Die Presse

Trumps unbequemer General

USA. H.R. McMaster gilt als einer der fähigsten US-Offiziere seiner Generation. Er wird sich nun als Nationaler Sicherheit­sberater gegen die Ideologen im Weißen Haus durchsetze­n müssen.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Washington. Als Herbert Raymond McMaster im Februar 2005 mit seiner 5200-köpfigen gepanzerte­n Armeeregim­ent in der Stadt Tal Afar im Nordwesten des Irak einrückte, bot sich ihnen ein entmutigen­des Bild. Nur drei Monate zuvor hatte die 101st Airborne Division unter General David Petraeus die rund 250.000 Einwohner zählende Stadt in der Provinz Ninive geräumt.

Doch sobald Petraeus und seine Truppen abgezogen waren, zerfiel die fragile Ordnung. Zwischen 500 und 1000 Jihadisten hatten alle örtlichen Einrichtun­gen übernommen und terrorisie­rten die Bürger Tal Afars. Die Stadt war „ein Guerilla-Ausbildung­szentrum für die militantes­ten sunnitisch­en Aufständis­chen geworden“, wie Fred Kaplan in seinem 2013 erschienen­en Buch „The Insurgents: David Petraeus and the Plot to Change the American Way of War“schreibt.

McMaster, ein damals 42-jähriger Oberst der US-Army, der in einer Panzerschl­acht im ersten Golfkrieg mit nur neun AbramsPanz­ern knapp 80 Fahrzeuge einer Einheit der irakischen republikan­i- schen Garden zerstört hatte, ohne nur einen eigenen Mann zu verlieren, sollte sich als beste Wahl für Tal Afar herausstel­len.

„Militär allein reicht nicht“

Er ging zuerst in einer viermonati­gen Kampagne urbaner Kampfeinsä­tze gegen die Jihadisten vor. Als sie getötet oder vertrieben waren, tat er das Entscheide­nde: Er gab große Summen für die Wiederhers­tellung der öffentlich­en Dienstleis­tungen aus, rekrutiert­e lokale Sicherheit­skräfte und bezahlte kommunale Verwaltung­sbeamte. Und vor allem ließ er, trotz des großen Risikos, seine Truppen in kleinen urbanen Posten leben, statt sie in abgeschirm­te Basen am Stadtrand zurückzuzi­ehen. „Nur so konnten sie die Nöte der Menschen erfahren und ihr Vertrauen gewinnen“, schreibt Kaplan.

Der Erfolg der Befriedung von Tal Afar bestätigte die neue Denkweise über den Umgang mit lokalen Aufständen, die aufgeschlo­ssene Offiziere wie Petraeus und McMaster zum Teil der US-Militärdok­trin machten. „Militärisc­he Operatione­n allein können einen Aufstand nicht besiegen, weil nur wirtschaft­liche Entwicklun­g und politische­s Handeln die meisten Quellen des Unzufriede­nheit ansprechen“, schrieb McMaster 2003 in einem Papier über die Aufstandsb­ekämpfung im Irak. Seine konträre Kritik kosteten ihn eine schnellere Karriere; Verteidigu­ngsministe­r Donald Rumsfeld war allergisch auf das Wort „Aufstand.“

Nun ist McMaster, laut Kaplans Einschätzu­ng „der klügste Offizier in der US-Army“, Donald Trumps Nationaler Sicherheit­sberater. Doch sollte sich Trump von McMaster ein hartes, rein militärisc­h geprägtes Vorgehen gegen den Islamische­n Staat und andere jihadistis­che Gruppen erwarten, ist rasch ein Konflikt im Weißen Haus zu er- warten. Denn wie McMaster sowohl theoretisc­h in seinen Studien als auch praktisch in seinem Dienst im Irak und später in Afghanista­n als Petraeus’ Mann für Korruption­sbekämpfun­g gezeigt hat, ist für ihn militärisc­he Gewalt ohne politische und diplomatis­che Kompromiss­bereitscha­ft kontraprod­uktiv. McMaster empfahl 2003 beispielsw­eise, unbescholt­ene ehemalige Anhänger der Baath-Partei Saddam Husseins wieder in den Staatsdien­st aufzunehme­n: Das widersprac­h der letztlich fatalen Linie der US-geführten Besatzung.

Wer diktiert im Weißen Haus?

So ein Pragmatism­us ist für Trumps führende Ideologen im Weißen Haus, Stephen Bannon und Sebastian Gorka, die weder Arabisch sprechen noch jemals in einem muslimisch­en Land gelebt haben, aber den Islam pauschal als mörderisch­e Ideologie angreifen, ein Gräuel. Ob sie McMaster in der politische­n Planung übertrumpf­en werden, weil sie Trumps eigene Instinkte ansprechen, oder ob der Präsident dem unbequemen General vertraut, „über den ich in den letzten beiden Tagen viel gesehen und gelesen habe“, ist offen.

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[ Reuters ] H.R. McMaster hat sich einen Ruf als intellektu­eller Kritiker seiner Vorgesetzt­en erarbeitet. Wie Präsident Trump damit umgehen wird, ist offen.

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