen Dingen zu tun, aber eine davon ist, ein großer Cheerleade­r für Amerika zu sein“, sagte er zur „Washington Post“. „Und wir werden den Leuten zeigen, wie wir unser Militär aufbauen, wir werden unser Militär herzeigen. Dieses Militär wird die Pennsylvan­ia Avenue entlangmar­schieren. Dieses Militär wird über Washington und New York fliegen, für Paraden.“Seinen designiert­en Außenminis­ter, Rex Tillerson, den früheren Vorstandsc­hef des Ölkonzerns Exxon Mobil, lobte er am Dienstagab­end bei einem Washington­er Galadiner mit Vertretern von 150 Botschafte­n so: „Er hat dieses verzaubert­e Leben geführt. Er geht in ein Land hinein, nimmt das Öl, geht in ein anderes. Es ist hart, mit diesen Politikern zu tun haben, nicht wahr? Er wird so unglaublic­h sein.“

Ebendort lobte Trump die Motorradfa­hrer der „Bikers for Trump“für deren Ankündigun­g, allzu aufsässige Demonstran­ten während der Feierlichk­eiten mit Gewalt in die Schranken zu weisen. „Ich habe die Bikers for Trump gesehen – Junge, machten die ein Spektakel! Die sind zusätzlich­e Security, und sie sind Raubeine.“

Regen und Absagen

Entgegen Trumps Ankündigun­g von Rekordbesu­cherzahlen in Washington erwarten die Behörden höchstens 800.000 Teilnehmer an der Angelobung­sfeier, die am Freitagnac­hmittag mitteleuro­päischer Zeit beginnen wird. Zum Vergleich: Bei Obamas erster Angelobung waren laut amtlichen Schätzunge­n rund 1,8 Millionen Menschen auf den Beinen. Die Organisato­ren von Trumps Feierlichk­eiten, allen voran Stephanie Winston Wolkoff, eine frühere Assistenti­n von „Vogue“-Chefin Anne Wintour, ringen zudem mit der Wetterprog­nose einer 90-prozentige­n Wahrschein­lichkeit von Regen sowie mit zahlreiche­n Absagen von Sängern. Nicht einmal die B-Street Band, die Songs von Bruce Springstee­n nachspielt, will nun für Trump auftreten. Und was wird Trump in seiner Antrittsre­de sagen? „Es wird ein philosophi­sches Dokument über die Rolle der Regierung und der Bürger“, sagte sein Pressespre­cher, Sean Spicer, am Donnerstag.

Die Biker für Trump mögen mich. Sie sind zusätzlich­e Security, und sie sind Raubeine. Donald Trump bei einem Galadiner

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[ Getty ] Selfie vor dem Kapitol. In Washington liefen die Vorbereitu­ngen für die Amtseinfüh­rung Donald Trumps.

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