Panzer und Illuminaten
„Expedition Europa“: im sicheren Polen – ohne Wodka.
Soeben sah Europa die größte Truppenverschiebung seit dem Kalten Krieg. Beinahe drei Jahre nach Ausbruch des ukrainisch-russischen Bürgerkrieges verlagerte die USArmee 900 Wagen, 400 Kettenfahrzeuge, 400 „Humwees“, 144 „Bradleys“, 87 Panzer „Abrams“und 18 „Paladins“in den Osten der Nato. Die polnische Regierung begrüßte „Atlantic Resolve“besonders festlich. Es nahm mich wunder, dass die 3500 US-Soldaten nicht etwa an der russischen, sondern an der deutschen Grenze stationiert wurden, in ehemals deutschen Gebieten. Ich also in die Niederschlesische Heide.
Ich war spät dran. Die Party hieß „Sicheres Polen“, wurde live auf die Hauptplätze aller Wojewodschaftshauptstädte übertragen und von einer Spendensammlung für syrische Christen begleitet. Ich hörte im Autoradio, wie Premierministerin Beata Szydlo die „Vertreter der besten, stärksten und großartigsten Armee der Welt“begrüßte. Die Stimme von Antoni Macierewicz bebte noch erregter. Der polnische Verteidigungsminister ist ein Typus, an dessen Wirken in hohen Ämtern wir uns erst gewöhnen müssen: Er glaubt an Verschwörungstheorien. Er hält Smolensk für ein russisches Attentat und sieht noch hinter der wolhynischen Polenschlächterei ukrainischer Nationalisten die Hand Moskaus.
In der Heide wurde die Straße schlechter, der Geruch von Kohleverfeuerung drang herein, der Schnee wurde mehr. Ich war in Z˙agan´, im früheren Städtchen Sagan, in dem Wallenstein einen Astronomen namens Kepler beschäftigte. Auf dem Marktplatz „Rynek“bauten Arbeiter die Welcome-Bühne ab. Bier hatte es keines gegeben, sagten sie, „auch keinen Wodka“. – „Was gab es dann?“Sie suchten das Wort: „Tee.“
„Die Amis ficken“
Letzte Samstagnacht gab es in Sagan zwei geschlossene Bankette, ansonsten nur uneinsehbare Spielautomatenbars, die allerdings nichts ausschenken durften. In einem dieser fensterlosen Löcher fand ich sechs Vertreter der Saganer Jugend um eine Pressspanplattenbar versammelt. Ich fragte sie: „Ist Polen jetzt sicher?“Die zwei hinter der Bar ignorierten mich. Ein kleiner Angesoffener wollte „die Amis ficken“. Ein Riesenbubi dachte lange nach, bis er sagte: „Da kann Polen ein Truppenübungsplatz für alle anderen werden.“Eine gelockte Blondine mit charmanter Zahnlücke war mit 21 noch Schülerin und hatte folgende Meinung: „Es ist ein Privileg, dass die Amerikaner hier sind.“
Wieder draußen, hängte sich ein langer Knochiger an mich. Er verbarg geschickt den Joint in seiner Hand. Er warnte mich, „nicht alleine zu gehen, nicht in dieser Stadt“. – „Ist denn Polen nicht sicher?“Er riss die Augen auf: „Sagan?“Es ließen welche einen schwarzen BMW im Schnee schlittern, die meinte er aber nicht. „Illuminati!“– „Auch jetzt mit den Amis?“– „Wer sagt Ihnen, dass das keine sind?“Er erklärte mir die Verwobenheit von Jesuiten, Santander-Bank und Illuminaten; wenn ich mich fragte, warum die Löwen auf jener Fassade zweischwänzig seien, müsste ich nur in der Krypta von Herzog Biron unter die Gnadenkirche klettern. Ich fragte ihn, was er von der Regierung halte. Er winkte ab: „Warschau hat nicht die Kontrolle.“– „Trump?“– „Keine Macht.“– „Putin?“Nun sah ich den Knochigen zum ersten Mal zögern.
Am nächsten Morgen vor den Kasernen, Soldaten schaufelten den Schnee vom Militärgerät. In der SB-Pizzeria „Mafia“traf man bereits Soldiers. Sie gehörten alle ethnischen Minderheiten an, sehr junge Afroamerikaner oder sehr alte und müde. Ich ging in die Messe. Hinterher waren die Zierkappen von meinem Wagen geklaut.