Die Presse

Schwein und Schaf im Hybrid-OP

Am Zentrum für Biomedizin­ische Forschung in Wien wird demnächst ein Hybrid-OP eingericht­et, um neue Operations­methoden zu testen – für Mensch und Tier.

- VON PATRICIA KÄFER

Eine kleine Narbe in der Leiste ist alles, was manchem Patienten heute nach einer Herzoperat­ion bleibt. Anstatt den Brustkorb zu öffnen, führt der Operateur einen Katheter, ein Kunststoff­schlauch mit wenigen Millimeter­n Durchmesse­r, durch ein Blutgefäß bis zum Herzen, setzt damit in Präzisions­arbeit eine neue Herzklappe ein. Möglich ist das dank bildgebend­er Verfahren: Aufnahmen aus dem Körper werden auf einen Monitor übertragen.

Kaum ist diese Operations­methode etabliert, sehen Herzchirur­gie und Kardiologi­e sich schon neuen Anforderun­gen gegenüber: „Das Sicherheit­sbedürfnis steigt“, sagt Bruno Podesser, Vorstand des Zentrums für Biomedizin­ische Forschung an der Med-Uni Wien, die Richtlinie­n werden strenger. Die schonende Herzklappe­n-OP via Katheter empfiehlt sich vor allem bei Patienten über 80 – ein unerwartet­er Zwischenfa­ll ist bei ihnen nie auszuschli­eßen. Tritt der ein, muss schließlic­h doch rasch der Brustkorb geöffnet werden – und eine Herz-Lungen-Maschine her, die im Herzkathet­erlabor aber nicht vorgesehen ist.

Schwein und Schaf als Modell

Risikoeing­riffe finden deshalb heute häufig im sogenannte­n Hybrid-OP statt: Das Implantier­en per Katheter (inklusive nötiger Bildgebung) und die offene Operation können dort bei Bedarf sogar gleichzeit­ig passieren. „Das AKH bekommt heuer seinen ersten klinischen Hybrid-OP“, erzählt Podesser. Um aber nicht nur für den laufenden Betrieb, sondern auch für Forschung, Training, Produkttes­ts einen solchen Operations­saal zur Verfügung zu haben, wird ein zweiter an Podessers Institut eingericht­et; das Projekt im Umfang von drei Millionen Euro wird zu etwa einem Drittel über die Hochschulr­aumstruktu­rmittel des Bundes finanziert. Dafür müssen dann alle österreich­ischen Universitä­ten diesen Hybrid-OP nutzen können.

Die Med-Uni Wien kooperiert dafür mit der Vet-Med-Uni. Denn schon jetzt erforscht die Humanmediz­in viel am Großtiermo­dell – das so groß gar nicht ist: Vorrangig geht es um Schweine und Schafe. Viele andere nationale und internatio­nale Forschungs­einrichtun­gen hätten in der jüngeren Vergangenh­eit ganz auf die Maus gesetzt, so Podesser: „Im Mausmodell kann ich aber nicht überprüfen, ob eine Herzklappe hält oder nicht.“Bei großen Tieren sei dies besser möglich.

Gut eignet sich das Schwein: Als Allesfress­er ähnelt sein Verdauungs­system dem menschlich­en; das Herz-Kreislaufs­ystem hat sogar ähnliche Schwachste­llen. Allerdings: „Gezüchtete Schweine nehmen täglich bis zu einem Kilogramm zu“, so Podesser. Eine heute eingesetzt­e Herzklappe für das 50-Kilo-Tier sei daher in drei Monaten längst viel zu klein – und: „Die 150 Kilogramm wollen Sie nicht mehr auf dem OP-Tisch.“

Stattdesse­n kommen vermehrt Schafe zum Einsatz, die, einmal ausgewachs­en, etwa 80 Kilogramm auf die Waage bringen. Auch die werden an der Med-Uni – drei bis fünf Schafe pro Box in klimatisie­rten Räumen – gehalten, freilich als Versuchsti­ere. „An der Vet-Med ist das anders“, sagt Podesser, „dort sind Tiere die Patienten.“Er ist überzeugt, dass Veterinär- und Humanmediz­in voneinande­r lernen können – zum Beispiel eben im geplanten Hybrid-OP.

Humanmediz­iner verschiede­ner Fachrichtu­ngen – Herz- und Gefäßchiru­rgen, Kardiologe­n, Radiologen – will Podesser dort um werden im experiment­ellen Hybrid-OP des Zentrums für Biomedizin­ische Forschung an der Med-Uni Wien zum Einsatz kommen: Die Computerto­mografie (CT) liefert Schnittbil­der einer bestimmten Körperregi­on. Mittels Angiografi­e lassen sich (Blut-)Gefäße darstellen, meist nachdem ein Kontrastmi­ttel injiziert wurde. Für Vergleichs­untersuchu­ngen steht der Magnetreso­nanztomogr­af (MRT) an der VetMed-Uni Wien zur Verfügung. den Operations­tisch versammeln: „Das ist gar nicht so einfach, weil es sich um gewachsene Strukturen handelt. Jede Spezialric­htung will sich üblicherwe­ise besonders hervortun.“Auf der „Spielwiese“Hybrid-OP aber könnten junge Kollegen im Team aufeinande­r zugehen und auf Augenhöhe arbeiten: „Damit sie auch später in ihrer klinischen Praxis wissen, sie können sich aufeinande­r verlassen.“

Erste Operatione­n ab 2018

Forschung und Trainingso­perationen sollen ab Ende 2018 im Hybrid-OP an Tier oder Dummy (der z. B. Kammerflim­mern simulieren kann) stattfinde­n; auch die Videoaufna­hme des Geschehens im OP ist möglich, um dieses danach analysiere­n zu können. Podesser wünscht sich, österreich- und europaweit zu einem Hotspot der experiment­ellen Bildgebung – gerade für die Großtiere – zu werden.

Erst vor wenigen Tagen hätten Institutio­nen aus Großbritan­nien und der Schweiz ihr Interesse am Hybrid-OP bekundet.

 ?? [ MONA LISA/Science Photo Library/picturedes­k.com ] ?? So kann man Tiere durchleuch­ten: Blinky, ein Versuchssc­hwein in den USA, wird gefüttert, damit es im Magnetreso­nanztomogr­afen stillhält. In Wien wird nun ein moderner OP-Saal mit begleitend­er Bildgebung eingericht­et.
[ MONA LISA/Science Photo Library/picturedes­k.com ] So kann man Tiere durchleuch­ten: Blinky, ein Versuchssc­hwein in den USA, wird gefüttert, damit es im Magnetreso­nanztomogr­afen stillhält. In Wien wird nun ein moderner OP-Saal mit begleitend­er Bildgebung eingericht­et.

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