Wie man einen Markt (vielleicht) erobert
Neuvorstellung. Kia will mit dem neuen Rio mehr im Kleinwagensegment ausrichten. Dort warten hohe Stückzahlen, aber auch dichte Reihen einer kampferprobten Konkurrenz.
Die Kleinwagen – genauer: die Subkompakten, wie sie in der Branche heißen – stellen das zweitgrößte Pkw-Segment in Europa. Im Vorjahr kam es auf ein Volumen von mehr als 3,2 Millionen Autos. Verlockend für Hersteller wie Kia, die ihrerseits ihr Volumen gern beträchtlich erhöhen würden. Dazu muss man zuerst aber zu den relevanten Playern aufsteigen, und genau das ist der schwierige Teil.
Vier unter den Top fünf
Denn angeführt wird das Segment von gut eingeführten Namen, von Veteranen, die teilweise – wie der VW Polo – seit über 40 Jahren auf dem Feld stehen. Unter den Top fünf der meistverkauften Pkw in Europa belegten im Vorjahr Renault Clio, VW Polo, Ford Fiesta und Opel Corsa die Plätze zwei bis fünf (in dieser Reihenfolge).
Zu dieser kampferprobten Riege und einigen anderen Modellen, die auf hinteren Plätzen rangieren, will Kia nun in den Ring steigen. Gemessen an den eigenen Verkäufen ist der Rio das zweitwichtigste Modell der Marke, nur in Europa hat das noch nicht den gewünschten Niederschlag gefunden. Dort erwarte einen „ein Hauen und ein Stechen“, wie es der Kia-Marketingchef ausdrückt – deshalb, um in der Diktion zu bleiben: Was kann der neue Rio in die Schlacht werfen?
Zunächst ein Design oder Styling, das sich nicht unbedingt nachhaltig in die Netzhaut einbrennt. Den Weg, mit Eigenart oder Extravaganz herauszuste- chen, beschreitet Kia definitiv nicht. Dass der knapp über vier Meter lange Viertürer möglichst allen gefallen soll, Jung wie Alt, Männern wie Frauen, schwächt ihn ein wenig an der Charakterfront, aber richtige Herzenskäufe sind in dieser Klasse nicht die Regel.
Mehr zählen pragmatische Aspekte, etwa Platz und Preis. Beim Raumgefühl im Inneren wie auch beim Kofferraumvolumen (325 Liter) entspricht der Rio dem Klassenstandard oder liegt leicht darüber – ebenso wie sein aufgewecktes, sich erwachsen anfühlendes Handling, nicht zuletzt dank einer sehr steifen Karosserie.
Auch die Motoren kann man sich gefallen lassen – bescheiden, aber ausreichend der 84 PS starke Saugbenziner, richtiggehend spaßig der Einliter-Turbobenziner mit 100 und sogar 120 PS. Das Gestühl ist gefühlt von der billigeren Sorte, auch bei der Anmutung des Cockpits sollten die Ansprüche nicht allzu hoch liegen. Eine weitere Eigenheit des Segments sind die geringen Margen – respektabel, dass Kia dennoch viel Ausstattung unterbringt. Den ausgerufenen autonomen Notbremsassistenten mit Fußgängererkennung gibt es serienmäßig jedoch nur in höchster Ausstattungsstufe (17.690 Euro). Die preisbewusste Klientel wird es eher zum Paket um 13.890 Euro ziehen, in dem aber alles Notwendige und sogar etwas mehr (Lenkradheizung!) enthalten ist. Das Basisangebot dient eher der Zier. Die Notbremsfunktion um 800 Euro kann man ja zum Gegenstand von Verhandlungen machen. (tiv)