„Es ist fast kitschig irgendwie“: Ein umjubelter Abschluss der Heim-WM
Biathlon-WM. Lokalmatador Simon Eder stürmt am letzten Tag der Titelkämpfe in Hochfilzen zu Bronze im Massenstart. Laura Dahlmeier schreibt Biathlongeschichte.
VON JOSEF EBNER Hochfilzen. Im Sonnenschein von Hochfilzen glänzen die Bronzemedaillen wie Gold. Zumindest bei den Gastgebern. Das rot-weiß-rote Staffelbronze am vorletzten Tag der Weltmeisterschaft war tatsächlich Gold wert, es nahm den ÖSVBiathleten den Druck, der mit jedem medaillenlosen Tag größer geworden war. Von der Erwartungshaltung befreit lief der Saalfeldener Simon Eder im abschließenden Massenstart (15 km) zu Bronze, geschlagen nur um 10,1 Sekunden vom deutschen Weltmeister Simon Schempp und 1,1 Sekunden vom Norweger Johannes Thingnes Bø. Wenige Stunden zuvor hatte die Deutsche Laura Dahlmeier mit ihrer fünften Goldmedaille Biathlongeschichte geschrieben.
Nur die jeweils besten 30 Skijäger durften beim abschließenden Showdown an den Start, noch einmal verwandelte sich die Arena in Hochfilzen in einen Hexenkessel, insgesamt wurden in knapp zwei Wochen bei anhaltendem Schönwetter mehr als 140.000 Zuschauer gezählt. „Ich habe mich selten so gut gefühlt bei einem Massenstart“, sollte Eder nach dem Rennen erzählen. Als einer von nur drei Skijägern traf der Schnellschütze alle 20 Scheiben. Superstar Martin Fourcade etwa leistete sich drei Fehlschüsse, kam nur als Fünfter ins Ziel. Auch Dominik Landertinger (7.) musste zweimal in die Strafrunde, Julian Eberhard (19.) drehte fünf Extrarunden.
Vom Krankenbett aufs Stockerl
Eder hatte schon im Vorjahr in Oslo mit Bronze im Einzel über 20 km zugeschlagen. Doch in Hochfilzen hatten ihn nur die wenigsten auf der Rechnung. Die Saison des 33-Jährigen begann mit einem beleidigten Weisheitszahn, dann eine Verkühlung, nur wenige Wochen vor der Heim-WM eine Grippe. „Ich wollte nur irgendwie in die Staffel reinkommen“, erzählte der Salzburger. Dort lief er dann entfesselt, brachte Österreich auf Medaillenkurs und übergab nur freiwillig als Zweiter an Schluss- läufer Landertinger, weil er wusste, dass der Teamkollege ungern als Gejagter ins Rennen geht. „Mit der Staffelmedaille ist ein großer Brocken abgefallen“, bestätigte Eder, nachdem er im Massenstart die 16. ÖSV-WM-Medaille geholt hatte.
Am Vortag hatte Landertinger („Simon hat sich das voll verdient“) Schempp noch eindrucksvoll stehen lassen, nun schlug der Deutsche in der Schlussrunde gegen Eder zurück. Der Routinier („Ich war schon übersäuert“) konnte nicht mehr folgen, auch der zehn Jahre jüngere Bø kam noch heran. „Das Rennen war beinhart, aber irgendwie habe ich es genossen“, meinte der Familienvater nach dem wohl größten Triumph seiner Karriere. „Es ist fast kitschig irgendwie. Eine Bronzene bei einer Heim-WM ist schöner als Gold irgendwo anders.“
Die Kitzbühelerin Lisa Hauser konnte den Heimvorteil nicht ausspielen, im Gegenteil. Auch der 25. Platz im Massenstart (12,5 km) war enttäuschend. In Hochfilzen ließ sie vor allem ihre Treffsicherheit im Stich. Zum Abschluss musste sie gleich sechsmal in die Strafrunde. „Katastrophal. Wieso und warum, weiß ich nicht“, rätselte sie.
Die 23-jährige Laura Dahlmeier hingegen blieb fehlerfrei, verwies Susan Dunklee, die inspiriert von Einzelweltmeister Lowell Bailey für eine weitere US-Sensation sorgte, auf Platz zwei (+ 4,6), Bronze ging an die Finnin Kaisa Mäkäräinen. Dahlmeier hat nun als erste Biathletin bei einer WM fünf Titel gesammelt (in Rennen Nummer sechs lief sie zu Silber). Massenstart-Gold war zudem ihre elfte WM-Medaille in Folge. „Ich habe gerade einen Lauf“, jubelte die Deutsche.
Die Gastgeber haben am Ende der Heim-WM ihr ausgegebenes Ziel von einer Medaille übertroffen. Österreichs Männerstaffel war Samstagabend auf dem brechend vollen Medal Plaza frenetisch gefeiert worden. Und auch das letzte Stockerl dieser WM hat mit Simon Eder ein Lokalmatador erklommen. An den letzten beiden Tagen fanden in Hochfilzen doch noch rot-weiß-rote Siegesfeiern statt, auch wenn es „nur“Bronze war.