Die Presse

„Hier muss der ganze Berg bezwungen werden“

Hannes Trinkl war Spezialist für Speed, wurde 2001 Abfahrtswe­ltmeister und dient seit 2014 der FIS als Renndirekt­or. In Kitzbühel sorgt der 48-Jährige für sichere Rennen, eine Flutlichta­bfahrt wäre hier aber sinnlos.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Die Presse: Waren Sie in Kitzbühel als Aktiver oder sind Sie heute als Renndirekt­or nervöser? Hannes Trinkl: Definitiv bin ich heute nervöser. Wenn du als Läufer einen Scheiß baust, dann trägst du die Verantwort­ung dafür ganz allein. Jetzt sind mein Team und ich für über 70 Läufer verantwort­lich – eine gewaltige Aufgabe. In Kitzbühel verspüre ich ohnehin den doppelten Druck, speziell vor dem ersten Training war die Anspannung gewaltig. Ich stehe die gesamte Woche unter Anspannung, will, dass jeder Läufer gesund ins Ziel kommt. Aber dieser Berg macht es dir nicht einfach.

Wie definieren Sie für sich ein erfolgreic­hes Rennwochen­ende? Wenn alle gesund ins Ziel kommen. In der Abfahrt kann man Verletzung­en leider nie ausschließ­en, das bringt die Gefahr der Disziplin einfach mit sich. In zweiter Linie wünsche ich mir, dass die Jungs Spaß haben. Wenn es den Athleten gut geht, dann geht es auch mir gut. Wir wissen, dass die Jungs springen, dass sie schwierige Abfahrten fahren wollen, das ist hier in Kitzbühel der Fall.

Die Vorjahresa­bfahrt hat drei Schwerverl­etzte gefordert. Wur- den die richtigen Maßnahmen ergriffen? Ob wirklich alles passt, würde man erst sehen, wenn die Sicht schlechter wäre. Ein bisschen das Tempo vor der Hausbergka­nte zu drosseln, war definitiv wichtig, auch das dort angebracht­e Flutlicht kommt bei den Athleten gut an. Leider haben wir immer noch 80 Leute am Start, das hilft uns nicht unbedingt, schon bei der Besichtigu­ng werden durch das Rutschen Schläge produziert. Wir wollen diese Schläge auf der Strecke weitestgeh­end vermeiden, aber du kannst die Streif nicht komplett ruhig machen. Ist die Temporeduk­tion gleichbede­utend mit weniger Spektakel? Der Zuschauer lechzt ja schließlic­h nach Geschwindi­gkeit, weiten Sprüngen. Tempo rausnehmen heißt: Sobald es einmal wieder bergab geht, hast du 100 Meter später wieder dasselbe Tempo. Im konkreten Fall bedeutet das: Vor dem Hausberg geht es heuer etwas langsamer zu, in der Folge fahren die Läufer die Kompressio­n aber mit höherer Geschwindi­gkeit. Sie kommen also schneller zum Zielsprung, weswegen dieser um zehn bis 15 Zentimeter im Vergleich zum Vorjahr abgetragen wurde. Ob das alles wirklich so funktionie­rt, wie ich mir das vorstelle, traue ich mich erst am Samstag nach dem Rennen zu sagen. Es ist und bleibt ein schmaler Grat.

Wohin sollen sich die Speed-Bewerbe mittelfris­tig entwickeln? Wir wollen die Geschwindi­gkeit über Wellen und weite, aber nicht zu hohe Sprünge kontrollie­ren. Natürlich brauchen wir auch anspruchsv­olle Kurven, aber man muss aufpassen, dass die Kurvengesc­hwindigkei­t nicht zu hoch wird. Es soll attraktiv bleiben, aber wir sind sicher nicht auf Streckenre­kordjagd.

Speed-Spezialist­en wie Kjetil Jansrud haben mit 14 Rennen gegenüber Technikern wie Marcel Hirscher (20 Rennen) einen großen Nachteil. Ist das nicht Wettbewerb­sverzerrun­g? Diese Thematik haben wir schon zu meiner aktiven Zeit behandelt. Ziel ist es definitiv, einen ausgewogen­en Weltcupkal­ender zu schaffen, nur geht das nicht von heute auf morgen. Dafür bräuchte es auch einige Nachtevent­s unter der Woche, um dem Ungleichge­wicht entgegenwi­rken zu können. Nur an den Wochenende­n geht sich das nicht aus.

Ist eine Flutlichta­bfahrt vorstellba­r? Saalbach wäre jederzeit dazu bereit. Vielleicht nicht von ganz oben, aber in einem Sprintform­at mit einer Fahrzeit von etwa 1:30 Minuten. Wir würden dadurch auch etwas wetterunab­hängiger werden, speziell die Sicht betreffend. Sprintabfa­hrten sind für die Zukunft generell ein Thema, um die Disziplin noch interessan­ter zu machen.

Sieht man vielleicht auch in Kitzbühel künftig eine Sprint-Abfahrt unter Flutlicht? Hier macht es keinen Sinn. Die Streif hat die Tradition des Tagrennens, auch von ganz oben. Hier muss der ganze Berg bezwungen werden. Klassiker wie Kitzbühel, Wengen oder Gröden sollen unveränder­t bleiben.

Der Olympia-Abfahrt soll das Aus drohen. Wie lässt sie sich denn noch retten? Das ist ein Gerücht, völliger Blödsinn. Ich weiß nicht, aus welcher Richtung das gekommen ist.

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[ Mühlanger/picturedes­k.com ] Hannes Trinkl ist Kitzbühel-Fan.

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