„Bei null Prozent Zinsen kann man sich Fehler eher leisten“
Interview. Angesichts steigender Zinsen müssen Konzernmanager künftig vorsichtiger agieren, meint AJO-Fondsmanagerin Gina Moore. Sie sieht Value-Aktien im Aufwind, weil auch viele Investoren künftig wieder mehr auf den wahren Unternehmenswert achten werde
Die Presse: Frau Moore, Sie managen den UBAM AJO US Equity Value, bei dem die aktuelle Ertragskraft eines Unternehmens eine große Rolle spielt. Engen Sie Ihr Universum nicht sehr ein? Gina Moore: Grundsätzlich wollen wir mit unserem Value-Ansatz möglichst Aktien meiden, bei denen die Kurse stark von künftigen Ertragserwartungen angetrieben werden, wie es bei Wachstumsaktien der Fall ist. Seit Ausbruch der Finanzkrise ist allerdings die Performance der Value-Aktien jener der Growth-Titel hinterhergehinkt. Aufgrund der schwachen globalen Konjunktur taten sich viele Konzerne schwer, ein vernünftiges Wachstum darzustellen. Verständlich, dass Anleger sich deshalb auf Unternehmen konzentrierten, die auch in konjunkturell schwierigen Zeiten wachsen können. Auch die tiefen Zinsen hatten großen Einfluss, damit wurden zunehmend jene Aktien gekauft, bei denen hohe Dividendenrenditen winkten. Gerade letzteres Argument scheint seit dem Herbst 2016 wegzufallen, da die Anleiherenditen seither ein wenig angezogen haben. Damit offenbarten sich auch die teilweise sehr teuren Bewertungsniveaus, die zahlreiche Wachstumsaktien erreicht hatten. Viele Anleger hatten sich das Geschäftsmodell erst gar nicht näher angesehen, sondern langten einfach zu. Allmählich sehen wir aber eine Umschichtung von Wachstumsaktien in jene aus dem Value-Segment.
Quasi die letzte Boomphase einer Börsenhausse vor dem nächsten Crash? Selbst wenn es zu einer Korrektur käme, womit wir in nächster Zeit aber nicht rechnen, halten sich Value-Aktien erfahrungsgemäß besser. Dazu braucht man sich nur den Crash von 2001 nach dem Platzen der Hightech-Blase anzuschauen. Da waren es die klassischen Wachstumsaktien, die besonders bitter abgestürzt sind. Warum sollten aber gerade jetzt Value-Aktien in den Vordergrund rücken? Die Konjunkturaussichten verbessern sich. Damit verlieren viele Wachstumsunternehmen ihr bisheriges Alleinstellungsmerkmal bei Investoren. Nun stehen wieder gesunde Unternehmensbewertungen – somit Value – verstärkt im Mittelpunkt. Zudem steigen die Zinsen allmählich an, zumindest in den USA. Damit wird wieder genauer geschaut, wie das Management die Cash-Positionen einsetzt. Denn bei null Prozent Zinsen kann man sich Fehlentscheidungen eher leisten, da das eingesetzte Geld nichts kostet. Wenn die Finanzierungskosten steigen, wird man Entscheidungen überlegter treffen. Auch Unternehmen, die den Gewinn pro Aktie künstlich steigerten, etwa anhand kreditfinanzierter Aktienrückkäufe, könnten nun unter Druck geraten.
Ab welchem Zinsniveau würden selbst Sie als Value-Investorin nervös werden? Im Jahr 2007, vor Ausbruch der Finanzkrise, lag der Zinssatz für kurzfristige Geldeinlagen bei fünf Prozent. Wir haben also einen langen Weg der Normalisierung vor uns, bevor die Zinsanhebungen einen negativen Einfluss auf das Wirtschaftswachstum haben werden.
Manche Investoren befürchten schon jetzt die Auswirkungen von Trumps geplanten Handelsbarrieren, die vor allem große US-Konzerne treffen könnten. Einige Konzerne ziehen sich bereits aus dem Ausland zurück. Derartige Entscheidungen, wie sie jüngst zwei große US-Automobilkonzerne trafen, erfordern eine lange Vorlaufzeit und werden nicht binnen Tagen nach Amtsantritt eines neuen Präsidenten getroffen. Allerdings hat Trump diese Entscheidungen medial geschickt für sich genutzt und stellt sie gern als seinen Erfolg dar.
Ein guter Teil Ihres Fonds entfällt auf die Finanzbranche, die von steigenden Zinsen profitiert. Was gefällt Ihnen sonst noch gut? Auch die Software- und IT-Branche ist im Fonds derzeit gut vertreten, etwa mit Microsoft, eBay und Verisign. Sie weisen eine gute Profitabilität auf, die Aktien sind vernünftig bewertet. Allerdings könnte der geplante Einwanderungsstopp Spuren hinterlassen, viele Programmierer sind Migranten. Nicht ohne Grund wehrt sich Silicon Valley vehement dagegen. Zunächst muss man aber die weiteren Schritte der Regierung abwarten.