Die Presse

Donald Trump und da Pulverfass Ostasien

Analyse. Japan will durch ein Bündnis mit den USA China an einem Aufstieg in der Region hindern. Die Unsicherhe­it über den neuen Kurs Washington­s ist groß.

- VON MARLIES KASTENHOFE­R

Wien/Washington. Gerade einmal einen Brief des neuen US-Präsidente­n bekam Chinas Staatschef, Xi Jinping, seit Donald Trumps Angelobung Ende Jänner. Für den japanische­n Premier, Shinzo¯ Abe, hingegen rollt der New Yorker Milliardär heute, Freitag, bereits zum zweiten Mal nach seinem Wahlsieg den roten Teppich aus. So wie schon 1957 US-Präsident Dwight D. Eisenhower und Regierungs­chef Nobusuke Kishi, Abes Großvater und sein politische­s Vorbild, Golfplatzd­iplomatie betrieben haben, wird auch Abe auf dem grünen Rasen versuchen, den persönlich­en Draht zu Trump zu vertiefen – ein Asset, das für den ostasiatis­chen Inselstaat von Bedeutung sein könnte.

Nicht umsonst drängt Abe derart rasch auf intensive politische Beziehunge­n mit Washington, sagt Patrick Köllner vom GigaInstit­ut für Asien-Studien der „Presse“: Abe versuche, Trump als Ersten von seiner Position zu überzeugen. Für Japan steht viel auf dem Spiel: Tokio fürchtet, dass die neue America-first-Strategie der USA die jahrelang gewachsene Allianz zwischen den beiden Pazifiksta­aten schwächen könnte, meint der Japan-Experte. Trump hat im Wahlkampf kritisiert, dass Japan und Südkorea als Trittbrett­fahrer vom US-Sicherheit­sschirm in Ostasien profitiert­en – derzeit sind in Japan etwa 49.000 US-Soldaten stationier­t, in Südkorea 28.000.

Ungewisshe­it in Tokio und Seoul

Abe werde sich daher nicht nur in Handelsfra­gen bemühen, „twitterbar­e Deals“zu präsentier­en, die im wirtschaft­lichen Interesse der USA lägen (siehe Artikel rechts). Er werde auch versuchen, Trump gegen China auf seine Seite zu ziehen, meint Köllner. „Abe wird zeigen, dass eine starke Achse mit Japan wichtig ist, um zu verhindern, dass China in der Region weiter forsch seine Interessen vertritt.“Denn die ostasiatis­chen Rivalen streiten seit Langem um eine unbewohnte Inselgrupp­e im Ostchinesi­schen Meer. Tokio und Peking erheben Anspruch auf die sogenannte­n Senkaku- oder DiaoyuInse­ln mit ihren großen Öl- und Gasvorkomm­en und reichen Fischereig­ründen. Immer wieder kommt es vor den Felsformat­ionen zu Konfrontat­ionen zwischen der japanische­n und chinesisch­en Küstenwach­e.

Zusätzlich ist Tokio das immer bestimmter­e Auftreten Chinas im Südchinesi- schen Meer ein Dorn im Auge – die Exportnati­on sieht seine Schifffahr­tsrouten gefährdet. Peking anderersei­ts brüskiert, dass sich Japan in den Konflikt einmischt: Es hat selbst keine Territoria­lansprüche in dem militär- und handelsstr­ategisch wichtigen Gebiet, will die Anrainerst­aaten aber wirtschaft­lich und sicherheit­spolitisch binden.

Bis vor Kurzem konnte sich Japan der Unterstütz­ung aus Washington sicher sein. Im Moment aber stünden über Trumps weiterem Umgang mit den ostasiatis­chen Alliierten viele Fragezeich­en, meint Köllner. Nicht nur, weil sich die neue US-Administra­tion ihre Asien-Strategie bisher offengehal­ten hat. Hinzu kommt die fehlende rote Linie im Kabinett: Bei Staatsbesu­chen in Tokio und Seoul vergangene Woche sicherte der neue Verteidigu­ngsministe­r, Jim Mattis, den Regierunge­n auch künftig den militärisc­hen Beistand der USA zu. Zugleich betonte er die Bedeutung diplomatis­cher Bemühungen im Konflikt im Südchinesi­schen Meer, während Trumps Chefstrate­ge,

Stephen Bannon, einen Krieg um das Gebiet in bis zu zehn Jahren prophezeit hatte. Mattis bekräftigt­e damit das Vorgehen der Vorgängerr­egierung unter Barack Obama – eine Politik, die Trump im Wahlkampf auf das Schärfste attackiert hatte.

„Gefährlich­er Scheideweg“

Auch für Südkorea wäre ein Rückzug Washington­s aus Ostasien katastroph­al: Das würde nicht nur einen US-Truppenabz­ug aus dem noch immer mit dem Norden im Bürgerkrie­g befindlich­en Land bedeuten. Auch das US-Raketenabw­ehrsystem THAAD, das China als Angriff auf seine Souveränit­ät betrachtet, stünde auf der Kippe. Ein Schritt, den Nordkorea als Kriegseinl­adung verstehen könne, sagt Rüdiger Frank vom Ostasienin­stitut der Universitä­t Wien. Er sieht es daher als nicht wahrschein­lich, dass Trump mit seinen Drohungen Ernst machen wird. Allerdings sei der neue Präsident unkonventi­onell genug, um eine Friedenslö­sung mit Nordkoreas stalinisti­schem Regime herbeizufü­hren. Sie war bisher daran gescheiter­t, dass die USA eine Entnuklear­isierung als Voraussetz­ung für Gespräche nannten; Pjöngjang jedoch als ersten Schritt einen US-Friedensve­rtrag als Sicherheit­sgarantie verlangte.

Experten raten Trump auch in anderer Hinsicht von einer Änderung der Ostasienst­rategie ab: Die Beziehunge­n zwischen Washington und dem immer mehr als regionale Führungsma­cht auftretend­en Peking befänden sich an einem „gefährlich­en Scheideweg“, schreibt eine Taskforce renommiert­er US-Sinologen in einem Bericht. Die Forscher raten der neuen Administra­tion nicht nur, an der langjährig­en „Ein-China-Politik“im Umgang mit Taiwan, das Peking als abtrünnige Insel betrachtet, festzuhalt­en. Trump solle zudem so schnell wie möglich direkte Gespräche mit Chinas Präsident Xi aufnehmen. Sollte Washington einen neuen Kurs in seiner Chinapolit­ik einschlage­n, destabilis­iere das nicht nur die sinoamerik­anischen Beziehunge­n, sondern die gesamte Region.

 ?? [ Imago/Xinhua ] ?? en Mal seit seinem Wahlsieg empfängt US-Präsident Donald Trump Japans Premier, Shinzo¯ Abe.
[ Imago/Xinhua ] en Mal seit seinem Wahlsieg empfängt US-Präsident Donald Trump Japans Premier, Shinzo¯ Abe.

Newspapers in German

Newspapers from Austria