Sieht echt aus, fühlt sich echt an und atmet
Neonatologie. Das Wiener Start-up SIMCharacters entwickelte Paul: einen Patientensimulator, der wie ein echtes Frühchen wirkt. Die hochrealistische Puppe kann das Training in der Frühgeborenenmedizin verbessern.
Paul ist 1000 Gramm schwer und 35 cm lang. Er ist ein Frühchen, geboren in der 27. Schwangerschaftswoche. Sein kleiner Bauch hebt und senkt sich schnell im Rhythmus seines Atems, er quäkt leise. Doch unter seiner rosigen Haut aus Silikon fließt kein Blut, in seinem Inneren arbeitet hochkomplexe Elektronik. Paul ist ein Patientensimulator. Die Eltern des kleinen Paul sind das Team um den Neonatologen Jens Schwindt.
Im Wiener AKH ermöglichte er jeden Tag frühgeborenen Kindern ihren Start ins Leben. Eines von zehn Kindern wird zu früh geboren und ist noch nicht bereit für das Leben außerhalb des Mutterleibs. In den ersten Minuten ist es auf die raschen und richtigen Handgriffe des Teams, das es auf dieser Welt empfängt, angewiesen. Um diese zu trainieren, wurden schon länger Simulatoren verwendet, die den Körper eines Neugeborenen so realistisch wie möglich nachbilden. Für Schwindt waren sie nicht rea- listisch genug. Ihm war es wichtig, dass vor allem junge Kollegen die notwendigen Handgriffe beherrschen, noch bevor sie ein lebendes Kind behandeln. Daher gründete er vor fünf Jahren, unterstützt von der Austria Wirtschaftsservice AWS, das Unternehmen SIMCharacters.
Klingt wie ein Neugeborenes
Sein Patientensimulator Paul sollte alle bisher verwendeten Simulationspuppen an technischer Raffinesse übertreffen: Er fühlt sich an und klingt wie ein echtes Neuge- kommt in Österreich zu früh zur Welt. Besonders die noch unreife Lungenfunktion macht bei frühgeborenen Kindern mitunter Probleme.
dauert eine Schwangerschaft normalerweise. Wird das Kind vor der vollendeten 37. Woche geboren, spricht man von einer Frühgeburt. Simulator Paul bildet ein in der 27. Schwangerschaftswoche geborenes Frühchen nach. borenes, hat eine Nabelschnur mit fühlbarem Puls, und seine Haut läuft bei Sauerstoffmangel blau an. Probleme mit der Atmung – die häufigsten Notfälle in der Neonatologie – können per Computer gesteuert und realitätsgetreu simuliert werden. Anatomisch korrekte Atemwege ermöglichen eine realistische Intubation, Herztöne und Atemgeräusche können wie bei einem echten Neugeborenen abgehört werden. Ein komplexes Zusammenspiel von Sensorik und Elektronik gibt Feedback.
Nicht nur für das Erlernen der richtigen Technik ist es wichtig, dass Paul auf den ersten Blick nicht von einem lebendigen Kind zu unterscheiden ist. Er soll vor allem auch die entsprechende Emotion ins Trockentraining einbringen.
„Neonatologische Notfälle bedeuten immer starken Stress für das behandelnde Team. Deswegen ist es so wichtig, dass ein Simulator so realistisch ist, dass man im Training auch emotional in die Situation eintaucht“, betont Michael Hoffmann, der die Gründung und Entwicklung von SIMCharacters begleitet hat.
Während Simulation in der Luftfahrt schon lange gang und gäbe ist, erfährt die Medizin erst in letzter Zeit eine rasante Entwicklung in dem Bereich. Gerade bei Neugeborenen ist das Training an Simulatoren essenziell. Die Kleinen sind noch nicht in der Lage, sich mitzuteilen, wenn etwas nicht stimmt, und im Ernstfall muss alles sehr schnell gehen.
Geschwister sollen folgen
In Österreich gibt es etwa zehn bis fünfzehn neonatologische Zentren, die von Paul profitieren könnten. SIMCharacters bietet Paul deshalb vor allem international an, bald werden auch in den USA neonatologische Teams an dem kleinen Patienten trainieren. „Die Nachfrage ist erfreulich groß“, berichtet Michael Hoffmann. „Paul ist immerhin eine wegweisende Innovation in der Welt der Simulatoren.“Weitere Geschwister von Paul werden deshalb nicht allzu lange auf sich warten lassen.