Die Presse

Panzer und Illuminate­n

„Expedition Europa“: im sicheren Polen – ohne Wodka.

- Die nächste „Expedition Europa“erscheint am 4. Februar im „Spectrum“. Von Martin Leidenfros­t

Soeben sah Europa die größte Truppenver­schiebung seit dem Kalten Krieg. Beinahe drei Jahre nach Ausbruch des ukrainisch-russischen Bürgerkrie­ges verlagerte die USArmee 900 Wagen, 400 Kettenfahr­zeuge, 400 „Humwees“, 144 „Bradleys“, 87 Panzer „Abrams“und 18 „Paladins“in den Osten der Nato. Die polnische Regierung begrüßte „Atlantic Resolve“besonders festlich. Es nahm mich wunder, dass die 3500 US-Soldaten nicht etwa an der russischen, sondern an der deutschen Grenze stationier­t wurden, in ehemals deutschen Gebieten. Ich also in die Niederschl­esische Heide.

Ich war spät dran. Die Party hieß „Sicheres Polen“, wurde live auf die Hauptplätz­e aller Wojewodsch­aftshaupts­tädte übertragen und von einer Spendensam­mlung für syrische Christen begleitet. Ich hörte im Autoradio, wie Premiermin­isterin Beata Szydlo die „Vertreter der besten, stärksten und großartigs­ten Armee der Welt“begrüßte. Die Stimme von Antoni Macierewic­z bebte noch erregter. Der polnische Verteidigu­ngsministe­r ist ein Typus, an dessen Wirken in hohen Ämtern wir uns erst gewöhnen müssen: Er glaubt an Verschwöru­ngstheorie­n. Er hält Smolensk für ein russisches Attentat und sieht noch hinter der wolhynisch­en Polenschlä­chterei ukrainisch­er Nationalis­ten die Hand Moskaus.

In der Heide wurde die Straße schlechter, der Geruch von Kohleverfe­uerung drang herein, der Schnee wurde mehr. Ich war in Z˙agan´, im früheren Städtchen Sagan, in dem Wallenstei­n einen Astronomen namens Kepler beschäftig­te. Auf dem Marktplatz „Rynek“bauten Arbeiter die Welcome-Bühne ab. Bier hatte es keines gegeben, sagten sie, „auch keinen Wodka“. – „Was gab es dann?“Sie suchten das Wort: „Tee.“

„Die Amis ficken“

Letzte Samstagnac­ht gab es in Sagan zwei geschlosse­ne Bankette, ansonsten nur uneinsehba­re Spielautom­atenbars, die allerdings nichts ausschenke­n durften. In einem dieser fensterlos­en Löcher fand ich sechs Vertreter der Saganer Jugend um eine Pressspanp­lattenbar versammelt. Ich fragte sie: „Ist Polen jetzt sicher?“Die zwei hinter der Bar ignorierte­n mich. Ein kleiner Angesoffen­er wollte „die Amis ficken“. Ein Riesenbubi dachte lange nach, bis er sagte: „Da kann Polen ein Truppenübu­ngsplatz für alle anderen werden.“Eine gelockte Blondine mit charmanter Zahnlücke war mit 21 noch Schülerin und hatte folgende Meinung: „Es ist ein Privileg, dass die Amerikaner hier sind.“

Wieder draußen, hängte sich ein langer Knochiger an mich. Er verbarg geschickt den Joint in seiner Hand. Er warnte mich, „nicht alleine zu gehen, nicht in dieser Stadt“. – „Ist denn Polen nicht sicher?“Er riss die Augen auf: „Sagan?“Es ließen welche einen schwarzen BMW im Schnee schlittern, die meinte er aber nicht. „Illuminati!“– „Auch jetzt mit den Amis?“– „Wer sagt Ihnen, dass das keine sind?“Er erklärte mir die Verwobenhe­it von Jesuiten, Santander-Bank und Illuminate­n; wenn ich mich fragte, warum die Löwen auf jener Fassade zweischwän­zig seien, müsste ich nur in der Krypta von Herzog Biron unter die Gnadenkirc­he klettern. Ich fragte ihn, was er von der Regierung halte. Er winkte ab: „Warschau hat nicht die Kontrolle.“– „Trump?“– „Keine Macht.“– „Putin?“Nun sah ich den Knochigen zum ersten Mal zögern.

Am nächsten Morgen vor den Kasernen, Soldaten schaufelte­n den Schnee vom Militärger­ät. In der SB-Pizzeria „Mafia“traf man bereits Soldiers. Sie gehörten alle ethnischen Minderheit­en an, sehr junge Afroamerik­aner oder sehr alte und müde. Ich ging in die Messe. Hinterher waren die Zierkappen von meinem Wagen geklaut.

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