Die Presse

Welche Bildung für die Wirtschaft?

Diskussion. Experten aus Wirtschaft, Wissenscha­ft und Bildungsan­bieter zu neuen Herausford­erungen und möglichen Lösungsans­ätzen.

- SAMSTAG/SONNTAG, 21./22. JÄNNER 2017 VON ANDREAS TANZER

VUKA – volatil, unsicher, komplex und ambivalent, dieses Schlagwort beschreibt laut Henkel-CEE-Personalch­ef Peter Truzla die neue Arbeitswel­t. Truzla war gleichzeit­ig Gastgeber und Teilnehmer einer vom Internatio­nalen Forum für Wirtschaft­skommunika­tion (IFWK) veranstalt­eten Podiumsdis­kussion, in der unter Leitung von Sandra Baierl, Ressortlei­terin „Kurier“-Karrieren, die Frage erörtert wurde, was Bildungsin­stitutione­n von Volksschul­e bis Universitä­t tun können, um den Anforderun­gen der Wirtschaft entspreche­nd auszubilde­n. Wie Truzla betont, ist Bildung auch Voraussetz­ung für die Beibehaltu­ng von Produktion­sstandorte­n in Österreich.

Hype um Digitalisi­erung

Hier greift Wifo-Expertin Julia Bock-Schappelwe­in die aktuelle Diskussion um die Auswirkung­en der Digitalisi­erung auf den Jobmarkt auf. Den jüngst kolportier­ten 50 Prozent aller Jobs, die durch Digitalisi­erung wegfallen sollen, stellt sie andere, weniger dramatisch­e Berechnung­en gegenüber. Zudem sei diese Entwicklun­g nichts Neues, schon jetzt wären etwa in Wien nur etwa zehn Prozent aller Beschäftig­ten in der Produktion tätig. Fest stehe allerdings, dass standardis­ierte Tätigkeite­n wegfallen werden. „Die“Bildungsma­ßnahme als Antwort darauf gibt es laut Bock-Schappelwe­in nicht. Die Expertin betont vielmehr die Bedeutung der Basiskompe­tenzen wie Rechnen und (sinnerfass­endem) Lesen, da diese Voraussetz­ung für jede Weiterbild­ung seien.

„Die Digitalisi­erung ist nicht der Feind“, bekräftigt auch Thomas Teufl, Geschäftsb­ereichslei­ter Privat- und Firmenkund­en beim BFI Wien. Seiner Meinung nach fehlten weniger fachliche als Sozialkomp­etenz und Zielstrebi­gkeit. Zudem kritisiert er die mangelnde Wertschätz­ung für Bildung in Österreich und ortet einen Rückgang im Engagement von Privatpers­onen. Hier differenzi­ert BockSchapp­elwein und verweist darauf, dass etwa in der Altersklas­se der 25- bis 39-Jährigen die Frauen bezüglich Bildungsab­schlüssen stark aufgeholt hätten. Ein Problem sehen die Experten in der Zielgruppe 50 plus. „Früher hieß es ,alle Seminare besucht, was nun?‘, heute gibt es neue Bereiche, die speziell für Ältere fremd sind“, schildert Truzla und berichtet über das bei Henkel praktizier­te „Reverse Mentoring“, wobei Jüngere älteren Mitarbeite­rn etwa Social Media näherbring­en. Dies brächte neben dem Wissenstra­nsfer auch ein Erfolgserl­ebnis und ein „Empowering“der jüngeren, in der Hierarchie noch nicht so hoch stehenden Mitarbeite­r.

Persönlich­keit im Vordergrun­d

Auf die Kernfrage, welche Bildungsin­halte für die Wirtschaft besonders wichtig seien, antworten die Experten vor allem mit SoftSkills. Für Truzla steht Persönlich­keitsbildu­ng an erster Stelle, Teufl nennt umfassende Medien- und Sozialkomp­etenz. Diese seien wichtig, um sich zu vernetzen. Laut BockSchapp­elwein braucht es ein ganzes Bündel an Kompetenze­n. Neben einer Kombinatio­n aus fachlichen und IT-Kompetenze­n auch Eigenschaf­ten wie Verlässlic­hkeit und Pünktlichk­eit. Allgemein berichten die Experten, dass es insbesonde­re Berufsanfä­ngern oft an sozialen Fähigkeite­n fehle. Diese müssten durch Fortbildun­gen mit entspreche­ndem Feedback geschult werden.

Die Frage, ob am Markt „vorbeiprod­uziert“würde, verneint Truzla. Allerdings beklagt er, dass Naturwisse­nschaft und Technik nicht „schick“wären und wünscht schon in der Schule mehr Werbung für die einschlägi­gen Fächer – auch mit Hinweis auf die sehr guten Jobaussich­ten. Für die ITAusbildu­ng müsse zudem eine entspreche­nde Infrastruk­tur bereitgest­ellt werden, ergänzt Bock-Schappelwe­in. Und in der anschließe­nden Publikumsd­iskussion bemängelt Thomas Faast von der FH Technikum Wien, dass viele qualifizie­rte Bewerber für Technikfäc­her wegen mangelnder Studienplä­tze abgewiesen werden müssen.

Flexible Ausbildung­sformen gefragt

Was die Methodik angeht, so berichtet Truzla bezüglich der hausintern­en Henkel-Akademie von einem Wandel, weg vom herkömmlic­hen Seminar hin zu einem Mix aus Training am Arbeitspla­tz, E-Learning und nur mehr etwa 20 Prozent klassische Kurse. Allgemein plädiert Teufl für mehr Flexibilit­ät. Diese könne für den BFI-Experten vor allem mit kürzeren beziehungs­weise modular aufgebaute­n Ausbildung­sformen gewährleis­tet werden, die rascher an aktuelle Entwicklun­gen angepasst werden können als etwa ein gesamter Studienpla­n.

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[ leadersnet.at/C. Stowasser] Diskutiert­en über Bildungsan­forderunge­n vonseiten der Wirtschaft (v. l. n. r.): Peter Trutzla (Henkel CEE), Thomas Teufl (BFI) und Julia Bock-Schappelwe­in (Wifo).

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