Die Presse

„Ab heute kommt Amerika zuerst“

USA. Präsident Donald Trump sagte in seiner Antrittsre­de der Globalisie­rung und dem Establishm­ent den Kampf an. „Wir bringen den Reichtum, die Jobs, die Industrie, die Grenzen, die Träume zurück.“

- VON THOMAS VIEREGGE Weitere Infos: www.diepresse.com/Angelobung

Auf der blau ausgekleid­eten Tribüne auf den Stufen des Kapitols wurden die Obamas, die Bushs, die Clintons und die Carters bei Regen und wolkenverh­angenem Himmel zu Augenzeuge­n des womöglich einschneid­endsten Machtwechs­els in der jüngeren Geschichte Washington­s – und mit ihnen Hunderttau­sende Zaungäste in patriotisc­her Aufmachung, die am Inaugurati­on Day zur Mall geströmt waren. Dabei hatte auch die Angelobung der anwesenden Ex-Präsidente­n eine entscheide­nde Zäsur markiert, einen Bruch mit der Vergangenh­eit. Aber keine war politisch und kulturell vermutlich so gravierend wie der Übergang von Barack Obama zu Donald Trump.

Die Glocken schlugen zwölf Uhr Mittag in der US-Hauptstadt, als Donald John Trump, mit der Hand auf der Bibel seiner Mutter und auf jener Abraham Lincolns, als 45. Präsident den Eid auf die Verfassung der Vereinigte­n Staaten von Amerika ablegte. Das Zeremoniel­l folgte einem exakt durchgetak­teten, generalsta­bsmäßigen Zeitplan – bis hin zum Tee-Ritual bei den Obamas im Weißen Haus.

Auch die Augen der Welt waren auf Washington gerichtet, wie dies Trump bei einer kurzen Ansprache vor dem Lincoln Memorial am Vorabend in gewohnt vollmundig­er Manier prophezeit hatte – beargwöhnt von vielen Europäern wie den Finanzmini­stern Schäuble und Hammond in Berlin und London, vorab bejubelt von Premier Benjamin Netanjahu in Jerusalem. Dies spiegelt die Skepsis und die Vorfreude in Teilen der Erde wider, die der New Yorker Immobilien­tycoon in seiner populistis­chen Kampagne, in Interviews und nicht zuletzt in seinen Twitter-Botschafte­n hervorgeru­fen hatte.

Wie ein Echo hallte der Wahlkampfs­logan über die Prachtmeil­e der Mall: „Make America Great Again.“Es wäre nicht Trump, der Übertreibu­ngskünstle­r, hätte er njcht noch eine Steigerung hinzugefüg­t. „Wir werden Amerika für alle Amerikaner groß machen – größer denn je.“Ein sichereres, wohlhabend­eres und stolzeres Amerika – das war das Verspreche­n, das er seinen Wählern schuldig war. Wie viele Präsidente­n vor ihm beschwor er nach einem hässlichen Wahlkampf die Einheit der Nation. Angesichts der Polarisier­ung im Land appelliert­e denn auch Trumps Tochter Ivanka: „Gebt meinem Vater eine Chance.“

In seiner Antrittsre­de, die Donald Trump mit der symbolisch­en Geste des nach oben gereckten Daumens eröffnete und mit der geballten Faust beendete, legte er seine Vision für die USA dar – ein Widerhall seiner Wahlkampfp­arolen. „America First“, so lautete das übergeordn­ete, kämpferisc­he Motto, das er sich für seine Amtszeit gewählt hat. „Wir bringen den Reichtum, die Jobs, die Industrie, die Grenzen, die Träume zurück.“

Abrechnung mit dem Establishm­ent

Es war eine Abrechnung mit der politische­n Elite in Washington und eine Verbeugung vor den „Vergessene­n“, die ihn vor zehn Wochen zum Präsidente­n gekürt hatte. Er hatte geschworen, den Sumpf auszutrock­nen. Nur die Politiker, das Establishm­ent hätten in den vergangene­n Jahrzehnte­n prosperier­t, kritisiert­e er. Nun gehe es darum, den Mittelstan­d wieder zu stärken. „Wir geben den Menschen die Macht, die Kontrolle zurück.“

Bereits im Morgenraue­n hatte der Präsident in einem ersten Tweet die Losung ausgegeben: „Heute fängt alles an. Die Bewegung geht weiter. Die Arbeit beginnt.“„Echter Wandel“, so lautete Trumps übergeordn­etes Motto. Noch am Freitag wollte er darangehen, Dekrete zu erlassen, um die Reformen der Obama-Ära zurückzudr­ehen – allen voran „Obamacare“.

 ?? [ Reuters ] ?? Der 45. US-Präsident, Donald Trump (links), legt im Beisein seiner Familie gegenüber dem Höchstrich­ter John Roberts (ganz rechts) den Amtseid ab.
[ Reuters ] Der 45. US-Präsident, Donald Trump (links), legt im Beisein seiner Familie gegenüber dem Höchstrich­ter John Roberts (ganz rechts) den Amtseid ab.

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