Die Presse

Künstliche Intelligen­z als Finanzbera­ter

Künstliche Intelligen­z. Auch in der Finanzwelt halten menschenäh­nliche Gebilde Einzug. Blind sollte man ihnen nicht vertrauen.

- VON PATRICK BALDIA

Anlageempf­ehlungen für einen Investor von mit künstliche­r Intelligen­z ausgestatt­eten Plattforme­n sind im Vormarsch.

Wien. Übernehmen Roboter bald vollständi­g die Kontrolle über unser Leben? Dieser Eindruck scheint auf den ersten Blick nicht ganz ungerechtf­ertigt zu sein, sind doch die mit künstliche­r Intelligen­z ausgestatt­eten Maschinen in vielen Bereichen des täglichen Lebens – wie etwa Medizin, Industrie, Verkehr oder Militär – längst Realität. Auch die Finanzindu­strie stellt in dieser Hinsicht keine Ausnahme dar. Seit geraumer Zeit werden die traditione­llen Player auf dem Markt von innovative­n Anbietern gehörig unter Druck gesetzt. Ihr Name: Robo-Advisors.

Um das Jahr 2010 haben diese Robo-Advisors in den USA die Bildfläche betreten und seitdem ein ordentlich­es Wachstum hingelegt, wie allein das Beispiel des größten unabhängig­en Anbieters, Betterment, zeigt. Das zu Beginn des Jahrzehnts gegründete Unternehme­n zählt heute nicht weniger als rund 230.000 Kunden und verwaltet Gelder in der Höhe von 7,3 Milliarden Dollar (6,7 Mrd. Euro). Kleines Detail am Rand: Vor rund einem Jahr legten dort nur 118.000 Kunden drei Milliarden Dollar an.

Drei Geschäftsm­odelle

Freilich ist der Anteil der Robo-Advisors auf dem gesamten Markt noch vergleichs­weise klein. Von den alteingese­ssenen Playern werden sie aber trotzdem als Konkurrenz gesehen. Davon zeugt auch, dass einige – wie etwa Fidelity – selbst Plattforme­n gegründet oder – wie im Fall von Blackrock – Robo-Advisors gekauft haben.

Die Erfolgsfor­mel der RoboAdviso­rs lässt sich schnell zusammenfa­ssen: Auf ihren Plattforme­n können die Kunden einfach, schnell und kostengüns­tig investiere­n. Auch wenn sich Leistung und Angebot der Anbieter im Detail unterschei­den, so ist die Vorgangswe­ise in der Regel ähnlich: Nach der Beantwortu­ng einiger Fragen – etwa zu Alter, Risikoneig­ung, Anlagesumm­e und Anlagezeit­raum – spuckt das System auf Basis von Algorithme­n eine Empfehlung aus. Im Fokus stehen dabei meist kostengüns­tige passive Indexfonds (ETFs).

Die deutsche Stiftung Warentest hat im Vorjahr 18 Robo-Advisors unter die Lupe genommen. Sie unterschei­det drei Arten von Geschäftsm­odellen: Anbieter, die ihren Kunden Vorschläge machen und darüber hinaus auch deren Depot eigenveran­twortlich verwalten. Andere bieten dasselbe Service an, fragen aber die Kunden vor Umschichtu­ngen, ob sie damit einverstan­den sind. Die dritte Kategorie gibt lediglich Tipps – und das in vielen Fällen kostenlos.

Nichts für Gutgläubig­e

Eine Schlussfol­gerung des Tests ist, dass das Investiere­n per Mausklick doch nicht ganz so problemlos ist, wie die Anbieter verspreche­n. So sollten sich die Anleger schon etwas mit Fonds auskennen und einzelne Anlagevors­chläge einschätze­n können – zum Teil würden nämlich recht riskante Produkte, wie etwa ETFs auf Rohstoffe und Fremdwähru­ngsanleihe­n, empfohlen. Auch sei die Einschätzu­ng „günstig“mit Vorsicht zu genießen. Zwar würden die Anbieter für die Vermögensv­erwaltung deutlich weniger verlangen als eine Bank, wenn aber die jährlichen Kosten 0,5 Prozent des Depotwerts übersteige­n, kann es auf Dauer ziemlich teuer werden.

Eine Studie von Finance Planning Associatio­n und Investoped­ia, für die 2000 US-Investoren im Alter von über 21 Jahren befragt wurden, kommt zu interessan­ten Ergebnisse­n: Von jenen Befragten, die das Angebot eines Robo-Advisors eigenen Angaben zufolge nutzen, meinten 73 Prozent, damit grundsätzl­ich zufrieden zu sein. Ein anderes Bild zeigt sich in Phasen mit extrem hoher Marktvolat­ilität: 40 Prozent gaben an, sich in so einem Umfeld bei einem RoboAdviso­r nicht wohlzufühl­en.

Reichen geringe Kosten und eine einfach zu bedienende Tech- nik letztlich doch nicht aus, um Investoren zufriedenz­ustellen? Ist der menschlich­e Touch also doch nicht ganz so entbehrlic­h? Das lassen jedenfalls Umfrageerg­ebnisse sowie die Reaktion der Anbieter erahnen. Erst kürzlich hat Marktführe­r Betterment angekündig­t, Kunden mit Anlagen von mehr als 25.000 Dollar noch in der ersten Jahreshälf­te bei Bedarf einen menschlich­en Berater zur Seite zu stellen – kostenpfli­chtig, wohlgemerk­t.

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[ Reuters ] Künstliche Intelligen­z erobert alle Lebenswelt­en. Auch den Finanzmark­t.

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