Gilt „Freiheit der Kunst“auch für Komponisten und Dichter?
Wer vom „Regietheater“redet, spielt den Zynikern, die unser Theaterleben zerstören, in die Hände. Auch gutes Theater lebt von der Regie.
Wer ein Theaterstück nicht erkennt, hat keinen Anspruch auf Regress.
Es sind nur die Rezensenten, die schwärmen, und ein kleiner Teil des Publikums, der ständig den Nervenkitzel des Neuen braucht, Goethe nur noch in einer „Deutung“von Herrn X, Puccini in der „Sichtweise“von Frau Y erleben will.
Der gequälte „Normalverbraucher“, der angesichts dessen gegen das Regietheater aufbegehrt, meint zwar das Richtige, spielt aber zynischen Intendanten und Kulturpoliti- kern in die Hände. Die halten alle, die ihren brachialen Umerziehungskurs verdammen, für bedauernswerte Tschapperln, die halt den Zug der Zeit nicht erkennen wollen oder können.
Es stimmt schon, auch glänzende Aufführungen, die Text und/oder Partitur eines Stücks genügen, sind ohne Regisseur nicht zu denken. Große Erlebnisse bescheren uns Schauspieler (und Sänger) nur geführt von einem guten Theatermacher.
So war und ist das, wenn Peter Stein Verdi oder Tschaikowsky inszenierte, wenn Harry Kupfer Richard Strauss und Hofmannsthal nachspürte, oder wenn Peter Konwitschny den „Don Carlos“zwar sanft, aber ganz aus dem Geist des Stückes heraus optisch erneuerte.
Hier gilt es, die Wortwahl zu überdenken; zumal – das jüngste Beispiel in Lyon (siehe Rezension in dieser Ausgabe) lehrt es – manche Inszenatoren, diesfalls Romeo Castellucci, Arbeiten abliefern, die als pures artifizielles Ereignis, im Grenzgebiet zwischen Theater und Zirkus angesiedelt, durchaus von bemerkenswertem Zuschnitt sind.
Da bleibt nur eine kühle Rechnung zu machen: Wenn auf der Theaterkarte, die ein Opernfreund erwirbt, ein Werk wie „Jeanne au buˆcher“angekündigt ist und auf der Bühne etwas völlig anderes gezeigt wird, dann ist das als Betrug aufzufassen. Wo nur die „richtige“Musik – notabene in akustisch durch die Bühnenverhältnisse reduzierter Weise – wiedegegeben wird, sollte man den Eintrittspreis zurückfordern dürfen.
Dem haben freilich schon die Salzburger Gerichte widersprochen, als die Festspiele angeblich „Fledermaus“spielten, das Stück aber mangels richtiger Dialoge beim besten Willen nicht zu erkennen war. Da führt man die „Freiheit der Kunst“ins Treffen. Die aber gilt, wie sich zeigt, nur für deren „Interpreten“, und eher weniger für Komponisten oder Dichter.