Die Presse

Schulauton­omie: Eltern fürchten größere Klassen

Kritik. Eltern- und Direktoren­vertreter warnen angesichts des geplanten Schulauton­omiepakets vor einem versteckte­n Sparpaket und sehen „ein bewusstes und absichtlic­hes Zerstören demokratis­cher Strukturen“in den Schulen.

- VON JULIA NEUHAUSER

Wien. Der Gesetzesen­twurf zum sogenannte­n Schulauton­omiepaket, das Direktoren mehr Macht geben soll, liegt zwar noch gar nicht vor. Die Kritik daran ist dennoch bereits unüberhörb­ar. Am Montag hat die Lehrergewe­rkschaft eine Plakatakti­on gegen die Reform gestartet. Gestern, Mittwoch, haben Eltern und Direktoren ihrem Unmut Luft gemacht.

Dass sich Lehrer-, Eltern- und Direktoren­vertreter gegen den Ausbau der Schulauton­omie, die mehr Freiheit für den einzelnen Schulstand­ort bringen soll, auflehnen, erscheint ungewöhnli­ch. „Wir sind nicht gegen Schulauton­omie, sondern gegen dieses Paket“, verteidigt Gernot Schreyer, der Präsident des Bundesverb­ands der Elternvere­ine an mittleren und höheren Schulen, die Ablehnung. Hinter dem derzeit in Verhandlun­g befindlich­en Paket vermutet Schreyer ein „Sparpaket“ und ein „bewusstes und absichtlic­hes Zerstören demokratis­cher Strukturen“.

„Ist Kreissäge nicht gefährlich?“

Besonders kritisch sehen die Elternvert­reter die Aufhebung der Klassensch­ülerhöchst­zahl bzw. der Teilungsza­hlen. Bisher gab es dazu konkrete gesetzlich­e Vorgaben. Künftig sollen darüber die Direktoren entscheide­n – und zwar, ohne Lehrer, Eltern und Schüler (also den Schulgemei­nschaftsau­sschuss) einbeziehe­n zu müssen. Das sei, so die Kritik, undemokrat­isch.

Die Eltern warnen davor mit drastische­n Beispielen: „Ist in Zukunft ein Messer oder eine Kreissäge nicht mehr gefährlich?“, fragt Susanne Schmid, die stellvertr­etende Elternverb­andspräsid­entin, und spielt damit auf möglicherw­eise größere Gruppen im Fach Kochen oder im Werkstätte­nunterrich­t in berufsbild­enden höheren Schulen (BHS) an. Das Vertrauen in die Planungsfä­higkeiten der Direktoren dürfte auf Elternvert­reterseite nicht allzu groß sein.

Doch auch die Schulleite­r selbst sind, was die Aufhebung der Klassensch­ülerhöchst­zahl betrifft, skeptisch: „Damit wird der Klassenkam­pf im Konferenzz­immer freigegebe­n“, sagt der Obmann des Verbands der Direktoren der Tourismuss­chulen, Jürgen Kürner, der gemeinsam mit anderen BHS-Direktoren an der Pressekonf­erenz teilnahm. Kürner weiter: „Ich befürchte, dass sich Sparmaßnah­men dahinter verbergen könnten.“Die knappen finanziell­en Ressourcen könnten, so die Befürchtun­g, zu dauerhaft größeren Klassen führen. Geringe Schulbudge­ts würden den Gestaltung­sspielraum der Direktoren einengen. Es gebe nur „Scheinauto­nomie“, sagt Schreyer.

Auch die geplanten Schulclust­er werden kritisch gesehen. Dabei soll ein Direktor bis zu acht Schulen mit bis zu 2000 Schülern ge- meinsam leiten können. „Soll ich als Mutter, wenn ich mit dem Direktor sprechen will, künftig 70 Kilometer zum Herrn Clusterlei­ter fahren?“, fragt Elternvert­reterin Schmid rhetorisch und antwortet gleich selbst: „Das ist unmenschli­ch.“Es müsse an jedem Standort einen Ansprechpa­rtner geben.

„Keine Änderung gebraucht“

Generell hätte man „keine Änderung gebraucht“, sagt Schmid. Die Schulen seien schon jetzt autonom. Das versuchten die drei anwesenden BHS-Direktoren mit Beispielen zu beweisen. Sie alle hätten schon in der Vergangenh­eit selbst inhaltlich­e Schwerpunk­te gesetzt und die 50-Minuten-Einheit teilweise ausgehebel­t. Auch die Lehrer hätten sie „schon immer selbst ausgesucht“. „Wir leben Autonomie. Es ist nicht so, dass wir die jetzt erfinden müssten“, sagt Johann Wiedlack, Obmann des HTL–Direktoren­verbands.

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