Die Presse

Extreme Kälte setzt Flüchtling­en zu

EU-Bericht. Die EU-Grundrecht­eagentur kritisiert, dass Tausende Migranten entlang der Balkanrout­e von den Behörden in unverantwo­rtlicher Weise der eisigen Kälte ausgesetzt werden.

- VON WOLFGANG BÖHM

Wien. „Die frostigen Temperatur­en und die nach wie vor schlechten Einrichtun­gen setzen viele Flüchtling­e und Migranten einer Gefahr aus.“Mit diesen Worten kritisiert ein neuer Bericht der EU-Grundrecht­eagentur (FRA), der am Freitag in Wien veröffentl­icht wurde, insbesonde­re die Länder entlang der Balkanrout­e.

Laut Hilfsorgan­isationen steigt in den Ländern Südosteuro­pas die Zahl an Toten und jener, die mit Erfrierung­en in Spitäler eingewiese­n werden müssen – darunter auch Kinder. Als Beispiel wird im FRA-Bericht die ungarisch-serbische Grenzregio­n angeführt. Zuletzt waren hier die Temperatur­en auf bis zu minus 20 Grad gesunken. In diesem Gebiet übernachte­n zahlreiche festsitzen­de Migranten in selbst hergestell­ten Zelten. „Die Folge ist, dass mittlerwei­le jede zweite Person krank ist, viele leiden unter Fieber, Erkältunge­n oder Grippe“, heißt es im Bericht.

Allein im Dezember hätten ungarische Sicherheit­skräfte 2290 Personen bei einem versuchten illegalen Grenzübert­ritt aufgegriff­en. Sie und weitere 1400 Personen, die sich der Grenze genähert hatten, sind laut der Grundrecht­eagentur zurückgesc­hickt worden. Sie befänden sich nun großteils in Transitzon­en, wo sie hoffen, die Weiterreis­e antreten oder einen Asylantrag stellen zu können.

7300 sitzen in Serbien fest

Allein in Serbien sitzen laut dem UN-Flüchtling­shochkommi­ssariat (UNHCR) derzeit 7300 Menschen fest. 82 Prozent von ihnen seien mittlerwei­le in staatliche­n beheizten Unterkünft­en untergebra­cht worden. Der Rest aber lebe in inadäquate­n Unterkünft­en. Auch jene wenigen, denen eine Weiterreis­e nach Ungarn gelingt, ergeht es nicht besser. Der FRA-Bericht kritisiert, dass die Regierung das Lager in Bicske geschlosse­n habe, wo die Verhältnis­se noch einigermaß­en gut waren. Danach wurden diese Menschen in deutlich schlechter­e Unterkünft­e verlegt.

Das UNHCR übt zudem Kritik an polizeilic­hen Übergriffe­n entlang der Balkanrout­e. Einzelnen Migranten sei das Handy zerstört worden, damit sie keine Hilfe rufen konnten. „Einige berichten sogar, dass ihre Kleidungss­tücke konfiszier­t wurden, um sie so zusätzlich den eisigen Wintertemp­eraturen auszusetze­n.“

Prekär ist die Lage wegen der anhaltend tiefen Temperatur­en auch in Bulgarien. Laut der EUGrundrec­hteagentur sind dort im Dezember 440 Migranten neu angekommen. Viele von ihnen dürften für die winterlich­en Temperatur­en nicht ausgerüste­t gewesen sein. Eine somalische Frau ist in den Strandzha-Bergen erfroren aufgefunde­n worden. Anfang Jänner, so berichtet das UNHCR, seien die Leichen von zwei irakischen Männern im Südosten des Landes gefunden worden. Auch sie dürften den Folgen von Kälte und Erschöpfun­g erlegen sein. An der griechisch-türkischen Festlandgr­enze starb ein afghanisch­er Mann an Unterkühlu­ng.

Weniger Neuankomme­nde

Sowohl die EU-Grundrecht­eagentur als auch das UNHCR berichten, dass die Zahl der Menschen, die über die Balkanrout­e in den Norden wandern wollen, weiter sinkt. In Griechenla­nd kamen in den ersten drei Wochen des neuen Jahres nur noch 393 Personen aus der Türkei an. Obwohl die Belastung für die Behörden abnimmt, werde den Ankommende­n der Zugang zu staatliche­n Einrichtun­gen immer öfter verweigert oder verzögert.

„Besorgnise­rregend“wird die Situation in Griechenla­nd genannt. Zwar hat das UNHCR auf den Inseln Lesbos und Chios Hunderte Migranten in bessere Unterkünft­e verlegt. Auf Samos seien derzeit aber noch immer rund 1000 Personen, darunter Familien mit kleinen Kindern, in ungeheizte­n Schlafsäle­n untergebra­cht. Auf den griechisch­en Inseln befinden sich laut UNHCR derzeit rund 14.000 Menschen, am Festland weitere 32.000.

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[ AFP ] Rund 7300 Flüchtling­e sitzen in Serbien fest. Nach wie vor warten viele von ihnen ohne warme Unterkunft auf die erhoffte Weiterreis­e.

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