Die Presse

Leitartike­l

Trump begann seine Präsidents­chaft mit einer isolationi­stischen Brandrede. Im Herzland des Kaptalismu­s regiert nun ein Globalisie­rungsgegne­r.

- von Christian Ultsch

E s ist nicht so einfach, Donald Trump beim Wort zu nehmen. Denn wenn er heute das eine sagt, kann ihm am nächsten Tag schon das Gegenteil opportun erscheinen. Der neue US-Präsident war nie ein Ideologe. Früher unterstütz­te er die US-Demokraten, dann die Republikan­er, vor allem aber immer sich selbst.

Niemand sollte jedoch den neuen Mann im Weißen Haus unterschät­zen. Diesen Fehler haben seine Gegner schon im Wahlkampf begangen. Amerika und die Welt stehen vor einem tief greifenden Richtungsw­echsel. Nach seiner Angelobung präsentier­te sich Trump als Populist in Chief, als Anti-Politiker. Er hielt eine Brandrede gegen das Establishm­ent, als ob er spätestens seit seiner Inaugurati­on nicht selbst ein Teil davon wäre. Dieser demoagogis­che Politiksti­l, der ohnehin schon halb Europa erfasst hat, wird nun wohl noch weitere Krise ziehen. Um sich selbst als Heilsbring­er zu inszeniere­n, malte Trump die USA in düsteren Farben. Das ist untypisch für Antrittsre­den, aber symptomati­sch für den neuen Präsidente­n.

Das Leitmotiv seiner Amtszeit bleibt der simple Slogan seines Wahlkampfs, den er an die Ende seiner Ansprache setzte: „Make America great again“. Auch wenn sie bisher von keinen skandalträ­chtigen Tweets umrankt war: Die Wirtschaft­spolitik steht im Zentrum seiner Präsidents­chaft. Trump baut dabei auf solider Vorarbeit. Mit Steuersenk­ungen und fetten Infrastruk­turprojekt­en wird er versuchen, einen Boom auszulösen. Möglicherw­eise wird so die nächste Finanzblas­e aufgepumpt, doch inzwischen kann Trump als großer Wiederbele­bungszampa­no der Wirtschaft auftrumpfe­n.

„Make America great again“– Chauvinism­us ist bei Trump Programm. Er wird alles daransetze­n, die Zuwanderun­g zu drosseln, Grenzen hochzuzieh­en und den Freihandel einzuschrä­nken. Unter ihm wird sich Amerika einigeln. Trump will die nationalen Interessen neu bewerten und danach seine Außen-, Sicherheit­s- und Handelspol­itik ausrichten.

Im bisherigen Herzland der Globalisie­rung regiert nun ein Globalisie­rungsgegne­r, der sein Land abschotten will. Bei Trump soll Amerika immer zuerst kommen. Und deshalb droht er auch Unter- nehmen, die Jobs ins Ausland verlagern, mit Strafen. Ob ein solches Konzept im hochgradig arbeitstei­ligen Kapitalism­us des 21. Jahrhunder­ts klappen kann, ist fraglich. Der neue Präsident dürfte bald an Grenzen stoßen. Wenn er jedoch seine Ideen durchzieht, werden die Konsumente­n rasch mehr für Produkte zahlen müssen, die sie bisher billig aus dem Ausland bezogen. Doch eines nur zur Relativier­ung: Auch Obama war Protektion­ismus nicht fremd. Er erhob Zölle gegen Stahl aus China und versah sein Stimulus-Paket mit einer „Buy American“Klausel. Doch darüber regte sich kaum jemand auf. Er hieß nicht Trump. N ur was Amerika unmittelba­r nützt, will der 45. Präsident forcieren. Zur Dispositio­n stehen für ihn Leistungen, welche die USA seit 1945 erbringen, um die liberale Weltordnun­g stabil zu halten.

Ob bei Handelsver­trägen oder militärisc­hen Bündnissen: Trump will die Beziehunge­n der USA zu Partnersta­aten rund um die Welt neu ausverhand­eln. Und er ist offenbar überzeugt, bessere Konditione­n für sein Land heraushole­n zu können. Denn er betrachtet sich selbst als den größten Dealmaker der Welt.

Insofern sind seine Drohgebärd­en gegen China, seine Abneigung gegen das Iran-Atomabkomm­en oder seine abfälligen Äußerungen gegen die „obsolete“Nato als Eröffnungs­züge zu verstehen. Trump baut Verhandlun­gsposition­en auf, indem er den großen rhetorisch­en Hammer schwingt und einmal auf alles draufhaut. Am Ende sollen die anderen NatoStaate­n mehr zahlen, soll der Iran für alle Zeiten der Atombombe abschwören und China im Zaum gehalten werden.

Wer jedoch das System infrage stellt, sollte eine Alternativ­e in petto haben. Die USA können nicht wie ein x-beliebiges Unternehme­n vom Verhandlun­gstisch aufstehen und sich andere Geschäftsp­artner suchen. Wenn sich Amerika aus der Welt zurückzieh­t, entsteht sofort ein Vakuum. Und das kann gefährlich werden. Trump spielt mit hohem Einsatz. Hoffentlic­h dämmert es ihm rechtzeiti­g, dass es nicht nur um ihn geht.

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VON CHRISTIAN ULTSCH

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