Leitartikel
Trump begann seine Präsidentschaft mit einer isolationistischen Brandrede. Im Herzland des Kaptalismus regiert nun ein Globalisierungsgegner.
E s ist nicht so einfach, Donald Trump beim Wort zu nehmen. Denn wenn er heute das eine sagt, kann ihm am nächsten Tag schon das Gegenteil opportun erscheinen. Der neue US-Präsident war nie ein Ideologe. Früher unterstützte er die US-Demokraten, dann die Republikaner, vor allem aber immer sich selbst.
Niemand sollte jedoch den neuen Mann im Weißen Haus unterschätzen. Diesen Fehler haben seine Gegner schon im Wahlkampf begangen. Amerika und die Welt stehen vor einem tief greifenden Richtungswechsel. Nach seiner Angelobung präsentierte sich Trump als Populist in Chief, als Anti-Politiker. Er hielt eine Brandrede gegen das Establishment, als ob er spätestens seit seiner Inauguration nicht selbst ein Teil davon wäre. Dieser demoagogische Politikstil, der ohnehin schon halb Europa erfasst hat, wird nun wohl noch weitere Krise ziehen. Um sich selbst als Heilsbringer zu inszenieren, malte Trump die USA in düsteren Farben. Das ist untypisch für Antrittsreden, aber symptomatisch für den neuen Präsidenten.
Das Leitmotiv seiner Amtszeit bleibt der simple Slogan seines Wahlkampfs, den er an die Ende seiner Ansprache setzte: „Make America great again“. Auch wenn sie bisher von keinen skandalträchtigen Tweets umrankt war: Die Wirtschaftspolitik steht im Zentrum seiner Präsidentschaft. Trump baut dabei auf solider Vorarbeit. Mit Steuersenkungen und fetten Infrastrukturprojekten wird er versuchen, einen Boom auszulösen. Möglicherweise wird so die nächste Finanzblase aufgepumpt, doch inzwischen kann Trump als großer Wiederbelebungszampano der Wirtschaft auftrumpfen.
„Make America great again“– Chauvinismus ist bei Trump Programm. Er wird alles daransetzen, die Zuwanderung zu drosseln, Grenzen hochzuziehen und den Freihandel einzuschränken. Unter ihm wird sich Amerika einigeln. Trump will die nationalen Interessen neu bewerten und danach seine Außen-, Sicherheits- und Handelspolitik ausrichten.
Im bisherigen Herzland der Globalisierung regiert nun ein Globalisierungsgegner, der sein Land abschotten will. Bei Trump soll Amerika immer zuerst kommen. Und deshalb droht er auch Unter- nehmen, die Jobs ins Ausland verlagern, mit Strafen. Ob ein solches Konzept im hochgradig arbeitsteiligen Kapitalismus des 21. Jahrhunderts klappen kann, ist fraglich. Der neue Präsident dürfte bald an Grenzen stoßen. Wenn er jedoch seine Ideen durchzieht, werden die Konsumenten rasch mehr für Produkte zahlen müssen, die sie bisher billig aus dem Ausland bezogen. Doch eines nur zur Relativierung: Auch Obama war Protektionismus nicht fremd. Er erhob Zölle gegen Stahl aus China und versah sein Stimulus-Paket mit einer „Buy American“Klausel. Doch darüber regte sich kaum jemand auf. Er hieß nicht Trump. N ur was Amerika unmittelbar nützt, will der 45. Präsident forcieren. Zur Disposition stehen für ihn Leistungen, welche die USA seit 1945 erbringen, um die liberale Weltordnung stabil zu halten.
Ob bei Handelsverträgen oder militärischen Bündnissen: Trump will die Beziehungen der USA zu Partnerstaaten rund um die Welt neu ausverhandeln. Und er ist offenbar überzeugt, bessere Konditionen für sein Land herausholen zu können. Denn er betrachtet sich selbst als den größten Dealmaker der Welt.
Insofern sind seine Drohgebärden gegen China, seine Abneigung gegen das Iran-Atomabkommen oder seine abfälligen Äußerungen gegen die „obsolete“Nato als Eröffnungszüge zu verstehen. Trump baut Verhandlungspositionen auf, indem er den großen rhetorischen Hammer schwingt und einmal auf alles draufhaut. Am Ende sollen die anderen NatoStaaten mehr zahlen, soll der Iran für alle Zeiten der Atombombe abschwören und China im Zaum gehalten werden.
Wer jedoch das System infrage stellt, sollte eine Alternative in petto haben. Die USA können nicht wie ein x-beliebiges Unternehmen vom Verhandlungstisch aufstehen und sich andere Geschäftspartner suchen. Wenn sich Amerika aus der Welt zurückzieht, entsteht sofort ein Vakuum. Und das kann gefährlich werden. Trump spielt mit hohem Einsatz. Hoffentlich dämmert es ihm rechtzeitig, dass es nicht nur um ihn geht.