Terror-Suchmaschine im Aufbau
Geheimdienste. Die jüngst bekannt gewordene Kooperationsplattform Österreichs mit ausländischen Nachrichtendiensten soll in ein gemeinsames Computersystem überführt werden.
Wien. Österreichs Innenministerium arbeitet an einer gemeinsamen Anti-Terror-Datenbank mit ausländischen Nachrichtendiensten. Das Vorhaben ist die Weiterentwicklung jenes internationalen Projekts zum Informationsaustausch über staatsgefährdende Aktivitäten und Personen, über das „Die Presse“zuletzt berichtete. Geplant ist die Teilnahme an einem computergestützten Informationsverbundsystem, in das die Inlandsdienste aller EU-Mitgliedstaaten sowie von Norwegen und der Schweiz Daten einspeisen.
Geschehen soll all das außerhalb des Einflussbereichs der Europäischen Union, weil vor allem die großen Nationen Europas ihre Dienste möglichst frei von Einflüssen aus Brüssel oder Straßburg halten wollen. Dabei geht es um die Bewahrung der letzten und damit am härtesten verteidigten Inseln nationaler Souveränität.
Erst kürzlich wurde nämlich öffentlich bekannt, dass die Mitglieder der sogenannten Counter Terrorism Group (CTG) seit Mitte 2016 in den Niederlanden ein gemeinsames Echtzeit-Lagezentrum zum Austausch von Informationen über jihadistisch motivierte Terrorverdächtige betreiben. Der komplizierte, aber im Gegensatz zu früher immerhin schon permanente Wissensaustausch soll nun mithilfe von Informationstechnologie noch einmal beschleunigt werden. Das Vorhaben hat mehrere Kapitel: Die Gesetzesänderung: Wegen der Sensibilität der Informationen, die nicht selten auch aus fragwürdigen Quellen und von V-Leuten stammen, braucht es für die elektronische Verarbeitung eine rechtliche Grundlage. Aktuell befinden sich dazu einige unscheinbare, inhaltlich aber bedeutende Änderungen des Polizeikooperationsgesetzes in parlamentarischer Begutachtung.
Polizei deshalb, weil das österreichische Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) formal Teil der Exekutive ist, von seinem Wesen her jedoch eher einem Zwitter aus Polizei und Nach- richtendienst gleicht. Als solcher begegnet der heimische Staatsschutz in der verschwiegenen CTG den Geheimdiensten anderer Länder Europas auf Augenhöhe.
Vermutlich auch um seinen Ruf als zuverlässiger Partner nicht zu verlieren, hält das Innenministerium den Ball in dem vorliegenden Entwurf extrem flach. Kein einziges Mal fallen darin die in der Öffentlichkeit stets für Aufsehen sorgenden Begriffe „Nachrichten-“oder „Geheimdienst“. Die Kooperationspartner werden fast schon verharmlosend als „zivile Inlands-und Sicherheitsdienste“bezeichnet. Auch über die Funktionsweise des geplanten Computersystems hält sich das Innenressort bedeckt. Die Funktionsweise: Aufschlussreicher sind andere Quellen der „Presse“. In Ausarbeitung ist demnach eine Art Suchmaschine, in der die Mitarbeiter aller teilnehmenden Dienste nach verdächtigen Terroristen, Organisationen und von ihnen benutzten Gegenständen und Gütern (zum Beispiel Waffen, Autos oder Wohnungen) stöbern können. Gibt es Treffer, dann erhält der anfragende Dienst zunächst nur eine Liste von jenen Partnerorganisationen, bei denen Daten zu den eingegebenen Suchbegriffen vorliegen. Schon das bedeutet gegenüber früheren Zeiten einen enormen Fortschritt, weil bisher niemand genau wusste, welcher Dienst zu welchem Thema überhaupt Informationen besaß.
Erst im Anschluss werden Detailinformationen angefragt und ausgetauscht, und zwar unter einem strengen Regime. Die Verwendung der Daten darf nur der Terrorabwehr und nicht etwa einem öffentlichen Strafprozess dienen, die Weitergabe an andere Länder ist untersagt, der Bereitsteller der Informationen hat auch ein Prüfrecht und kann nachfragen, wie die übermittelten Daten eingesetzt wurden. Der Hintergrund: Im Innenministerium heißt es dazu offiziell, dass die Teilnahme an Projekten der Counter Terrorism Group „schon bisher nur im Rahmen des rechtlich Möglichen“erfolgte, das auch in Zukunft so bleiben werde und eben deshalb eine Gesetzesanpassung notwendig sei.
Mediales Aufsehen um die Anti-TerrorDatei will man – wohl auch wegen der öffentlichkeitsscheuen Partner – vermeiden. Auf Anfrage stellte das Ministerium die internationale Anti-Terror-Datei nur als eine Art Anhängsel der neuen Europol-Verordnung dar, die im Mai 2017 in Kraft trete und deren Umsetzung der eigentliche Grund für die Anpassung des Polizeikooperationsgesetzes sei.
Gegenüber dem Parlament sind Innenressort und Staatsschutz in Bezug auf das Anti-Terror-Projekt jedoch deutlicher. In einer Stellungnahme heißt es wörtlich: „Sollte diese Rechtsgrundlage nicht geschaffen werden, ist Österreich von den wesentlichen, insbesondere terrorismusrelevanten Informationen abgeschnitten. Eine effiziente Gefahrenabwehr ist dann nicht mehr möglich.“ Die Kosten: Das will sich die Republik auch etwas kosten lassen. Bereits 2017 soll die Teilnahme an der internationalen Geheimdienstdatei 394.000 Euro Aufwand verursachen. Ab dem Jahr 2018 und im Vollbetrieb 800.000 Euro und mehr. Neben den technischen Systemen wird der Staatsschutz dafür acht Beamte abstellen. Derzeit gibt es bei der CTG nur einen Verbindungsbeamten.