Doch (noch) kein Abgesang
Mariahilfer Straße. Leerstände häufen sich, große Modeketten ziehen ab. Hat der Umbau die Einkaufsstraße ruiniert? Experten sagen Nein.
Wien. Es ist nach wie vor eine der teuersten Adressen der Stadt, aber seit ein paar Monaten wird es auf der Mariahilfer Straße leerer – beziehungsweise fallen die Leerstände mehr auf, seit das Weihnachtsgeschäft vorbei ist. Es beginnt kurz nach der Ecke beim Museumsquartier, an der Adresse 1c steht das Nespresso Cafe´ leer, das sich hier nur kurz gehalten hat. Schräg gegenüber wird umgebaut, auch die Gebrüder Stitch konnten sich an dieser teuren Lage mit ihren Maßhosen nicht halten. Und auch die Schaufenster der Pop-up-Zentrale sind derzeit verklebt – per Aufschrift sucht man neue (Kurzzeit-)Nutzer.
Je weiter es die Straße hinaufgeht, desto prominenter werden die Leerstände: Forever 21 hat den Handel mit Billigmode auf drei Etagen hier kurz vor Weihnachten aufgegeben, wenig später hat mit Promod schräg gegenüber ein weiteres mehrstöckiges Modegeschäft zugemacht. Auch der frühere Slama wird noch immer umgebaut – über eine Nachnutzung gibt es von den Eigentümern noch keine Auskunft.
Und im westlichen Teil der Straße kommen noch ein paar Leerstände dazu. Die frühere Tauschzentrale ist seit dem Konkurs leer. Ebenso das Geschäft von Johann Strauss, mit dem vor zwei Jahren ein weiterer Traditionsbetrieb in Konkurs gegangen ist.
Die Leerstände häufen sich. Und auch von anderen Geschäften hört man, sie hätten Probleme und mit Umsatzrückgängen zu tun. Angeblich etwa Peek & Cloppenburg oder C&A. Der Umbau, das neue Verkehrskonzept, ist es schuld, dass die Geschäfte schließen?
Wohl auch. Aber: „Man kann nicht jedes Problem und jede betriebliche Entscheidung der Straße anlasten“, sagt Rainer Trefelik, Spartensprecher des Wiener Handels. Und auch die Handelsexperten sehen die Sache differenzierter. Hannes Lindner, Chef des Beratungsunternehmens Standort + Markt, spricht von einer „unglücklichen Häufung“, zu der es zuletzt gekommen sei.
Neben der Geschichte der Abgänge – bei Forever 21, das auch in München ein teures Innenstadtgeschäftslokal geschlossen hat, dürfte wohl eine internationale Strategie dahinterstecken – könnte man schließlich auch eine zweite, andere Geschichte der Mariahilfer Straße erzählen: die der neuen Marken, die gekommen sind: Monki, Weekday, Terranova, TK Maxx etwa. Oder die Wiederbelebung des Generali-Centers als Mahü77 oder des La Stafa als Stafa Tower.
Minus zehn Prozent Umsatz
Aber Umsatzprobleme sind trotz alldem nicht zu leugnen. Lindner schätzt das Minus seit dem Umbau auf etwa zehn Prozent, wobei manche mehr verloren, andere gewonnen hätten. Die Abgänge von Forever 21 und Promod hängen aber mit einer Vielzahl von Faktoren zusammen: zu hohe Ablösen, sehr hohe Mieten – aber auch die Fußgängerzone, in deren Konzeption die Händler nicht eingebunden wurden. Das sind etwa für Rainer Will, den Geschäftsführer des Handelsverbandes, die Hauptgründe für die Probleme der Straße. Zudem wachse der Druck durch den Onlinehandel. Und die Verkehrssituation dränge Konsumenten tendenziell in die Einkaufszentren am Stadtrand.
Für ihn sei die Mariahilfer Straße von einer überregionalen Einkaufsstraße nun zu einem regionalen Shopping- und Gastrozentrum geworden. Jörg Bitzer vom Immobilienunternehmen EHL bestätigt, dass die Gastrosze- ne nun einer der Gewinner sei. Es wird zwar von guten Frequenzen in der Straße berichtet – so soll das Niveau von vor dem Umbau wieder erreicht sein –, die Umsätze hinken jedoch zum Großteil deutlich hinterher. Will vom Handelsverband glaubt, die Frequenz komme von Spaziergängern, Window-Shoppern und Demonstranten. Jene, die tatsächlich kaufen, seien mittlerweile jünger und hätten weniger Kaufkraft. „Die kaufkräftige Klientel fährt lieber in die Shoppingcenter mit Parkplatz“, bestätigt Bitzer.
Diese Tendenz leugnet niemand. „Es kommen andere Käufergruppen, das ist auch das Feedback der Unternehmer“, sagt Trefelik. Nicht jede Entwicklung sei erfreulich, aber gewisse Veränderung sei normal, und die Angebotsstruktur würde sich anpassen. „Die Leute sollen wieder Vertrauen aufbauen, sonst wird die Straße zum permanenten Reibebaum“, kritisiert er die häufigen Debatten über die Straße.
Denn für Abgesänge scheint es noch zu früh. Das bestätigt auch Lindner: Neuerungen wie der Stafa Tower seien erfolgreich, mit dem geplanten Ikea am Westbahnhof komme ein neuer Impuls, auch die Leerstände würden nicht lang vorhanden sein: „Bei Topstandorten gibt es viele, die mit Heißhunger dahinter sind.“Auch, wenn das nach Lage stark variiert: Im Kernbereich kostet ein neu vermieteter Quadratmeter (je nach Größe des Geschäfts, Etage usw.) Daumen mal Pi 100 Euro Miete.
„Unten ist der Hund drin“
Zum Teil aber würde der Name Mariahilfer Straße dazu führen, dass sich Vermieter der dezentraleren Zonen zu viel erwarten – „vor allem unten ist der Hund drin, die Vermieter haben zu hohe Erwartungen, auch die Mieter erwarten zu viel vom Umsatz“. Aber das würde sich anpassen – wie sich auch die Umsätze erholen würden. Jene Kunden, die mit dem Auto gekommen sind, blieben zwar aus. „Aber ich meine, dass beim Umsatz die Talsohle durchschritten ist. Die Stadt wächst so stark, dass das leicht kompensiert wird. In Summe wird die neue Straße gut angenommen“, so Lindner.