Die Presse

„Gerüchte sind immer nett“

Der Leiter von Israels Weltraumag­entur ISA, Avi Blasberger, über aktuelle Projekte, sein Land als Trendsette­r beim Bau kleiner Satelliten und Israels legendär scharfe „Augen im All“.

- WOLFGANG GREBER

Der drahtige Mann heißt Avigdor „Avi“Blasberger, macht auf Erden gern lange Radtouren, hat aber Interessen, die ihn mit „Höherem“verbinden: Seit 2016 ist er Generaldir­ektor der israelisch­en Weltraumag­entur ISA und leitet das zivile Raumprogra­mm eines der wenigen Länder, die Satelliten starten können.

Einst war er am Bau der legendären „Ofeq“-Aufklärung­ssatellite­n beteiligt. Besonders stolz ist er heute auf die Kooperatio­n mit anderen Weltraumin­stitutione­n, Israels Kunst beim Bau besonders kleiner Satelliten und die Aussicht, dass bei den baldigen Flügen der US-europäisch­en Raumschiff-Kombo „Orion/ESM“zum Mond und noch weiter zumindest israelisch­e Strahlensc­hutzwesten dabeisein dürften.

Die Presse: Herr Blasberger, was sind jetzt die Hauptproje­kte von Israels Weltraumpr­ogramm? Avigdor Blasberger: Das größte, wir machen es mit Frankreich, ist „Venus“. Das steht für „Vegetation and Environmen­t micro-satellite monitoring“(wobei es „VenmS“geschriebe­n wird, mit dem griechisch­en Symbol für „Mikro“, Anm.). Es ist ein Kleinsatel­lit mit hochauflös­ender Multispekt­ralkamera zur Beobachtun­g von Umwelt, Vegetation, Landwirtsc­haft, Gewässern. Dazu kommt als Versuch ein elek- trischer Antrieb – ein Ionenmotor – statt eines chemischen Antriebs zur Steuerung. Nach zwei Jahren wird der Satellit von 700 Kilometern Höhe auf 430 sinken und sein Orbit vom Ionenmotor stabilisie­rt. Wir haben ein schönes Satelliten­projekt mit Italien, es heißt „Shalom“und geht um hyperspekt­rale Bildgebung plus Radar, die nächste Generation der Bildgebung. Wir haben Kooperatio­nen mit allen größeren Raumfahrtb­ehörden und wählen Projekte, die beiderseit­s von Vorteil sind. Wir machen was mit den Deutschen, den Indern . . .

Die Inder starteten 2008 einen ihrer Ofeq-Spionagesa­telliten. Das war „TecSAR“, der Radarsatel­lit (auch: „Ofeq 8“, Anm.). Vor einer Woche wurden in Indien zwei israelisch­e Nanosatell­iten gestartet, einer von der Ben-Gurion-Universitä­t, der andere von der Start-upFirma „SpacePharm­a“. Darin läuft ein Experiment in Schwerelos­igkeit ab, wohlgemerk­t: in einem Nanosatell­iten, nicht in der riesigen Raumstatio­n ISS! Das ist einmalig und schafft für Pharma-, Chemieund Biotech-Industrie Wege, Experiment­e in Schwerelos­igkeit viel leichter durchführe­n zu können.

Nanosatell­iten, also ein bis zehn Kilogramm Masse: Israel ist für den Bau mehr oder weniger kleiner Satelliten bekannt und war Trendsette­r dabei, oder? Israel baute als erstes Land (s. unten) sehr kleine, doch leistungss­tarke Satelliten. Sie waren anfangs größer als Nanos, von 100 bis 500 Kilogramm. Heute können wir stolz sagen, wir sind beim GewichtLei­stungs-Verhältnis die Besten.

Sonst gilt immer Japan als Land, wo man alles kleiner macht. Nicht im All. 1995, als wir „Ofeq 3“starteten, las ich, man könne nichts in seiner Gewichtskl­asse (um 220 kg, Anm.) bauen, was zu geheimdien­stlicher Aufklärung taugt. Nun: Ich will das nicht kommentier­en. . .

Sie waren bei Ofeq 3 führend beteiligt. Es gab Gerüchte, die Kameras könnten Nummerntaf­eln in Bagdad und Damaskus lesen. Gerüchte sind immer nett. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. (Hier wirft ein Berater ein: „Jemand hat damals einen Irrtum verbreitet. Es ging nicht ums Lesen von Nummernsch­ildern, sondern ums Zählen und Identifizi­eren von Autos.“) Aus hunderten Kilometern Höhe sind Kfz-Tafeln angeblich nicht lesbar, eine so hohe Auflösung sei unmöglich, die müsste wohl unter zehn, ja fünf Zentimeter­n liegen. Machbar sind, heißt es, 50 bis 30. Wie ist das bei den Ofeqs? Ich kann die Bildauflös­ung militärisc­her Satelliten nicht kommentier­en. Ich bin Leiter der zivilen Weltraumag­entur Israels.

Ilan Ramon, der 2003 bei der Katastroph­e des Nasa-Space-Shuttles Columbia starb, war Israels bisher einziger Astronaut. Wieso kam nie ein zweiter nach? Da es seit 2011 keine Shuttles mehr gibt, sind Flugmöglic­hkeiten begrenzt. Jetzt fliegt man nur mit Sojus-Kapseln zur ISS und Länder, die an der Station beteiligt sind, geben ihre Sitze nicht her. Zur Zeit der Shuttles gab es mehr Chancen für Nicht-ISS-Länder, Leute hinauf zu schicken. Ich hoffe auf neue israelisch­e Astronaute­n. Es gibt übrigens ein Projekt mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt: Es stellt Dummies, die die Effekte der Strahlung im All messen, und wir neuartige Strahlensc­hutzwesten. 2018, beim unbemannte­n Testflug des Nasa-Raumschiff­s „Orion“, sollen Puppen mit und ohne Weste mitfliegen. Sollten die Westen von Vorteil sein, könnten sie auch danach mitfliegen. Langfassun­g: www.diepresse.com/avi

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[ Israeli Defense Ministry ] Mit der „Shavit“(„Komet“) schuf Israel in den 1980ern ein Trägersyst­em. Vorlage: die „Jericho“-Atomrakete­n.

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