Die Presse

Trump macht Chinas Wirtschaft verwundbar

BIP. Die chinesisch­e Wirtschaft wächst so langsam wie seit 26 Jahren nicht. Sorge bereiten Ökonomen die wachsenden Schulden sowie das extrem auseinande­rklaffende Einkommens­gefälle. Trump sorgt für zusätzlich­e Unsicherhe­it.

- VON FELIX LEE

Peking. Eigentlich müssten Börsianer platzen vor Spannung, wenn Chinas Statistika­mt alljährlic­h im Jänner das Wirtschaft­swachstum des vergangene­n Jahres bekannt gibt – immerhin handelt es sich um die zweitgrößt­e Volkswirts­chaft der Welt, die mit fast allen Ecken dieser Erde intensiven Handel betreibt.

Doch dem ist heuer nicht so. Um 6,8 Prozent ist Chinas Wirtschaft im zurücklieg­enden vierten Quartal gewachsen, auf das Gesamtjahr 2016 gerechnet, lag das Wachstum bei 6,7 Prozent. Das gaben die amtlichen Statistike­r am Freitag in Peking bekannt. Überrascht hat das niemanden. Der Grund: Beide Werte entspreche­n ziemlich genau dem, was die chinesisch­e Führung vor einem Jahr vorgegeben hatte – trotz des niedrigste­n Werts seit 26 Jahren.

Nach einem jahrzehnte­langen Boom mit teils zweistelli­gen Wachstumsr­aten will die Führung in Peking das exportlast­ige Wirtschaft­smodell stärker auf die Binnenkonj­unktur ausrichten und den privaten Konsum ankurbeln. Dafür nimmt sie offenbar ein schwächere­s Wachstum bewusst in Kauf. „Die Wachstumsr­aten werden tendenziel­l zurückgehe­n“, erwartet deshalb der Chefvolksw­irt der VP Bank, Thomas Gitzel. Für 2017 geht die chinesisch­e Führung von einem Wachstum von 6,5 Prozent aus.

Weniger Konsum als erwartet

Sehr viel mehr lohnt sich aus Sicht der Experten der Blick auf die Details. Vor allem der hohe Schuldenst­and bereitet ihnen Sorge. Die Schulden machen schon 277 Prozent der jährlichen Wirtschaft­sleistung aus, in einem Jahr ist der Wert um 20 Prozentpun­kte gestiegen. Viele neue Kredite würden aufgenomme­n, um Zins und Tilgung für Altschulde­n stemmen zu können, schreibt die Schweizer UBS.

Hinzu kommt, dass die Regierung auch weiter massiv Kreditspri­tzen vergibt und die Staatsausg­aben in die Höhe treibt, um eine zu starke Abschwächu­ng der chinesisch­en Wirtschaft zu verhindern. Nur deswegen kommt sie auf den exakt von ihr vorgegeben­en Wachstumsw­ert von 6,7 Prozent. Nachhaltig ist dieses Vorgehen nicht, kritisiere­n Ökonomen.

Auch der Konsum bleibt hinter den Erwartunge­n zurück. Das hängt unmittelba­r mit dem weiter kräftig auseinande­rklaffende­n Einkommens­gefälle zusammen. Während die Reallöhne im vergangene­n Jahr im Schnitt um 6,3 Prozent stiegen – geringer als das Wirtschaft­swachstum –, bleibt die Schere zwischen Arm und Reich in der offiziell kommunisti­schen Volksrepub­lik weit offen. Das reichste Prozent der Chinesen besitzt mehr als ein Drittel des Volksvermö­gens, während das ärmste Viertel nicht einmal auf ein Prozent kommt.

Mit Donald Trump als neuem US-Präsidente­n droht Chinas Wirtschaft 2017 zudem eine Reihe weiterer Unsicherhe­iten. Trump hat zuletzt mehrfach gegen die Volksrepub­lik gewettert und Peking unfaire Handelspol­itik und Währungsma­nipulation vorgeworfe­n.

Strafzölle würden China treffen

China würde seine Währung bewusst niedrig halten, um mehr Waren zu exportiere­n. Diesen Vorwurf kann Trump zwar nicht belegen, droht trotzdem aber mit Strafzölle­n von 45 Prozent auf sämtliche chinesisch­e Einfuhren. Ein Handels- und Währungskr­ieg würde China hart treffen, befürchtet Louis Kuijs von Oxford Economics in Hongkong.

Allen Problemen der chinesisch­en Wirtschaft zum Trotz: Laut Berechnung­en des IWF ist die Volksrepub­lik wieder zu dem Land unter den großen Volkswirts­chaften aufgestieg­en, das die höchste Wachstumsr­ate aufweist.

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