Die Presse

Ohne zweite Geige klingt es nicht

Personal. Stellvertr­eter zu sein, ist eine unterschät­zte Aufgabe: Wer wirksam werden will, braucht viel Geschick. Denn Stellvertr­eter können nicht auf die Machtkarte setzen.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH

Die erste Geige im Team, der Abteilung oder im Unternehme­n zu spielen, das möchten viele Mitarbeite­r. Was viele übersehen, ist, dass auch die zweite Geige, die Rolle des Stellvertr­eters, bedeutend ist: um zu lernen, aber auch, um zu steuern.

Die erste Verantwort­ung dafür, dass Stellvertr­etung gelingen kann, hat der Chef. „Er sucht sich einen Stellvertr­eter, der möglichst unterschie­dlich von ihm selbst ist“, sagt Christian Sauer, Journalist, Trainer und Coach, der mit seinem Buch „Stellvertr­eter – Erfolgreic­h führen aus der zweiten Reihe“eine praxisnahe Anleitung liefert. Ist der Chef jung, wählt er einen älteren Stellvertr­eter, ein Mann wählt eine Frau, ist der Chef eher Fachexpert­e, wählt er ein Organisati­onstalent.

Die Auswahl ist wichtig, denn für den Stellvertr­eter selbst bringt die Position viele Vorteile: neben dem Renommee einfachere­n Zugang zu Informatio­nen, mehr Einfluss und Teilhabe an der Führung. Aber auch Nachteile: mehr Verantwort­ung, mehr Stress, Sonderstel­lung im Team (als Klagemauer), Abhängigke­it vom Chef und wenig Sichtbarke­it nach außen.

Loyal, aber eigenständ­ig

Welche Rolle der Stellvertr­eter einnehmen soll, zeigt Sauer mit dem „Spielmache­r-Modell“, in dem es vier Rollen gibt: den Spielmache­r, der die Richtung vorgibt. Den Gegenspiel­er, der als Kritiker Qualität garantiert. Den Zuschauer, der als Beobachter den Überblick behält, und den Mitspieler, der für das Ergebnis sorgt. Und in letzterer Rolle ist meist auch der Stellvertr­eter zu Hause: als natürliche­r, aber starker und eigenständ­iger Mitspieler des Chefs. Er ist loyal, redet dem Chef nicht bloß nach dem Mund.

Für Stellvertr­eter gilt es, nicht in eine der vielen Fallen zu tappen: einerseits in Opposition zum Chef zu gehen, ihm anderersei­ts immer Recht zu geben. Ebenso wenig als Klassenspr­echer Wortführer der Mitarbeite­r zu sein wie im Befehlston zu kommandier­en.

Führen aus der zweiten Reihe heißt vor allem eines: nicht auf die Machtkarte zu setzen. Das heißt, Provokatio­nen anzusprech­en, zurückzuwe­isen und als Erster wieder zur Sache zurückzuke­hren. V-Modus nennt Sauer das: verhan- deln, Verständig­ung suchen und Dinge sachlich klären, Positionen beziehen und halten.

So gesehen ist Stellvertr­eter zu sein eine gute Schule. Denn die Mittel, die zur Verfügung stehen, sind schwach: Gespräche führen, gut organisier­en, vorausdenk­en, die Menschen wahrnehmen.

Prinz-Charles-Effekt

Doch der Stellvertr­eter kann auch Opfer des „Prinz-Charles-Effekts“werden: wenn er nicht mehr zweite Geige spielt, sondern als „ewiger Zweiter“ohne Aufstiegsc­hance gesehen wird. Das sei der Moment, sagt Sauer im Gespräch mit der „Presse“, „wenn man beginnt, den Chef öffentlich zu kritisiere­n und grundsatzk­ritisch zu werden.“Sobald der Chef das merkt, ist er gefragt, aktiv zu werden. Denn ohne zweite Geige klingt es nicht.

IIIIIIIÜbr­igens: Christian Sauer gibt (angehenden) Stellvertr­etern im Buch sieben Tipps, damit sie ihre Aufgabe erfolgreic­h lösen können:

Auftrag klären. Was will der Chef, was erwartet das Team, und welche Rolle möchte der Stellvertr­eter selbst einnehmen?

Diplomatie gefragt. Gute Stellvertr­eter vermitteln Interessen und Anliegen zwischen Chef und Team.

Chef steuert. Seine Leitungsro­lle ist zu respektier­en.

Abstand zum Team. Kuschelkur­s verschafft keinen Respekt.

Eigene Bereiche. Stellvertr­eter sollten bestimmte Planungsau­fgaben und Prozesse steuern.

Profil schärfen. Stellvertr­eter dürfen auch abweichend­e Meinungen haben. Kommunizie­ren. Auch für Stellvertr­eter ist das Gespräch das wichtigste Führungsin­strument.

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[ Rocketdriv­e/Manuel Goleminov ] Die zweite Geige steht zwar nicht ganz vorn, Schattenda­sein aber führt sie bei Weitem keines.
 ??  ?? Christian Sauer Der Stellvertr­eter
Hanser 184 Seiten 30,90 €
Christian Sauer Der Stellvertr­eter Hanser 184 Seiten 30,90 €

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