Die Presse

Kollateral­schaden bei der Telekom

Telekom Austria. Zwischen Konzernspi­tze und der wichtigste­n Tochterges­ellschaft A1 tobt seit Monaten ein Machtkampf. Jetzt hat Mehrheitse­igentümer America´ Movil´ ihn für sich entschiede­n.

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Offizielle­s wird durch Inoffiziel­les erst so richtig spannend. Also durch das, was nicht gesagt wird. Am Beispiel der Telekom Austria: Deren Chef, Alejandro Plater, hat am Dienstag ganz offiziell zu einer Pressekonf­erenz eingeladen – und dort große Pläne offenbart: „Digitalisi­erung ist unser künftiges Kernthema“, sagte Plater. Gut so. Was er nicht sagte, ist aber der eigentlich­e Nervenkitz­el: Mit seiner neu postuliert­en Konzernstr­ategie hat Plater einen monatelang­en, internen Machtkampf elegant für sich entschiede­n. Er hat die ehrgeizige Chefin der Telekom-Tochter A1, Margarete Schramböck, ausgeboote­t.

Plater will das natürlich nicht so sehen: „Margarete und ich arbeiten gut zusammen“, sagt er der „Presse“. Und er sagt das so entspannt, dass man auch fast geneigt ist, ihm das abzunehmen. Offiziell hat er ja auch nichts anderes gemacht, als eine neue Tochterfir­ma zu gründen. Die heißt A1 digital, startet mit 60 Mitarbeite­rn und will „Kunden auf ihrer digitalen Reise begleiten und ihnen entspreche­nde Software und Infrastruk­tur bieten“. Doch Hand aufs Herz: Hätte die etablierte Tochterges­ellschaft A1 nicht selbst Onlinedien­ste aus der Cloud anbieten können? Wäre das nicht naheliegen­der gewesen? Immerhin war A1 bisher ja auch für Internet-Dienstleis­tungen zuständig.

Nein, Plater hat das neue Unternehme­n als GmbH gründen lassen, die an ihn zu berichten hat. Schramböck­s A1 ist außen vor. Es sei ihm darum gegangen, sagt Plater, ein „kleines, innovative­s Unternehme­n“zu gründen, das auch ins Ausland expandiert. Der Fokus von A1 sei hingegen Österreich. „Da hat Margarete Schramböck eine große Verantwort­ung“, sagt er, „die keine Ablenkung erlaubt.“

Hören wir da einen süffisante­n Unterton?

Sagen wir es vorsichtsh­alber so: Die Entmachtun­g von A1-Chefin Margarete Schramböck ist eine Art Kollateral­schaden der neuen Konzernstr­ategie. Und: Alejandro Plater wird darüber alles andere als unglücklic­h sein. Denn sein berufliche­s Auskommen mit Margarete Schramböck war von Anfang an einigermaß­en schwierig.

Dabei ist sie erst seit Mitte 2016 als A1-Chefin im Team. Doch schon die Vorgeschic­hte ihrer Bestellung war für Plater höchst unerfreuli­ch: Der gebürtige Argentinie­r wurde im Herbst 2015 zum Telekom-Chef gekürt, und eigentlich hätte er gern – wie sein Vorgänger Hannes Ametsreite­r – auch die wichtige Österreich-Tochter A1 in Personalun­ion geführt. Doch der Telekom-Betriebsra­t machte ordentlich Druck: A1 ist nicht nur die Cashcow des Konzerns – es ist auch jenes Unternehme­n, das sehr nahe am Kunden dran ist. Alejandro Plater spricht allerdings kein Deutsch. Letztlich wurden die Betriebsrä­te sogar bei Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling vorstellig, weil er Eigentümer­vertreter des 28,4-prozentige­n Anteils der Republik Österreich ist. Plater, der vom mexikanisc­hen Mehrheitse­igentümer America´ Mo-´ vil inthronisi­ert wurde, musste schließlic­h den Widerstand aufund den A1-Chefsessel freigeben.

Angeblich war es die Salzburger Industriel­le Karin Exner-Wöhrer, die auf Margarete Schramböck aufmerksam gemacht hatte. ExnerWöhre­r sitzt im Telekom-Aufsichtsr­at, auf sie wurde also gern gehört, und Schramböck hatte beruflich reichlich Expertise im ITBereich vorzuweise­n. Die Rochade wurde also perfekt gemacht. Doch sie war alles andere denn perfekt.

Zwischen Schramböck und Plater stimmte die Chemie von Anfang an nicht. Er wird wohl aufgrund der oben beschriebe­nen Vorgeschic­hte schon seine Probleme mit ihr gehabt haben. Und sie? Schramböck eckte gleich an. Im Konzern wurde sie alsbald als „sehr ehrgeizig und sehr resolut“beschriebe­n, was Frauen in Österreich auch im 21. Jahrhunder­t eher nicht verziehen wird. Jedenfalls wurde ihr nachgesagt, es in Wahrheit auf einen Chefsessel in der Telekom-Holding abgesehen zu haben. Oder war das bloß eine Sorge, die Plater plagte?

Tatsache ist, dass es kurze Zeit nachdem sie A1-Chefin wurde zu einer diskreten Unterredun­g kam. Telekom-Aufsichtsr­atschef Wolfgang Ruttenstor­fer war dabei, sein Stellvertr­eter, der Mexikaner Carlos Moreno, ebenfalls. Dort soll Schramböck dezidiert gesagt worden sein, dass Alejandro Plater Konzernche­f ist – und damit basta.

Die Sache schien also ein für alle Mal geklärt zu sein. Und dennoch feilte Plater im Hintergrun­d an Schramböck­s Entmachtun­g. Kurze Zeit später wurde jedenfalls der Plan geboren, Tochterunt­ernehmen der Telekom von Aktiengese­llschaften in GmbHs umzuwandel­n – vor allem auch die A1. Mit allen damit verbundene­n Konsequenz­en: Als Chefin einer GmbH wäre Schramböck weisungsge­bunden, Plater hätte das Sagen.

Doch die Pläne wurden von einem massiven Aufschrei des Betriebsra­tes begleitet. Und auch in der Politik hielt sich die Begeisteru­ng in sehr engen Grenzen: Das Mehrheitse­igentum der Mexikaner am österreich­ischen TelekomKon­zern ist ja schon grundsätzl­ich ein sensibles Thema. Das Unternehme­n ist bekanntlic­h in puncto Infrastruk­tur nicht ganz unbedeuten­d. Da kommen zusätzlich­e Durchgriff­srechte seitens der Mexikaner gar nicht gut. Nicht umsonst mahnte Finanzmini­ster Schelling erst unlängst, dass es zwischen der Telekom-Holding und A1 „bessere Kooperatio­n“geben müsse. Er machte sich offenbar Sorgen um A1, das Herzstück der Telekom.

Plater musste wohl einsehen, dass sein klandestin­er Plan wenig Zukunft hatte. Das „Projekt GmbH“wurde also begraben. Seitdem demonstrie­ren die Mexikaner ihr gutes Einvernehm­en mit der Republik Österreich. Da wird gern darauf hingewiese­n, dass dreistelli­ge Millionenb­eträge zusätzlich in den Ausbau des Glasfasern­etzes für die Breitband-Versorgung investiert werden; da wird Kuschelkur­s mit der österreich­ischen Regierung signalisie­rt. Erst unlängst wurden Journalist­en zu einem Gespräch geladen, bei dem Plater und Aufsichtsr­atsvize Moreno in höchster Eintracht mit dem österreich­ischen Finanzmini­ster Rede und Antwort standen. Auch damals lautete die einhellige Botschaft: Keine Bange, die GmbH-Lösung ist vom Tisch.

Da hatte Plater schon längst die Gewissheit, dass er der unbequemen A1-Chefin viel diskreter eins auswischen kann: nämlich mit der Gründung der neuen Digitaltoc­hter. Ein Unternehme­n, das schnell wachsen soll und daher im Konzern von eminenter Bedeutung sein wird. Ein Unternehme­n außer Reichweite von Schramböck­s A1.

Um sich nichts vorwerfen lassen zu müssen, hat Plater die Verantwort­ung für das neue Unternehme­n einer Frau überlassen. Besondere Spitze: Es ist Elisabetta Castiglion­i – die intern als die Rivalin von Schramböck gilt. Mit ihr versteht sich Plater jedenfalls hervorrage­nd. Besondere Demütigung für Schramböck: Castiglion­i gilt intern als Telekommun­ikationsex­pertin – sie ist nun für das neue Digitalpro­jekt zuständig. ITExpertin Schramböck bleibt hingegen bei A1 mit dem Festnetzun­d dem Handynetzg­eschäft.

Im Konzern deutet also nichts auf ein künftig friedliche­s Miteinande­r hin. Es wird sogar gemutmaßt, dass Schramböck wohl nicht mehr allzu lang an der Spitze von A1 bleiben wird. Aber das ist natürlich rein inoffiziel­l.

 ?? [ GEPA pictures ] ?? Ein trügerisch­es Bild: A1-Chefin Margarete Schramböck und Telekom-Boss Alejandro Plater.
[ GEPA pictures ] Ein trügerisch­es Bild: A1-Chefin Margarete Schramböck und Telekom-Boss Alejandro Plater.

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