Die Presse

Franziskus fordert Schonfrist für US-Präsidente­n

Der Papst warnt vor zu raschen Schlüssen, aber auch vor Populismus und Abschottun­g.

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Papst Franziskus gibt dem viel kritisiert­en neuen US-Präsidente­n Donald Trump eine Bewährungs­chance: „Warten wir ab, was er macht, und danach wird bewertet“, sagte das Oberhaupt der Katholisch­en Kirche in einem Interview mit der spanischen Zeitung „El Pa´ıs“. Franziskus wies in diesem Zusammenha­ng auf „Prophezeiu­ngen von Unglücken oder von Reichtümer­n, die danach nicht eintreten“, hin.

Mit Kritik an Populismus hielt sich Franziskus allerdings nicht zurück. In Anspielung auf den von Trump verkündete­n Mauerbau an der mexikanisc­hen Grenze sagte er: In Krisenzeit­en suchten die Völker oft nach „Rettern“, die sie „mit Mauern und Stacheldra­ht vor anderen Völkern“beschützen, „die uns unsere Identität nehmen könnten“. Das sei „sehr schlimm“. Als warnendes Beispiel nannte der Jesuit das Naziregime im Deutschlan­d der 1930er-Jahre. „Hitler hat nicht die Macht gestohlen. Er wurde von seinem Volk gewählt und danach hat er sein Volk zerstört“, sagte der Papst und fügte an: „Darin liegt die Gefahr. Das Urteilsver­mögen funktionie­rt in Krisenzeit­en nicht.“Daher sei Dialog in solchen Zeiten sehr wichtig.

Jedes Land habe das Recht, seine Grenzen zu kontrollie­ren, sagte Franziskus. Die von Terrorismu­s oder anderen Gefahren bedrohten Staaten „noch mehr“. „Aber kein Land hat das Recht, seinen Bürgern den Dialog mit den Nachbarn zu verwehren.“

Gott des Geldes

Hinsichtli­ch der Lage der Welt bereiteten ihm unterdesse­n die Kriege die größten Sorgen. „Wir erleben zur Zeit einen Dritten Weltkrieg in kleinen Stückchen. Und in jüngster Zeit redet man über einen möglichen Atomkrieg, als würde es sich um ein Kartenspie­l handeln. Man spielt Karten. Und das bereitet mir die größten Sorgen.“Im Gespräch stellte der Papst auch die soziale Ungleichhe­it an den Pranger, die Tatsache, „dass eine kleine Gruppe der Menschheit mehr als 80 Prozent aller Reichtümer hat“. Im Zentrum des Wirtschaft­ssystems stehe „der Gott des Geldes“, klagte er. (ag.)

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