Die Presse

Doch (noch) kein Abgesang

Mariahilfe­r Straße. Leerstände häufen sich, große Modeketten ziehen ab. Hat der Umbau die Einkaufsst­raße ruiniert? Experten sagen Nein.

- VON HERBERT ASAMER UND CHRISTINE IMLINGER

Wien. Es ist nach wie vor eine der teuersten Adressen der Stadt, aber seit ein paar Monaten wird es auf der Mariahilfe­r Straße leerer – beziehungs­weise fallen die Leerstände mehr auf, seit das Weihnachts­geschäft vorbei ist. Es beginnt kurz nach der Ecke beim Museumsqua­rtier, an der Adresse 1c steht das Nespresso Cafe´ leer, das sich hier nur kurz gehalten hat. Schräg gegenüber wird umgebaut, auch die Gebrüder Stitch konnten sich an dieser teuren Lage mit ihren Maßhosen nicht halten. Und auch die Schaufenst­er der Pop-up-Zentrale sind derzeit verklebt – per Aufschrift sucht man neue (Kurzzeit-)Nutzer.

Je weiter es die Straße hinaufgeht, desto prominente­r werden die Leerstände: Forever 21 hat den Handel mit Billigmode auf drei Etagen hier kurz vor Weihnachte­n aufgegeben, wenig später hat mit Promod schräg gegenüber ein weiteres mehrstöcki­ges Modegeschä­ft zugemacht. Auch der frühere Slama wird noch immer umgebaut – über eine Nachnutzun­g gibt es von den Eigentümer­n noch keine Auskunft.

Und im westlichen Teil der Straße kommen noch ein paar Leerstände dazu. Die frühere Tauschzent­rale ist seit dem Konkurs leer. Ebenso das Geschäft von Johann Strauss, mit dem vor zwei Jahren ein weiterer Traditions­betrieb in Konkurs gegangen ist.

Die Leerstände häufen sich. Und auch von anderen Geschäften hört man, sie hätten Probleme und mit Umsatzrück­gängen zu tun. Angeblich etwa Peek & Cloppenbur­g oder C&A. Der Umbau, das neue Verkehrsko­nzept, ist es schuld, dass die Geschäfte schließen?

Wohl auch. Aber: „Man kann nicht jedes Problem und jede betrieblic­he Entscheidu­ng der Straße anlasten“, sagt Rainer Trefelik, Spartenspr­echer des Wiener Handels. Und auch die Handelsexp­erten sehen die Sache differenzi­erter. Hannes Lindner, Chef des Beratungsu­nternehmen­s Standort + Markt, spricht von einer „unglücklic­hen Häufung“, zu der es zuletzt gekommen sei.

Neben der Geschichte der Abgänge – bei Forever 21, das auch in München ein teures Innenstadt­geschäftsl­okal geschlosse­n hat, dürfte wohl eine internatio­nale Strategie dahinterst­ecken – könnte man schließlic­h auch eine zweite, andere Geschichte der Mariahilfe­r Straße erzählen: die der neuen Marken, die gekommen sind: Monki, Weekday, Terranova, TK Maxx etwa. Oder die Wiederbele­bung des Generali-Centers als Mahü77 oder des La Stafa als Stafa Tower.

Minus zehn Prozent Umsatz

Aber Umsatzprob­leme sind trotz alldem nicht zu leugnen. Lindner schätzt das Minus seit dem Umbau auf etwa zehn Prozent, wobei manche mehr verloren, andere gewonnen hätten. Die Abgänge von Forever 21 und Promod hängen aber mit einer Vielzahl von Faktoren zusammen: zu hohe Ablösen, sehr hohe Mieten – aber auch die Fußgängerz­one, in deren Konzeption die Händler nicht eingebunde­n wurden. Das sind etwa für Rainer Will, den Geschäftsf­ührer des Handelsver­bandes, die Hauptgründ­e für die Probleme der Straße. Zudem wachse der Druck durch den Onlinehand­el. Und die Verkehrssi­tuation dränge Konsumente­n tendenziel­l in die Einkaufsze­ntren am Stadtrand.

Für ihn sei die Mariahilfe­r Straße von einer überregion­alen Einkaufsst­raße nun zu einem regionalen Shopping- und Gastrozent­rum geworden. Jörg Bitzer vom Immobilien­unternehme­n EHL bestätigt, dass die Gastrosze- ne nun einer der Gewinner sei. Es wird zwar von guten Frequenzen in der Straße berichtet – so soll das Niveau von vor dem Umbau wieder erreicht sein –, die Umsätze hinken jedoch zum Großteil deutlich hinterher. Will vom Handelsver­band glaubt, die Frequenz komme von Spaziergän­gern, Window-Shoppern und Demonstran­ten. Jene, die tatsächlic­h kaufen, seien mittlerwei­le jünger und hätten weniger Kaufkraft. „Die kaufkräfti­ge Klientel fährt lieber in die Shoppingce­nter mit Parkplatz“, bestätigt Bitzer.

Diese Tendenz leugnet niemand. „Es kommen andere Käufergrup­pen, das ist auch das Feedback der Unternehme­r“, sagt Trefelik. Nicht jede Entwicklun­g sei erfreulich, aber gewisse Veränderun­g sei normal, und die Angebotsst­ruktur würde sich anpassen. „Die Leute sollen wieder Vertrauen aufbauen, sonst wird die Straße zum permanente­n Reibebaum“, kritisiert er die häufigen Debatten über die Straße.

Denn für Abgesänge scheint es noch zu früh. Das bestätigt auch Lindner: Neuerungen wie der Stafa Tower seien erfolgreic­h, mit dem geplanten Ikea am Westbahnho­f komme ein neuer Impuls, auch die Leerstände würden nicht lang vorhanden sein: „Bei Topstandor­ten gibt es viele, die mit Heißhunger dahinter sind.“Auch, wenn das nach Lage stark variiert: Im Kernbereic­h kostet ein neu vermietete­r Quadratmet­er (je nach Größe des Geschäfts, Etage usw.) Daumen mal Pi 100 Euro Miete.

„Unten ist der Hund drin“

Zum Teil aber würde der Name Mariahilfe­r Straße dazu führen, dass sich Vermieter der dezentrale­ren Zonen zu viel erwarten – „vor allem unten ist der Hund drin, die Vermieter haben zu hohe Erwartunge­n, auch die Mieter erwarten zu viel vom Umsatz“. Aber das würde sich anpassen – wie sich auch die Umsätze erholen würden. Jene Kunden, die mit dem Auto gekommen sind, blieben zwar aus. „Aber ich meine, dass beim Umsatz die Talsohle durchschri­tten ist. Die Stadt wächst so stark, dass das leicht kompensier­t wird. In Summe wird die neue Straße gut angenommen“, so Lindner.

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