„Im Leben nicht alles links und rechts sehen“
SPÖ. Der steirische Parteichef und Vize-Landeshauptmann, Michael Schickhofer, über die strategischen Überlegungen in der SPÖ-Zentrale, die Trumps der ÖVP und seine Vorstellungen davon, wie er die Sozialdemokratie in Zukunft öffnen will.
Die Presse: Das Ziel der ÖVP war bei ihrer Programmreform, jünger, moderner und weiblicher zu werden. Was will die SPÖ? Michael Schickhofer: Wir waren immer eine fortschrittliche Partei. Jetzt geht es darum, alle fortschrittlichen Kräfte zu erreichen. Sie sollen Initiativen und Ideen einbringen, auch abseits des Parteibuchs.
Ihr Auftrag ist, die Partei „moderner, offener“zu gestalten. Aber wie? Wir wollen in jedem Bundesland Teams bilden, in denen Themen diskutiert und Initiativen umgesetzt werden. Wir wollen signalisieren: Geht mit uns ein Stück des Weges.
Ein Stück des Weges – als Gastmitglied? Genau. Die Pensionisten haben das schon gemacht: Sie schenken eine Mitgliedschaft. Man muss nicht sofort bezahlen und kann sich anschauen, ob man sich hier wohlfühlt.
Sind Mitgliedschaften noch zeitgemäß? Man begeistert Menschen über Themen und Projekte. So war es auch bei mir: Als 16-Jähriger habe ich mich bei einem Stadterneuerungsprozesses des Bürgermeisters engagiert. Erst vier Jahre später bin ich SPÖ-Mitglied geworden. Themen soll man bei uns auch ohne Parteibuch ansprechen können.
Das Ziel der Gastmitgliedschaft wird aber sein, Interessenten zu halten. Was will man ihnen als Vollmitgliedern dafür bieten? Gute Politik!
Aber gute Politik will man allgemein wählen. Dafür muss man nicht Mitglied sein. Klar, man kann die SPÖ auch wählen. Die alten Mechanismen, wo man bei einer Mitgliedschaft Job oder Wohnungen anbieten kann, sind vorbei. Wir wollen Themen und Inhalte nicht von oben herab einbringen. Initiative ist jetzt stark gefragt.
Aber reicht das? Will man Mitgliedern nicht auch am Papier mehr Rechte geben? Ja, ein Thema wird auch das Parteistatut sein. In der Steiermark gibt es Hearings für Mandatslisten. Es gibt mehrere Bewerber, eine Kommission wählt die besten aus.
Könnten auch Delegierte die Bewerber öffentlich wählen? Diese Hearing-Kommission hat sich bewährt. Es geht nicht um eine kurzfristige Mobilisierung, sondern dass man sich gut präsentiert. Grundsätzlich sind wir aber bei der Mitbestimmung offen.
Nach der Neuwahldebatte im Bund forderten Sie einen „steirischen Stil für Wien“ein. Gibt es den jetzt, Ihrer Meinung nach? Der steirische Stil schaut so aus: Beide Parteien präsentieren Neuerungen gemeinsam. Der Regierungspakt war ein positiver Schritt. Wir in der Steiermark tragen es auch in den eigenen Parteien durch. Hier kämpft Vizekanzler Mitterlehner intern.
Kanzler Kern hat offensichtlich auch Probleme: SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler nannte kürzlich RotGrün-Neos als Ziel. Spekulationen über Koalitionen sind nicht zielführend. Jetzt ist es wichtig, im Kriterienkatalog festzuhalten: Was will die SPÖ?
Die Aussage war also ein Fehler? Ich kann nur sagen: Wir werden nach der Wahl bewerten, wie sich Parteien auf uns zubewegen. In der ÖVP gibt es ja auch unterschiedliche Kräfte: Mit Arbeitnehmervertreter wie Hermann Schützenhöfer (Steirischer Landeshauptmann, Anm.) ist es anders, als wenn jemand Trumpsche Politik verfolgt.
Wer ist denn der Donald Trump der ÖVP? So weit wie Trump geht wahrscheinlich keiner, aber im republikanischen Team würde ich Lopatka, Sobotka, Kurz sehen (Klubchef, Innen- und Außenminister, Anm.)
Ist es klug, wenn Niedermühlbichler Medien in die Zentrale einlädt, um die Partei-Strategie zu verraten? Das ist keine sozialdemokratische Strategie, sondern Überlegung von einzelnen Gruppen. Wir wollen durch eine Parteiöffnung so stark werden, dass es mehrere Koalitionsmöglichkeiten gibt. Der Hintergrund von Niedermühlbichlers Aussage wird gewesen sein, dass es keine automatische Mehrheit von Schwarz und Blau gibt.
Die SPÖ will Kanzler Kern auch ein Stück weiter rechts positionieren. Ist das auch eine Maßnahme zur Parteiöffnung? Kanzler Kern hat sich vom ersten Tag nach seinen Überzeugungen positioniert. Die Si- ist seit Juni 2015 steirischer VizeLandeshauptmann und seit Jänner 2016 SPÖ-Chef. Außerdem leitet er eine interne Arbeitsgruppe, die sich mit der Öffnung der Partei befasst. cherheit der Österreicher hatte vom ersten Tag an absolute Priorität. Man kann im Leben nicht alles links und rechts sehen und über einen Kamm scheren.
Aber die Äußerung kam nicht von irgendwoher, sondern von der SPÖ-Zentrale. Wenn man so will, ist Christian Kern schon in der Mitte positioniert. Arbeitnehmerrechte sind ihm wichtig – der internationale Standortwettbewerb aber auch. Wie man das einordnet, obliegt aber den Politikwissenschaftlern.
In Graz verpasste die SPÖ den Einzug in die Stadtregierung, am Land verliert man an die Freiheitlichen. Was ist mit der steirischen Sozialdemokratie passiert? Es gibt verschiedene Gründe auf verschiedenen Ebenen. In Graz hat Michael Ehmann unter anderem vor wenigen Monaten die SPÖ übernommen. Bei der Land- tagswahl hat die Flüchtlingskrise begonnen, SPÖ und ÖVP sind da unter Druck gekommen.
Hat es die SPÖ verabsäumt, das Thema früher anzusprechen? Verteidigungsminister Doskozil macht das sehr konsequent. Christian Kern knüpft stärker an die Kreisky-Tradition an als an jene von Werner Faymann. Die Linie hat sich geöffnet, in der Außen- und Sicherheitspolitik.
Also hat man es verabsäumt? Seitdem Kern da ist, fokussieren wir uns voll darauf.
Ist es nicht zu einfach, es auf Faymann zu schieben? In der Analyse der Vergangenheit sind andere sicher besser. Mir geht es um die Zukunft.