Bauwerke mit geprüfter Qualität
Nachhaltigkeit. Ökozertifizierungen bescheren Gewerbeimmobilien deutliche Marktvorteile. Die einzelnen Systeme unterscheiden sich in der Gewichtung bei der Umsetzung der entsprechenden Maßnahmen.
Was Anfang dieses Jahrzehnts noch ungewöhnlich war, ist es heute bei (fast) jedem neu errichteten größeren Bürobau selbstverständlich: Silber, Gold oder Platin in Form einer Zertifizierung. „Eine solche Auszeichnung ist in den letzten Jahren mehr oder weniger zu einem Must geworden“, erläutert Georg Fichtinger, Senior Director und Head of Investment Properties beim Immobilienspezialisten CBRE. Der konkrete Mehrwert der Zertifizierung sei schwer in Prozenten zu quantifizieren, meint er, „aber zweifellos lässt sich ein zertifiziertes Objekt rascher und leichter verkaufen oder vermieten.“Vor allem für internationale Investoren und Unternehmen stellt eine derartige Zertifizierung heute gewissermaßen den State of the Art dar, weshalb sie bewusst auf solche Bewertungen achten.
Eine Frage der Herkunft
Um ihre Gunst rittern – historisch bedingt – mehrere Anbieter von Zertifizierungssystemen. ÖGNI (Österreichische Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft) ist ein unter Mitwirkung der heimischen Immobilien- und Bauwirtschaft entwickeltes System, das weitgehend auf den Regeln des deutschen Pendants der DGNB beruht. Große Bedeutung haben hierzulande aber auch das USamerikanische LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) und das britische BREEAMSystem (Building Research Establishment Environmental Assessment Methodology). Daneben gibt es noch die klima-aktiv- und Passivhaus-Zertifizierung.
„Welches System zum Zug kommt, hängt letzten Endes immer von den Wünschen beziehungsweise von der geografischen Herkunft des Endinvestors ab“, erläutert Markus Auinger, bei der Zertifizierungssysteme bewerten die Gebäudequalität, wobei vor allem Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung, aber auch soziokulturelle Aspekte eine Rolle spielen. Je nach Optimierungs- und Ausstattungsgrad eines Bauwerks gibt es Silber, Gold oder Platin. Zertifizierungen sind außerdem ein Instrument, um ein Bauvorhaben in der Planungs- und Projektierungsphase zu optimieren. Investoren, Bauherrn und Mietern geben sie die Sicherheit geprüfter Qualität. Porr Design & Engineering für das Thema Nachhaltigkeit und damit für die Gebäudezertifizierung verantwortlich. Investoren aus Österreich, Deutschland oder Frankreich würden ÖGNI oder DGNB bevorzugen, Amerikaner oder Asiaten eher LEED, Skandinavier oder Holländer BREEAM, „aber es gibt keine starre Regel“, meint Auinger.
Gewichtung unterschiedlich
Alle Zertifizierungssysteme haben letztlich ein gemeinsames Ziel: höhere und vor allem geprüfte Bauqualität in Verbindung mit Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung. Inhaltlich unterscheiden sich die Systeme jedoch wesentlich. Bei ÖGNI und DGNB ist Nachhaltigkeit ein großes Thema, hinzu kommen soziokulturelle Themen. Das richte sich an alle Projektbeteiligten von den ersten Planungsschritten bis zur späteren Betriebsführung, erläutert Auinger: „Planung und Ausführung werden besonders breit betrachtet, in jeder Phase können Planer prüfen, ob ihr Projekt den Mindestanforderungen oder den marktüblichen Standards entspricht oder Best-Practice-Niveau erreicht.“Das US-amerikanische LEED-System ist dagegen eher pragmatisch aufgebaut, „im Prinzip bekommt man für bestimmte Maßnahmen Punkte, die Summe der Punkte ist der Erfüllungsgrad“, berichtet Auinger. BREEAM liege in der Mitte und vereine Elemente aus beiden Welten, meint der Experte. Um das beste Ergebnis zu erzielen, sollten die für die Zertifizierung verantwortlichen Auditoren bereits in einer sehr frühen Planungsphase eingebunden werden. „Bei der Gebäudegeometrie, bei haustechnischen Systemen und vielen anderen Details ergeben sich im Zuge der Zertifizierung fast immer enorme Optimierungspotenziale“, sagt Auinger. Das bringe letztlich nicht nur ein besseres und nachhaltigeres Gebäude, sondern auch monetären Nutzen, vor allem in Form günstigerer Betriebskosten.
Beim Österreichischen Institut für Baubiologie IBO werden neben ÖGNI, LEED und BREEAM auch Zertifizierungen nach dem Passivhausstandard durchgeführt. Geprüft werden vor allem Ein- und Mehrfamilienhäuser, Bürohäuser wie das Raiffeisen-KlimaschutzHochhaus in Wien finden sich aber ebenfalls auf der Referenzliste. „Der Schwerpunkt liegt hier auf Energieeffizienz. Die PassivhausZertifizierung weist das höchste Niveau bei der Qualität der Hülle und der Optimierung der Haustechnik auf“, betont Maria Fellner vom IBO.
Ökopass für den Wohnbau
Speziell für die Zertifizierung von Wohnhausanlagen hat das IBO einen Ökopass entwickelt. Er bewertet die baubiologischen und bauökologischen Qualitäten von Wohnhausanlagen anhand von Messungen und Berechnungen. Für Wohnungskäufer und Mieter ist diese Zertifizierung bislang noch nicht so ein Must wie ÖGNI und Co. bei Bürohäusern. Dabei lohnt es sich natürlich auch hier, auf geprüfte Qualität zu achten: „Der IBO-Ökopass bietet eine gewisse Sicherheit für Baumängelfreiheit“, erläutert Fellner. Alle kritischen Punkte eines Wohnhauses werden dabei unter die Lupe genommen – die Verwendung emissions- und schadstofffreier Baustoffe ebenso wie die richtige Schalldämmung oder das Tageslicht und die Besonnung. Das Ziel ist letztlich dem anderer Zertifizierungssysteme sehr ähnlich: ein Bauwerk, das Ressourcen schont, niedrige Betriebskosten bietet und in dem sich die Nutzer wohl fühlen – und das alles nach strengen Kriterien geprüft.