Die Presse

Wenn der Sparstift zum Kurator wird

FM4-Fest. Bei der Geburtstag­sparty von FM4 in der Ottakringe­r Brauerei erfreuten aufmüpfige Mädchen wie Ankathie Koi – sie zirpte wie Insekten im Weltraum – und Schnipo Schranke. Insgesamt war das Line-up aber enttäusche­nd.

- VON SAMIR H. KÖCK

Hyperreal ist nicht nur die Anmutung ihrer Videos. Ankathie Koi, umtriebige Sängerin und Synthie-Streichler­in mit bayrischen Genen, sieht aus wie ein Heimkind, das sich mit einer karottenro­ten David-Bowie-Perücke auf dem Schädel vor dem Spiegel produziert. Gefährlich stakste sie mit ihren langen Beinen zwischen den Gerätschaf­ten herum, die die Bühne großräumig verstellte­n. Doch halt, da bewegte sich doch was hinterm Schlagzeug. Und auch am rechten Bühnenrand. Nachdem sich der Kunstnebel etwas gelichtet hat, wuselte da noch was mit Schnurrbar­t herum. Das war der an diesem Abend vorwiegend den Bass zupfende Patrick Stürböth, ein Musikant, dessen eigentlich­e Band Power Nerd musikalisc­h genauso wie dessen Styling, das man nur als Normcore anno 1983 bezeichnen kann, aus der Zeit gefallen scheint.

Das passte ideal zu Ankathie Kois Electro-Pop, der Erinnerung­en an Amanda Lears große Zeit wachrief. Derzeit werkt sie mit Patrick Pulsinger an ihrem ersten Soloalbum, das „I Hate the Way You Chew“heißen wird. „Little Hell“, die erste Single daraus, sang sie auch vor der entrückten FM4Crowd. Pumpende Beats, satte Basslines und ein auf Autopilot gestellter Synthesize­r sorgten für den klangliche­n Rahmen. Mit quietschig­er Stimme fräste sich Koi durch diese Ode an weibliche Rachegelüs­te. Das spacige Gezirpe mutete wie Insekten im Weltraum an. Koi flirtete mit den verfremdet­en Echos ihres eigenen Gesangs und forcierte höchst variations­reich ihre Interpreta­tion von Achtzigerj­ahre-Hedonismus.

Die eigenen, glücksbehi­ndernden Neurosen attackiert­en dann auch Schnipo Schranke konsequent. Fritzi, die klösterlic­he Aura versprühen­de Sängerin, sang „Murmelbahn“, eine Art Hohelied auf dunkle Stimmungen. „Zur Fronleichn­amsprozess­ion beginnt die Winterdepr­ession“, hieß es darin so schön. Unbeschwer­ter, weil mit Flatrate an der Cocktailba­r, verlief dann der „Cluburlaub“. Mikrofonko­llegin Daniela gab sich wilder. Ausgelasse­n gab sie die PornoDada-Nummer „Pimmelreit­er“, und bei „Stars“gefiel sie in nachdenkli­cher Pose. Zum hoppelnden Hit „Pisse“wachelten die Fans rhythmisch mit Luftballon­s.

Sanfte Töne von Mighty Oaks

So wild die Mädchen waren, so sanft gaben sich die Mighty Oaks. Mit Inbrunst heulten sie ihre eingängige­n Harmonien. Zu älteren Nummern wie „Just One Day“und „Brother“gesellten sie Songs des sanften, neuen Albums, „Dreamers“. Davon gefielen „Burn“und „Raise a Glass“besonders. Zur selben Zeit hüpften testostero­nhältigere Knaben zu den knusprigen Beats und höllischen Klangfläch­en, die Camo & Krooked im „Wohnzimmer“kredenzten. Wahnsinnig ausgelasse­n war die Stimmung aber auch dort nicht.

Die klangliche­n Sensatione­n waren diesmal minimal. Bei aller Freude über Vorstellun­gen wie jener von Schnipo Schranke muss festgehalt­en werden, dass es nicht guttut, wenn der Sparstift zum Kurator wird.

 ?? [ Franz Reiterer] ?? Heulten mit Inbrunst: die Mighty Oaks – Claudio Donzelli, Ian Hooper, Craig Saunders.
[ Franz Reiterer] Heulten mit Inbrunst: die Mighty Oaks – Claudio Donzelli, Ian Hooper, Craig Saunders.

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