„Das hier ist mein absoluter Herzensjob“
Interview. Danielle Spera moderierte einst die „Zeit im Bild“, seit 2010 leitet sie das Jüdische Museum. Mit der „Presse“sprach sie darüber, wie ihre kommunistische Familie sie prägte und warum die USA ein wichtiger Anknüpfungspunkt sind.
Die Presse: Sie sind 2010 mit der Motivation angetreten, eine Öffnung des Jüdischen Museums zu erreichen. Welche Bilanz ziehen Sie? Danielle Spera: Ich bin sehr zufrieden und hätte nicht gedacht, dass sich der Erfolg so schnell einstellt. Die Besucherzahlen sind gestiegen, die Erlöse auch, das freut uns natürlich sehr. Mir liegt vor allem die Jugend am Herzen, uns besuchen viele Schulklassen. Es gibt auch ein Programm für Flüchtlinge. Das sind Dinge, die nachhaltig wirken. Sie haben einen großen Teil Ihres Lebens im ORF verbracht und hatten keinerlei Erfahrung mit dem Management eines Museums. Was hat Sie schlussendlich davon überzeugt, diesen Job hier gut zu machen? Ich habe das Haus seit seiner Gründung beobachtet und oft besucht. Ich fand es immer sehr schade, dass es nicht stärker im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht. Als ich schließlich erfahren habe, dass die Stadt Wien eine neue Leitung sucht, habe ich nicht sofort daran gedacht, mich zu bewerben. Es war mein Mann, der mich darauf aufmerksam gemacht hat. Ich habe lang überlegt, Konzepte geschrieben und mich mit lieben Freunden beraten.
Was haben sie gesagt? Sie haben zu mir gesagt, dass ich diese Aufgabe unbedingt übernehmen solle, das wäre genau das Richtige für mich. Ich könne hier etwas bewegen, vielleicht sogar mehr als in der „ZiB“. So habe ich es gewagt, mein Konzept eingereicht und wurde zum Hearing eingeladen. Dann bin ich es geworden.
Ihr Vertrag wurde bis 2020 verlängert. Können Sie sich vorstellen, darüber hinaus zu bleiben? Das hier ist mein absoluter Herzensjob. Ich sehe auch, wie viel wir erreichen. Wir haben unter anderen viele internationale Besucher und können unsere Ausstellungen ins Ausland bringen. Ein wichtiges Ziel ist, die Dauerausstellung am Judenplatz zu erneuern. Das Wiener Mittelalter, auch aus jüdischer Perspektive darzustellen, ist mir ein großes Anliegen.
Veränderungen in einem Museum sind stets mit Kosten verbunden. Wie schwer war es, sich in Budgets und Kalkulationen einzuarbeiten? Ich habe mich schnell eingelebt. Durch die Vorlaufzeit von mehr als einem halben Jahr zwischen meiner Bestellung und dem Amtsantritt hatte ich die Gelegenheit, mich intensiv über den Status des Museums in jeder Beziehung zu informieren. Als Teil meines Studiums hatte ich auch Buchhaltung und Statistik, und so kam kein vollkommen neues Gebiet auf mich zu.
Wie entscheidend war Ihr Gehalt als Museumschefin? Was glauben Sie?
Gar nicht. Genau. Der ORF zahlt sehr gut, es war also ein Abstrich. Aber ich wollte dieses Haus nach vorn bringen, das war mir ein großes Anliegen. Ich komme aus einer kommunistischen Familie, deren Prinzip es war, alles zu teilen – das hat mich sehr geprägt.
Was haben Sie Ihren Kindern diesbezüglich weitergegeben? Dass man für andere sorgen soll. Auch für jene, denen es nicht so gut geht. Ich glaube, das haben sie gut verinnerlicht. Es ist wichtig, dass man Kindern ein derartiges Verhalten vorlebt.
Haben Sie das getan? Ja. Sie erleben auch, wie ich mich meinen Eltern oder Menschen, die einsam sind, zuwende, mit ihnen umgehe. Dinge wie Zeit, Öffnung und Empathie sind wichtig, auch wenn sie nichts mit Geld zu tun haben.
Kunst hat immer etwas mit Geld zu tun. Wie finden Sie das? Wie alle anderen Menschen können auch Künstler nicht ohne Geld auskommen.
Sie selbst sind, abgesehen von Ihrem Job, sehr an Kunst interessiert. Wie kam das? Während des Studiums bin ich in die Wiener Kunstszene eingetaucht, durch meine Freundschaft mit Rita und Hermann Nitsch hat sich das noch intensiviert. Bei Peter Pakesch habe ich viele Künstler kennengelernt, die zu Freunden wurden, wie Gunter Damisch, Herbert Brandl oder Hans Weigand.
Sammeln Sie auch Kunst? Seit meiner Studentenzeit sammle ich österreichische Kunst, im Lauf der Zeit sind einige israelische Künstler dazugekommen. Mein Mann teilt meine Leidenschaft.
Wie viele Bilder kaufen Sie jährlich? Je nachdem, ob neben all dem, was wir ausgeben, noch etwas übrig bleibt.
War und ist die Geldanlage dabei eines der Motive? Nein.
Woher haben Sie das überschüssige Geld? Wir sparen es woanders ein, überschüssig ist es leider nie.
Was machen Sie sonst mit Ihrem Geld? Unser Geld investieren wir in die Ausbildung unserer Kinder.
Zurück zum Jüdischen Museum. Kultureinrichtungen leiden ja unter latentem Geldmangel. Wie wirkt sich das auf die tägliche Arbeit aus?
(* 1957) studierte Pu\lizistik und Politikwissenschaften an der Universität Wien, in dieser Zeit \egann sie \ereits, für den ORF zu ar\eiten. 1987/1988 \erichtete sie aus dem ORF-Büro in Washington, 1988 wurde sie Moderatorin der „Zeit im Bild2. 2010 ü\ernahm Spera schließlich die Leitung des Jüdischen Museums in Wien. Seither stiegen die Besucherzahlen stark an. Es ist eine große, wenn nicht die größte Herausforderung, ständig um Geld kämpfen zu müssen. Unser Budget ist seit 2007 gedeckelt, seither gab es keine Anpassungen mehr. Das ist ohnedies schon dramatisch, da nicht nur die Gehälter steigen, sondern auch jeder Lieferant adäquat bezahlt werden muss. Gleichzeitig wurde unser Budget gekürzt. Um im Rahmen zu bleiben, sind wir gezwungen, Personal nicht nachzubesetzen.
Wie sehr leiden die Ausstellungen darunter? Wir haben das große Glück des Erfolgs. Durch die steigenden Besucherzahlen können wir viel mit Erlösen auffangen und gehen sehr sparsam mit diesen Ressourcen um. Wir haben einen Freundeskreis in den USA gegründet. Gerade der Kontakt mit den Nachkommen in dritter oder vierter Generation ist essenziell. Wir haben eine große Verpflichtung, sie wieder näher an die Heimat, aus der ihre Vorfahren vertrieben wurden, zu binden.
Wie geht dieser Kontakt vonstatten? Diese Generation kommt sehr gern nach Wien und will mehr über ihre Wurzeln erfahren. Wir versuchen, Hilfestellung zu leisten, indem wir uns etwa bemühen, Spuren der Familie wiederzufinden. Für Ausstellungen bekommen wir immer wieder spannende Schenkungen von aus Wien vertriebenen Familien, die heute leider woanders leben. Für viele ist es wichtig, dass die Dinge eine endgültige Heimstätte bekommen.
Sehen Sie diesbezüglich eine größere Offenheit in der amerikanischen Gesellschaft? In Österreich ist es bestimmt schwieriger, weil man sich in erster Linie mit der Täterperspektive auseinandersetzen muss. Es ist sicher nicht angenehm zu wissen, dass der Opa oder Uropa bei der SS war. Das ist wohl auch der Grund, warum man sich lang nicht mit der Vergangenheit befasst hat.
Ihr Museum lebt auch von Sponsorengeldern. Wie hart ist der Wettbewerb unter den Museen? Es ist für alle schwer, Sponsorengelder aufzutreiben. Anders als in den USA gibt es in Österreich keine sehr große Kultur des Sponsoring. Das hat freilich auch mit der Geschichte zu tun. Ohne die jüdischen Mäzene des 19. und 20. Jahrhunderts hätte es in Wien vieles nicht gegeben. Dafür gibt es heute die Verpflichtung des Staates für kulturelle Einrichtungen zu sorgen. Da wir sehr stark von Steuergeld leben, ist es mir besonders wichtig, etwas zurückzugeben. Es ist ja das Geld von allen, das in den Museen steckt.