So modern klang Musik vor hundert Jahren
Konzerthaus. Die Festlichen Tage Alter Musik begannen mit Berg, Sibelius, Schreker, Skrjabin und Szymanowski.
Die Idee ist glänzend, und sie sichert einem Projekt, dessen Einzelteile wohl in Wiens Konzertleben untergehen würden, die nötige Aufmerksamkeit: Das Klangforum bittet seit 2016 zu den Festlichen Tagen Alter Musik. Und das ist, wohl bewusst vor dem dem Barock gewidmeten Festival Resonanzen angesiedelt, eine Irreführung der ironischen Art. Die „alte Musik“, die hier gemeint ist, gilt dem Durchschnittshörer bis heute als „modern“, obwohl sie schon mindestens 60 Jahre auf dem Buckel hat.
Es ist ein bisschen wie einst bei Schönbergs Verein für musikalische Privataufführungen. Was damals gerade neu war, wurde auf möglichst qualitätsvolle Weise einstudiert – nur, dass heutzutage Beifall gespendet werden darf. Denn provoziert fühlt sich von den „alten Sachen“wirklich niemand mehr. Was nach wie vor fremd klingt, wird neugierig zur Kenntnis genommen. Denn die Kenner dürfen – wie ihre Vorgänger auf Schönbergs interpretatorischen Instinkt – auf die Qualitätskontrolle beim Klangforum vertrauen.
Dieses genoss es bei der „Festspieleröffnung“unter Stefan Asbury ganz offenkundig, auch einmal Spätromantisches in die Finger zu bekommen, und Musik von Avantgardisten der Zeit um 1900, die längst vielgespielte Meister sind: etwa ein gar traurig Lied von Jean Sibelius, das nach einem lyrischen Stück von Grieg klang, mit ein paar Vorhaltnoten angereichert, oder Alexander Skrjabins himmelstürmendes „Vers la flamme“, allerdings nicht in der Originalgestalt, in der den Pianisten die harmonischen Strukturen durch übermäßigen Pedalgebrauch leicht verschwimmen. Andreas Lindenbaum hat es für ein Kammerensemble mit reichem Schlagwerk arrangiert und durch fantastische farbliche Registerzüge bis auf den Urgrund der jeweiligen Tonika durchhörbar gemacht.
Auch Richard Dünser folgt einer von der Schönberg-Schule begründeten Tradition, wenn er Alban Bergs h-Moll-Sonate so ausleuchtet, dass die harmonischen Spannungsverläufe – anders als bei den meisten Aufführungen des pianistisch wirklich vertrackten Originals – immer wieder durch Entspannungsphasen gegliedert werden. Ein bewusst gewählter Kontrast wohl zu Franz Schrekers „Kammersymphonie“, die dem gleichnamigen, aber inhaltlich konträren Stück Schönbergs mit einer motivisch und vor allem harmonisch reichlich inkonsistenten, dafür aber farbenprächtigen Klangorgie antwortet.
Szymanowskis sinnliche Gesänge
Ein besonderes Klangerlebnis stand im Zentrum des ersten Festspielabends: Agata Zubel sang mit leuchtendem Sopran die Slopiewnie für Gesang und Klavier von Karl Szymanowski. Hier rächte sich, dass man beim Klangforum den Saal abdunkelt – bei Instrumentalwerken mag das die Konzentration fördern, bei Vokalmusik wüsste man aber doch gern, worüber da gerade verhandelt wird. Immerhin, die sinnlichen, hie und da vom vibratolosen Flüsterton bis zu voller Pracht anschwellenden Gesangskünste Zubels ließen etwa die erotische Konnotation von Nummer 3 deutlich werden; das Vertrauen in die Fantasie der Hörer darf ja vielleicht auch als Kompliment gewertet werden . . .
Es geht weiter bis 2. Februar, in Konzerthaus, Schönberg-Center, Wien-Museum. Musik von Jana´cek,ˇ Haba,´ Krenek, Zeisel, Ravel und vielen anderen ist zu entdecken!