Trump-Ruck für Europa
Die deutsche Verteidigungsministerin, Ursula von der Leyen, beschwor bei der Münchner Sicherheitskonferenz das transatlantische Nato-Band – und kündigte ambitionierte Schritte der EU an.
München. Donald Trump schüttelt die Welt durcheinander. Unter dem neuen unorthodoxen US-Präsidenten scheint gar nichts mehr gewiss, nicht einmal die transatlantischen Beziehungen. Wie tief die Verunsicherung in Europa ist, war am Freitag förmlich zu greifen beim Auftakt der Münchner Sicherheitskonferenz. „Will Amerika noch als europäische Macht gesehen werden?“, fragte Gastgeber Wolfgang Ischinger in seiner Eröffnungserklärung.
Seit Trump die Nato als obsolet bezeichnet hat, sind die europäischen Verbündeten in heller Aufregung. Allein, das wissen sie, können sie den Kontinent nicht verteidigen. Und so sprechen sie sich Mut zu, geloben Besserung und versuchen, die neue amerikanische Führung zu besänftigen. Ursula von der Leyen, die deutsche Verteidigungsministerin, trat im Bayerischen Hof in einer Doppelrolle auf: als reumütige Musterschülerin der transatlantischen Allianz und zugleich als Lehrmeisterin. Aus deutscher Sicht sei es ein Reflex gewesen, sich auf die Tatkraft der amerikanischen Freunde zu verlassen und sich wegzuducken, wenn es eng wird. „Das wird nicht mehr reichen. Auch wir müssen unseren Teil der Last tragen“, versprach die CDUPolitikerin.
Jahrelang ignorierten die Europäer die gebetsmühlenartige Aufforderung der Amerikaner, mehr für ihre Verteidigung auszugeben. Doch spätestens seit Trump das Megafon eingeschaltet und den Appell mit deutlichen Drohungen gewürzt hat, scheint die Botschaft angekommen zu sein. Die Zeit des Trittbrettfahrens ist vorbei. Von der Leyen bekannte sich in München unmissverständlich dazu, die Militärausgaben bis zum Jahr 2024 auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzuheben. Dazu hatten sich die 28 Mitglieder der Nato schon 2014 feierlich bei ihrem Gipfel in Wales verpflichtet. Allein: Es fehlte der Glaube in Washington. Denn derzeit erreichen außer den USA lediglich Griechenland, Estland und Großbritannien die Zwei-Prozent-Marke. Die deutschen Ausgaben liegen trotz aller feierlichen Schwüre im Moment gerade einmal bei 1,2 Prozent des BIPs.
Pentagon-Chef Mattis beruhigt
James Mattis, der neue US-Verteidigungsminister, gab in München den wohlwollenden und verlässlichen Verbündeten. Der ExNato-General auf Beruhigungsmission in Europa: In seiner Rede vor den fast 30 Staatsund Regierungschefs, den 75 Außen- und Verteidigungsministern, die sich im dicht gedrängten Auditorium versammelt hatten, beschwor er das „starke transatlantische Band“, das „granitene Fundament der Beistandspflicht“. Die Sicherheit der USA sei dauerhaft an die europäische Sicherheit geknüpft, las der Pentagon-Chef vom Blatt. Was früher als gähnend langweilige Selbstverständlichkeit, als Stehsatz galt beim alljährlichen Hochamt der Transatlantiker, nahmen die Teilnehmer heuer spürbar erleichtert auf. Doch Mattis drängte die Nato-Partner auch zu einem strengen Zeitplan für die Erhöhung der Militärausgaben. Die Rute soll im Fenster bleiben. Trump unterstütze die Allianz, doch sie müsse sich an die Erfordernisse der Gegenwart anpassen, erklärte Mattis.
Nicht alle spuren so ganz. Vor Beginn der Sicherheitskonferenz hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker empfohlen, sich nicht ins Bockshorn jagen zu lassen. Doch auch der Luxemburger kam nicht umhin, auf fairere Lastenverteilung zu pochen.
Von der Leyen ging bei der Sicherheitskonferenz noch weiter. Es sei nun genau der richtige Moment für die EU, ambitionierte sicherheitspolitische Schritte zu setzen, sagte sie. Schweißt Trump die Europäer näher zusammen in der Außen- und Verteidigungspolitik? Ist er unfreiwilliger Katalysator für eine verstärkte sicherheitspolitische Integration der EU? Diese strategische Richtung will die Bundesregierung in Berlin jedenfalls einschlagen und dabei vorangehen. „Wir Deutschen wollen die Herausforderung anneh- men als Europäer und als Transatlantiker – als ein Land, das ein Vierteljahrhundert nach dem Fall der Mauer erwachsen geworden ist“, sagte sie.
Für die amerikanischen Gäste hatte sie noch ein paar verschlüsselte Mahnungen parat. Die Nato sei eine Wertegemeinschaft, die niemals Raum für Folter lasse, fühlte sich die deutsche Verteidigungsministerin bemüßigt zu sagen. Eine Annäherung an Russland dürfe nicht über die Köpfe der Partner hinweg erfolgen, der Kampf gegen den IS dürfe nie pauschal gegen den Islam gerichtet sein, dozierte von der Leyen. James Mattis ging darauf nicht ein.