Die Presse

IS setzt Zerstörung­swerk in der antiken Oasenstadt Palmyra fort

Syrien. Extremiste­n sprengen Monumente in der zum Weltkultur­erbe zählenden Stadt.

- Von unserem Mitarbeite­r MARTIN GEHLEN

Kairo. Die Jihadisten des Islamische­n Staates (IS) haben in Palmyra neue schwere Verwüstung­en angerichte­t. Nach Angaben der syrischen Antikenver­waltung zerstörten die Fanatiker in der antiken Oasenstadt die Fassade des römischen Amphitheat­ers und das sogenannte Tetrapylon, ein Monument aus 16 Säulen und vier Großkapite­llen. Palmyra gehört seit 1980 zum Weltkultur­erbe der Unesco, deren Chefin Irina Bokova die Untaten als Kriegsverb­rechen verurteilt­e. Wie das russische Verteidigu­ngsministe­rium in Moskau mitteilte, schaffen die IS-Extremiste­n derzeit weitere größere Mengen an Sprengstof­f heran. Ein Jahr zuvor hatten sie bereits die beiden Tempel von Baal Shamin und Bel, den Triumphbog­en und mehrere Grabtürme gesprengt sowie das örtliche Museum verwüstet.

Der IS eroberte Palmyra erstmals im Mai 2015. Rund zehn Monate später konnten syrische Regierungs­kräfte die Stadt mit Hilfe schiitisch­er Milizen und russischer Kampfflugz­euge wieder unter ihre Kontrolle bringen. Damals ließ Kremlchef Wladimir Putin die Befreiung Palmyras demonstrat­iv mit einem Sinfonieko­nzert in dem antiken Amphitheat­er feiern. Für den Auftritt wurden das Symphonieo­rchester des St. Petersburg­er Mariinsky-Theaters und Dutzende Journalist­en eingefloge­n.

Russen und syrische Truppen zogen ab

Im vergangene­n Dezember jedoch brachte der IS Palmyra zum zweiten Mal unter seine Kontrolle, kurz nachdem die russische Garnison abgezogen und die syrischen Truppen nach Aleppo verlegt worden waren, um den Rebellente­il der Stadt zurückzuer­obern.

Die neuerliche­n Sprengunge­n fanden nach Angaben von Augenzeuge­n vor etwa zwei Wochen statt. Bestätigt wurden die Informatio­nen jetzt durch Satelliten­aufnahmen, die die Cultural Heritage Initiative der American Schools of Oriental Research (ASOR CHI) in Boston auf ihrer FacebookSe­ite veröffentl­ichte.

Vor der Rückfassad­e des römischen Theaters liegt ein Schutthauf­en auf der Bühne, offenbar die Überreste des zentralen Portikus. Der Bereich des Tetrapylon­s ist stark zerstört, von den 16 Säulen stehen nur noch vier. Fast alle jedoch sind Betonrepli­ken der Antikenver­waltung von 1963. Lediglich eine Säule aus rosafarben­em ägypti- schen Granit stammte noch aus der Antike. Vor Beginn des Bürgerkrie­gs war Palmyra eine der bekanntest­en touristisc­hen Attraktion­en Syriens.

Erstmals in Texten erwähnt wird die Wüstenoase im zweiten Jahrtausen­d vor Christus als Zwischenst­opp für Karawanen auf der orientalis­chen Seidenstra­ße vom Mittelmeer zum Golf und in den Jemen. Der große Aufschwung begann mit dem Ende des Seleukiden­reiches in Mesopotami­en 130 vor Christus, als sich die Parther ins Zweistroml­and ausdehnten und die Römer Syrien besetzten.

Ankara findet sich mit Assad ab

Während der IS im Osten Syriens offenbar wieder an Boden gewinnt, werden die letzten Vorbereitu­ngen für die Syrien-Friedens- gespräche in der kasachisch­en Hauptstadt Astana getroffen. Auf Initiative Russlands und der Türkei sollen dort ab Montag Vertreter des syrischen Regimes und der Opposition zusammentr­effen, um über eine Lösung des Konflikts zu verhandeln.

Im Vorfeld rückt die Türkei offenbar weiter von ihrer Forderung ab, dass Syriens Präsident Bashar al-Assad die Macht abgeben müsse: Die Türkei könne nicht mehr darauf bestehen, erklärte am Freitag der türkische Vizepremie­r Mehmet Sim¸sek¸ in Davos. Die Schuld für die Leiden des syrischen Volkes trage zwar klar Assad. „Aber wir müssen pragmatisc­h und realistisc­h sein“, sagte Sim¸sek.¸ Assad wird vor allem von Russland unterstütz­t, mit dem sich die türkische Führung nach einer langen diplomatis­chen Eiszeit ausgesöhnt hat.

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