„Trump ist sehr gut für die Aktienmärkte“
Interview. Marktanalyst David Stubbs von JP Morgan hält viel auf amerikanische Gesundheitskonzerne sowie die mexikanische Währung Peso. Der Euro hingegen werde in den kommenden Monaten an Wert verlieren.
Die Presse: Was bedeutet der neue US-Präsident für Investoren? David Stubbs: Donald Trump ist sehr gut für die Aktienmärkte. Er ist ein Geschäftsmann mit ambitionierten Plänen, um die USA wirtschaftsfreundlicher zu machen. Er will die Steuern für Unternehmen reduzieren. Das ist eine Chance für Investoren, weil die Unternehmensgewinne steigen und die Aktienkurse wohl weiter zulegen werden.
Wie viel davon ist schon eingepreist? Ist eine Korrektur nicht überfällig? Klar gibt es die Gefahr einer Enttäuschung. Die genauen Pläne zur Steuerreduktion sind noch unklar, und das Abgeordnetenhaus könnte andere Ideen als der Präsident haben. Verzögerungen sind möglich, und das würde den Märkten kurzfristig schaden. Am Ende bin ich aber davon überzeugt, dass die US-Politik eine wachstumsfreundliche Steuerreform durchbringen und sich die Wirtschaft in den nächsten ein, zwei Jahren äußerst positiv entwickeln wird.
Manche Experten warnen vor der Unsicherheit, die Trump bringt. Ein unbedachter TwitterPost des jähzornigen Präsidenten kann ganze Wirtschaftszweige ins Taumeln bringen. Wir leben tatsächlich in einer Welt, in der der Twitter-Account einer einzelnen Person die Märkte volatiler gemacht hat. Diese politische Unsicherheit ist nicht zu verleugnen. Ich wage aber zu behaupten, dass positive Fundamentaldaten immer noch wichtiger als ein Tweet von Donald Trump sind.
In welche US-Aktien würden Sie derzeit investieren? Vorweg: Es ist nahezu unmöglich zu sagen, was mit einer Aktie in einem oder zwei Monaten passiert. Deshalb sollte jedes Investment einen Zeithorizont von mehreren Jahren haben. Der Finanzsektor wird weiter zulegen, weil die Notenbank die Zinsen vorsichtig, aber doch anhebt und die Kreditvergabe ein Wachstum wie seit der Finanzkrise nicht mehr (2008/ 2009, Anm. d. Red.) verzeichnet. Mein zweiter Favorit sind Gesundheits- und Pharmafirmen. Auch wenn unklar ist, wie das Gesundheitssystem in Zukunft aussehen wird: Es wird sicher nicht schlechter als jetzt für börsenotierte Unternehmen im Gesundheitswesen werden.
Autohersteller, die in Mexiko produzieren, sind wegen Trump unter die Räder gekommen, genauso wie der mexikanische Peso. Wird der neue Präsident der Vereinigten Staaten tatsächlich das Freihandelsabkommen Nafta aufkündigen und hohe Importzölle einführen? Er wird etwas tun, um seine Wahlversprechen zumindest an der Oberfläche einzuhalten. Es wird wahrscheinlich ein neues Abkommen zwischen den USA und Mexiko geben, das dann eben nicht mehr Nafta, sondern irgendwie anders heißt. Viel wird sich aber nicht ändern. Es gibt eine Schar von Leuten, die Trump hinter verschlossenen Türen klar sagen, dass der Freihandel beiden Ländern geholfen und in beiden Ländern Jobs gebracht hat.
Also der perfekte Zeitpunkt, um den mexikanischen Peso zu kaufen? Es kann kaum noch schlimmer kommen, als der Markt das bereits eingepreist hat. Abgesehen davon gibt es viele gute Gründe, in Mexiko zu investieren. Das Land hat viele wachstumsfördernde Reformen durchgebracht. Nichtsdestoweniger ist es immer riskant, ein einziges Land der sogenannten Emerging Markets auszuwählen und darauf zu setzen. Wir empfehlen daher, in mehrere Märkte gleichzeitig zu investieren. Weniger rosig sieht es in der Eurozone aus. Die Europäische Zentralbank (EZB) scheint nicht so recht zu wissen, wie und wann sie aus ihrer ultralockeren Geldpolitik aussteigen soll. Man kann es auch anders sehen und sagen, dass die EZB durch die Reduktion der monatlichen Anleihekäufe, wenn auch über einen längeren Zeitraum, mit dem Ausstieg schon begonnen hat. Sie wird die Käufe im Lauf des Jahres weiter drosseln, dafür aber den Zeitraum wohl bis in das nächste Jahr verlängern. Die Wirtschaft der Eurozone entwickelt sich gut, die Arbeitslosigkeit geht zurück, wenn auch von sehr hohem Level in mehreren Ländern.
Der Euro hat gegenüber dem Dollar deutlich an Wert verloren. Wird das so weitergehen? Der Dollar wird stark bleiben, gegenüber nahezu allen anderen Währungen und auch gegenüber dem Euro. In der ersten Jahreshälfte wird der Euro weiter abwerten, wegen der politischen Unsicherheit rund um die Wahlen in den Niederlanden und Frankreich. Er könnte auch unter die Parität zum Dollar fallen. In der zweiten Jahreshälfte, möglicherweise schon im Mai nach der Wahl in Frankreich, stehen die Chancen gut, dass der Euro wieder zulegt, sofern sich die europäische Konjunktur solide weiterentwickelt.
Bleibt noch das Risiko um Großbritannien. Sie haben stets vor den Folgen eines Votums für den EU-Austritt Ihres Heimatlandes gewarnt. Was wird im März passieren, wenn die Regierung Artikel 50 für den Austritt tatsächlich zur Anwendung bringt? Firmen werden weiterhin Personal aus England abziehen, wie das mehrere Großbanken bereits angekündigt haben. Wird das die Wirtschaft in eine Rezession stürzen? Ich glaube nicht. Wird es die Steuereinnahmen Großbritanniens reduzieren? Ja, beträchtlich. Ich fürchte jedenfalls, dass unsere Kinder und Enkelkinder in einem ärmeren Großbritannien leben werden, als wir es heute kennen. Ein großes Drama im März oder im Lauf dieses Jahres wird ausbleiben. Ich fürchte eher einen langsamen, schleichenden Wohlstandsverlust. Das hat aber nur wenig mit der EU und dem Ausstieg Großbritanniens zu tun.
Sondern? Die Probleme sind hausgemacht. Die Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre war zu schlecht. Das Wachstumsmodell war zu sehr auf London und den Finanzmarkt fokussiert.
Wie werden sich der britische Aktienmarkt heuer und wie das Pfund Sterling entwickeln? Nicht besonders aufregend, weil wir in einem Jahr kaum mehr wissen werden als heute. Der Prozess des EU-Austritts wird zwei Jahre dauern, und vor der deutschen Wahl im Herbst wird im Prinzip gar nichts passieren, und zwar auch nicht, nachdem Artikel 50 ausgelöst worden sein wird. Wir gehen davon aus, dass das Pfund ein wenig an Wert verlieren wird, aber nicht dramatisch. Die Aktienpreise der großen Firmen könnten weiter zulegen, weil sie drei Viertel ihres Umsatzes ohnehin im Ausland machen.