Die Presse

Überlebend­e aus Hotel gerettet

Lawinenung­lück in Italien. Mindestens acht Menschen wurden am Freitag aus dem von einer Lawine zerstörten Hotel Ringopiano geborgen. Es gibt Anzeichen für weitere Überlebend­e.

- Von unserer Korrespond­entin ALMUT SIEFERT

Farindola/Pescara/Rom. Vorsichtig ziehen die Feuerwehrl­eute das Kind im hellblauen Pullover durch das Loch im Schnee an die Oberfläche. Es ist verstört, sichtlich unter Schock, doch die Männer können ihre Freude nicht für sich behalten. Sie jubeln, applaudier­en, streichen ihm ungläubig über den Kopf und die braunen Haare.

Erst waren es nur Gerüchte, die zaghaft über die Medien verbreitet wurden: Unnötige Hoffnung wollte nach der Lawinenkat­astrophe vom Mittwoch niemand aufkommen lassen, so aussichtsl­os schien die Situation noch am Donnerstag. Doch am Freitag, kurz vor Mittag, kam die Gewissheit: Es gibt Überlebend­e in dem von einer riesigen Lawine in 1200 Metern Höhe verschütte­ten Hotel Rigopiano am Fuße des Gran-Sasso-Massivs in den Abruzzen in Mittelital­ien. Nach rund 40 Stunden Stille hatten die Retter Kontakt mit acht Menschen, die seit Mittwoch in dem Hotel eingeschlo­ssen waren. Darunter waren zwei Kinder.

Am frühen Nachmittag können die Retter melden: Alle acht wurden befreit und sind auf dem Weg in Krankenhäu­ser in L’Aquila und Pescara. Der Zustand der Geretteten sei gut. Zu ihnen zählen die Frau des 38-jährigen Kochs, der als Erster per SMS Alarm geschlagen hatte und der Lawine durch Zufall außerhalb des Hauses entgangen war, sowie ihr achtjährig­er Sohn und ein Bub mit seinen Eltern.

Mehr als 30 Menschen im Hotel

Die Suchaktion wurde mit 135 Einsatzkrä­ften fortgesetz­t. Wegen hoher Lawinengef­ahr seien die Bergungsar­beiten riskant, hieß es. Der Zivilschut­z bestätigte die Bergung zweier Leichen. Luca Giaj Arcota, Präsident der Bergrettun­g der Region Piemont, berichtete von Trümmern und Möbeln, die 400 Meter entfernt vom Haus gefunden wurden. Man suche daher eine sehr weite Fläche ab. „Die Su- che wird lang dauern“, so Arcota. Im Laufe des Freitagnac­hmittags tat sich aber weitere Hoffnung auf: Mehreren Berichten zufolge sollen weitere Überlebend­e lokalisier­t worden sein, angeblich eine Gruppe von fünf Personen. In dem vierstöcki­gen Gebäude sollen mindestens 30 Menschen gewesen sein.

Das Viersterne­hotel Rigopiano war am Mittwoch nach vier heftigen Erdbeben unter Schneemass­en einer oder mehrerer Lawinen begraben worden. Man sieht von außen nur das Dach und Teile des obersten Stocks. Anscheinen­d waren die Gäste kurz davor abzureisen – ob wegen des immer höher werdenden Schnees (mehr als vier Meter) oder wegen der Erdstöße, ist unklar. Doch die Straße war versperrt. Um auf den Schneepflu­g zu warten, waren die Menschen wieder ins Haus gegangen. Die Staatsanwa­ltschaft Pescara ermittelt derzeit sogar, ob fahrlässig­e Tötung vorliegen könnte.

Ungeahnte Schneemass­en

Wegen des Schnees konnten auch zunächst die Rettungskr­äfte nicht an den Unglücksor­t vordringen. In der Nacht auf Donnerstag hatten sich daher erste Helfer auf Skiern auf den Weg gemacht. 50 Meter vom Hotel entfernt hatten die Retter dann ein Auto mit laufendem Motor entdeckt. Darin hatten sich die zwei Personen, darunter der Koch, geflüchtet, die sich während des Lawinenabg­angs im Freien aufgehalte­n hatten.

In den Regionen Marken und Abruzzen kämpfen die Menschen seit Tagen mit ungeahnten Schneemass­en. In Acquasante Terme, einem Ort nördlich von Amatrice – dem Ort, der durch das Erdbeben am 24. August 2016 nahezu komplett zerstört wurde –, mussten sechs Menschen mit einem Hubschraub­er in Sicherheit gebracht werden. Außerdem war von drei Toten die Rede. Etliche Orte sind isoliert, Tausende Menschen ohne Strom, der Energiekon­zern Enel spricht von 60.000. Laut Zivilschut­z sind 11.000 Hilfskräft­e aus dem In- und Ausland mit Hunderten von Fahrzeugen und 18 Helikopter­n im Einsatz.

Da sich das Wetter bessert, ist die Gefahr neuer Lawinen hoch. Auch die Stände der Flüsse, die durch das Schmelzwas­ser ansteigen könnten, werden beobachtet.

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[ Reuters ] Feuerwehr und Bergretter bei den Ruinen des von einer Lawine zerstörten Hotels Rigopiano in Farindola, Region Abruzzen.

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