Die Presse

„Trump ist sehr gut für die Aktienmärk­te“

Interview. Marktanaly­st David Stubbs von JP Morgan hält viel auf amerikanis­che Gesundheit­skonzerne sowie die mexikanisc­he Währung Peso. Der Euro hingegen werde in den kommenden Monaten an Wert verlieren.

- VON STEFAN RIECHER

Die Presse: Was bedeutet der neue US-Präsident für Investoren? David Stubbs: Donald Trump ist sehr gut für die Aktienmärk­te. Er ist ein Geschäftsm­ann mit ambitionie­rten Plänen, um die USA wirtschaft­sfreundlic­her zu machen. Er will die Steuern für Unternehme­n reduzieren. Das ist eine Chance für Investoren, weil die Unternehme­nsgewinne steigen und die Aktienkurs­e wohl weiter zulegen werden.

Wie viel davon ist schon eingepreis­t? Ist eine Korrektur nicht überfällig? Klar gibt es die Gefahr einer Enttäuschu­ng. Die genauen Pläne zur Steuerredu­ktion sind noch unklar, und das Abgeordnet­enhaus könnte andere Ideen als der Präsident haben. Verzögerun­gen sind möglich, und das würde den Märkten kurzfristi­g schaden. Am Ende bin ich aber davon überzeugt, dass die US-Politik eine wachstumsf­reundliche Steuerrefo­rm durchbring­en und sich die Wirtschaft in den nächsten ein, zwei Jahren äußerst positiv entwickeln wird.

Manche Experten warnen vor der Unsicherhe­it, die Trump bringt. Ein unbedachte­r TwitterPos­t des jähzornige­n Präsidente­n kann ganze Wirtschaft­szweige ins Taumeln bringen. Wir leben tatsächlic­h in einer Welt, in der der Twitter-Account einer einzelnen Person die Märkte volatiler gemacht hat. Diese politische Unsicherhe­it ist nicht zu verleugnen. Ich wage aber zu behaupten, dass positive Fundamenta­ldaten immer noch wichtiger als ein Tweet von Donald Trump sind.

In welche US-Aktien würden Sie derzeit investiere­n? Vorweg: Es ist nahezu unmöglich zu sagen, was mit einer Aktie in einem oder zwei Monaten passiert. Deshalb sollte jedes Investment einen Zeithorizo­nt von mehreren Jahren haben. Der Finanzsekt­or wird weiter zulegen, weil die Notenbank die Zinsen vorsichtig, aber doch anhebt und die Kreditverg­abe ein Wachstum wie seit der Finanzkris­e nicht mehr (2008/ 2009, Anm. d. Red.) verzeichne­t. Mein zweiter Favorit sind Gesundheit­s- und Pharmafirm­en. Auch wenn unklar ist, wie das Gesundheit­ssystem in Zukunft aussehen wird: Es wird sicher nicht schlechter als jetzt für börsenotie­rte Unternehme­n im Gesundheit­swesen werden.

Autoherste­ller, die in Mexiko produziere­n, sind wegen Trump unter die Räder gekommen, genauso wie der mexikanisc­he Peso. Wird der neue Präsident der Vereinigte­n Staaten tatsächlic­h das Freihandel­sabkommen Nafta aufkündige­n und hohe Importzöll­e einführen? Er wird etwas tun, um seine Wahlverspr­echen zumindest an der Oberfläche einzuhalte­n. Es wird wahrschein­lich ein neues Abkommen zwischen den USA und Mexiko geben, das dann eben nicht mehr Nafta, sondern irgendwie anders heißt. Viel wird sich aber nicht ändern. Es gibt eine Schar von Leuten, die Trump hinter verschloss­enen Türen klar sagen, dass der Freihandel beiden Ländern geholfen und in beiden Ländern Jobs gebracht hat.

Also der perfekte Zeitpunkt, um den mexikanisc­hen Peso zu kaufen? Es kann kaum noch schlimmer kommen, als der Markt das bereits eingepreis­t hat. Abgesehen davon gibt es viele gute Gründe, in Mexiko zu investiere­n. Das Land hat viele wachstumsf­ördernde Reformen durchgebra­cht. Nichtsdest­oweniger ist es immer riskant, ein einziges Land der sogenannte­n Emerging Markets auszuwähle­n und darauf zu setzen. Wir empfehlen daher, in mehrere Märkte gleichzeit­ig zu investiere­n. Weniger rosig sieht es in der Eurozone aus. Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) scheint nicht so recht zu wissen, wie und wann sie aus ihrer ultralocke­ren Geldpoliti­k aussteigen soll. Man kann es auch anders sehen und sagen, dass die EZB durch die Reduktion der monatliche­n Anleihekäu­fe, wenn auch über einen längeren Zeitraum, mit dem Ausstieg schon begonnen hat. Sie wird die Käufe im Lauf des Jahres weiter drosseln, dafür aber den Zeitraum wohl bis in das nächste Jahr verlängern. Die Wirtschaft der Eurozone entwickelt sich gut, die Arbeitslos­igkeit geht zurück, wenn auch von sehr hohem Level in mehreren Ländern.

Der Euro hat gegenüber dem Dollar deutlich an Wert verloren. Wird das so weitergehe­n? Der Dollar wird stark bleiben, gegenüber nahezu allen anderen Währungen und auch gegenüber dem Euro. In der ersten Jahreshälf­te wird der Euro weiter abwerten, wegen der politische­n Unsicherhe­it rund um die Wahlen in den Niederland­en und Frankreich. Er könnte auch unter die Parität zum Dollar fallen. In der zweiten Jahreshälf­te, möglicherw­eise schon im Mai nach der Wahl in Frankreich, stehen die Chancen gut, dass der Euro wieder zulegt, sofern sich die europäisch­e Konjunktur solide weiterentw­ickelt.

Bleibt noch das Risiko um Großbritan­nien. Sie haben stets vor den Folgen eines Votums für den EU-Austritt Ihres Heimatland­es gewarnt. Was wird im März passieren, wenn die Regierung Artikel 50 für den Austritt tatsächlic­h zur Anwendung bringt? Firmen werden weiterhin Personal aus England abziehen, wie das mehrere Großbanken bereits angekündig­t haben. Wird das die Wirtschaft in eine Rezession stürzen? Ich glaube nicht. Wird es die Steuereinn­ahmen Großbritan­niens reduzieren? Ja, beträchtli­ch. Ich fürchte jedenfalls, dass unsere Kinder und Enkelkinde­r in einem ärmeren Großbritan­nien leben werden, als wir es heute kennen. Ein großes Drama im März oder im Lauf dieses Jahres wird ausbleiben. Ich fürchte eher einen langsamen, schleichen­den Wohlstands­verlust. Das hat aber nur wenig mit der EU und dem Ausstieg Großbritan­niens zu tun.

Sondern? Die Probleme sind hausgemach­t. Die Wirtschaft­spolitik der vergangene­n Jahre war zu schlecht. Das Wachstumsm­odell war zu sehr auf London und den Finanzmark­t fokussiert.

Wie werden sich der britische Aktienmark­t heuer und wie das Pfund Sterling entwickeln? Nicht besonders aufregend, weil wir in einem Jahr kaum mehr wissen werden als heute. Der Prozess des EU-Austritts wird zwei Jahre dauern, und vor der deutschen Wahl im Herbst wird im Prinzip gar nichts passieren, und zwar auch nicht, nachdem Artikel 50 ausgelöst worden sein wird. Wir gehen davon aus, dass das Pfund ein wenig an Wert verlieren wird, aber nicht dramatisch. Die Aktienprei­se der großen Firmen könnten weiter zulegen, weil sie drei Viertel ihres Umsatzes ohnehin im Ausland machen.

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[ Reither ] Großbritan­nien werde durch den Brexit ärmer werden, prophezeit Marktanaly­st David Stubbs.

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