Die Presse

Trump-Ruck für Europa

Die deutsche Verteidigu­ngsministe­rin, Ursula von der Leyen, beschwor bei der Münchner Sicherheit­skonferenz das transatlan­tische Nato-Band – und kündigte ambitionie­rte Schritte der EU an.

- VON CHRISTIAN ULTSCH

München. Donald Trump schüttelt die Welt durcheinan­der. Unter dem neuen unorthodox­en US-Präsidente­n scheint gar nichts mehr gewiss, nicht einmal die transatlan­tischen Beziehunge­n. Wie tief die Verunsiche­rung in Europa ist, war am Freitag förmlich zu greifen beim Auftakt der Münchner Sicherheit­skonferenz. „Will Amerika noch als europäisch­e Macht gesehen werden?“, fragte Gastgeber Wolfgang Ischinger in seiner Eröffnungs­erklärung.

Seit Trump die Nato als obsolet bezeichnet hat, sind die europäisch­en Verbündete­n in heller Aufregung. Allein, das wissen sie, können sie den Kontinent nicht verteidige­n. Und so sprechen sie sich Mut zu, geloben Besserung und versuchen, die neue amerikanis­che Führung zu besänftige­n. Ursula von der Leyen, die deutsche Verteidigu­ngsministe­rin, trat im Bayerische­n Hof in einer Doppelroll­e auf: als reumütige Musterschü­lerin der transatlan­tischen Allianz und zugleich als Lehrmeiste­rin. Aus deutscher Sicht sei es ein Reflex gewesen, sich auf die Tatkraft der amerikanis­chen Freunde zu verlassen und sich wegzuducke­n, wenn es eng wird. „Das wird nicht mehr reichen. Auch wir müssen unseren Teil der Last tragen“, versprach die CDUPolitik­erin.

Jahrelang ignorierte­n die Europäer die gebetsmühl­enartige Aufforderu­ng der Amerikaner, mehr für ihre Verteidigu­ng auszugeben. Doch spätestens seit Trump das Megafon eingeschal­tet und den Appell mit deutlichen Drohungen gewürzt hat, scheint die Botschaft angekommen zu sein. Die Zeit des Trittbrett­fahrens ist vorbei. Von der Leyen bekannte sich in München unmissvers­tändlich dazu, die Militäraus­gaben bis zum Jahr 2024 auf zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s anzuheben. Dazu hatten sich die 28 Mitglieder der Nato schon 2014 feierlich bei ihrem Gipfel in Wales verpflicht­et. Allein: Es fehlte der Glaube in Washington. Denn derzeit erreichen außer den USA lediglich Griechenla­nd, Estland und Großbritan­nien die Zwei-Prozent-Marke. Die deutschen Ausgaben liegen trotz aller feierliche­n Schwüre im Moment gerade einmal bei 1,2 Prozent des BIPs.

Pentagon-Chef Mattis beruhigt

James Mattis, der neue US-Verteidigu­ngsministe­r, gab in München den wohlwollen­den und verlässlic­hen Verbündete­n. Der ExNato-General auf Beruhigung­smission in Europa: In seiner Rede vor den fast 30 Staatsund Regierungs­chefs, den 75 Außen- und Verteidigu­ngsministe­rn, die sich im dicht gedrängten Auditorium versammelt hatten, beschwor er das „starke transatlan­tische Band“, das „granitene Fundament der Beistandsp­flicht“. Die Sicherheit der USA sei dauerhaft an die europäisch­e Sicherheit geknüpft, las der Pentagon-Chef vom Blatt. Was früher als gähnend langweilig­e Selbstvers­tändlichke­it, als Stehsatz galt beim alljährlic­hen Hochamt der Transatlan­tiker, nahmen die Teilnehmer heuer spürbar erleichter­t auf. Doch Mattis drängte die Nato-Partner auch zu einem strengen Zeitplan für die Erhöhung der Militäraus­gaben. Die Rute soll im Fenster bleiben. Trump unterstütz­e die Allianz, doch sie müsse sich an die Erforderni­sse der Gegenwart anpassen, erklärte Mattis.

Nicht alle spuren so ganz. Vor Beginn der Sicherheit­skonferenz hat EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker empfohlen, sich nicht ins Bockshorn jagen zu lassen. Doch auch der Luxemburge­r kam nicht umhin, auf fairere Lastenvert­eilung zu pochen.

Von der Leyen ging bei der Sicherheit­skonferenz noch weiter. Es sei nun genau der richtige Moment für die EU, ambitionie­rte sicherheit­spolitisch­e Schritte zu setzen, sagte sie. Schweißt Trump die Europäer näher zusammen in der Außen- und Verteidigu­ngspolitik? Ist er unfreiwill­iger Katalysato­r für eine verstärkte sicherheit­spolitisch­e Integratio­n der EU? Diese strategisc­he Richtung will die Bundesregi­erung in Berlin jedenfalls einschlage­n und dabei vorangehen. „Wir Deutschen wollen die Herausford­erung anneh- men als Europäer und als Transatlan­tiker – als ein Land, das ein Vierteljah­rhundert nach dem Fall der Mauer erwachsen geworden ist“, sagte sie.

Für die amerikanis­chen Gäste hatte sie noch ein paar verschlüss­elte Mahnungen parat. Die Nato sei eine Wertegemei­nschaft, die niemals Raum für Folter lasse, fühlte sich die deutsche Verteidigu­ngsministe­rin bemüßigt zu sagen. Eine Annäherung an Russland dürfe nicht über die Köpfe der Partner hinweg erfolgen, der Kampf gegen den IS dürfe nie pauschal gegen den Islam gerichtet sein, dozierte von der Leyen. James Mattis ging darauf nicht ein.

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[ Reuters ] Woran liegt die Welt mit Donald Trump? Bei der Münchner Sicherheit­skonferenz erhoffen sich die Teilnehmer Antworten von Vizepräsid­ent Mike Pence und Verteidigu­ngsministe­r James Mattis.

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