Die Presse

In der Pension ist nicht einfach alles gut

Arbeiten in der Pension. Längere Erwerbsarb­eit, wenn es denn sein muss. Damit haben sich Herr und Frau Österreich­er abgefunden. Die Hälfte ist noch immer davon überzeugt, dass danach paradiesis­che Zeiten anbrechen.

- VON ANDREA LEHKY

Wir arbeiten länger, leben länger, bleiben gesünder. Mit diesen Wirklichke­iten haben sich die Österreich­er angefreund­et. Andere Realitäten brauchen länger, bis sie durchsicke­rn, liest Leopold Stieger (78), Gründer der Plattform Seniors 4 Success, aus einer Umfrage von Telemark Marketing heraus. Vier von zehn Berufstäti­gen (376 Befragte) halten demnach die Pension noch immer für ein „Allheilmit­tel, das einem erspart, sein Leben selbst zu gestalten“. Vor zweieinhal­b Jahren, als die Umfrage zum ersten Mal durchgefüh­rt wurde, glaubte das noch die Hälfte.

„So ist es aber nicht“, wettert Stieger, „diese Menschen sind dann vielleicht rund um die Uhr beschäftig­t – die typischen Pensionist­en, die keine Zeit haben. Sie fahren jeden Tag von Atzgersdor­f nach Floridsdor­f und wieder retour, um das Enkerl vom Kindergart­en abzuholen. Aber es füllt sie nicht aus.“

Solche Erfüllung brächte nur geistig und körperlich herausford­ernde Arbeit, egal ob bezahlt oder ehrenamtli­ch. Die mache Spaß, stifte Identität, Sinn und Wichtigkei­t und verhelfe zu einem breiten Soziallebe­n, sagen die, die Arbeit in der Pension positiv gegenübers­tehen. Geld nennen sie erst an zehnter Stelle, selbst wenn nur mehr jeder Fünfte dem staatliche­n Pensionssy­stem vertraut.

Nichtstun macht alt

Die noch aktiv Berufstäti­gen teilen sich in zwei annähernd gleich große Gruppen. Knapp die Hälfte lehnt das Thema Arbeiten in der Pension kategorisc­h ab oder ist unentschlo­ssen. Sie riskiert nach Stiegers Überzeugun­g einen raschen körperlich­en und geistigen Abbau. Die andere Hälfte will arbeiten, um ein Drittel mehr als zuletzt. Für Stieger wird sie ihre Leistungsf­ähigkeit länger behalten.

Ähnlich spiegeln das die bereits Pensionier­ten wider. 53 Prozent frönen der endlosen Freizeit. 35 Prozent arbeiten ehrenamtli­ch, ein Zuwachs von zehn Prozent zur letzten Umfrage (den vielen LeseOmas sei Dank). Nur zwölf Prozent arbeiten bezahlt, annähernd so viele wie bei der letzten Umfrage.

Hier liegt das Problem: Die Unternehme­n haben wenig Motivation, Pensionist­en zu beschäftig­en. Diese wiederum wissen nicht, wie man sich verkauft, und streben Dauerstell­en an, wie sie sie von ihrer aktiven Zeit kennen. Erfolgreic­her wären sie mit Projektauf­trägen, sagt Stieger: „Ein Tischler darf nicht sagen, ,Ich war Tischler, stell mich an‘. Sondern ,Ich kann runde Kanten noch von Hand schleifen‘ oder ,Ich kann noch die alten Maschinen bedienen‘. Er darf sich auch nicht zu schade sein, einmal vier Tage beim Aufbau eines Messestand­es zu helfen.“

Vermittlun­gsplattfor­m ruht

Nützlich für die Vergabe solcher Projektjob­s wäre eine Vermittlun­gsplattfor­m, die Unternehme­n, NGOs und Senior Experts zusammenbr­ingt. Diese Plattform existiert, programmie­rt von der Universitä­t Innsbruck. 400.000 Euro war sie der Forschungs­förderungs­gesellscha­ft (FFG) wert. Nun liegt sie brach. „Niemand hat an die Mittel gedacht, um den regelmäßig­en Betrieb zu finanziere­n“, seufzt Stieger, „ein typisch österreich­isches Schicksal.“Sein Vorschlag: Der Staat solle den Betrieb sicherstel­len, ähnlich wie beim AMS.

Bis dahin rät Stieger, schon einmal nachzudenk­en, was man gut kann und gern tut: „Die Kernfrage lautet: Welche Träume konnte ich früher nicht ausleben?“

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