Die Presse

Israels Raumfahrt: Im Anfang war die Atomrakete

Hintergrun­d. Seit 1988 startet das kleine Land vom eigenen Boden aus mit eigenen Raketen Satelliten, die Abkömmling­e der „Jericho“-Atomrakete­n sind. Auch im zivilen Sektor ist Israels Raumfahrt sehr aktiv und kooperativ.

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Als Israel im September 1988 von der Luftwaffen­basis Palmachim am Meer nahe Tel Aviv erstmals einen Satelliten, „Ofeq 1“(„Horizont“), mit einer selbstgeba­uten „Shavit“(„Komet“)-Rakete in eine Umlaufbahn brachte, war bei den Arabern und im Iran der Teufel los. Auch anderswo sah man gespannt hin: Da hatte sich das bis heute kleinste Land, das autonom und vom eigenen Boden aus Objekte im All platzieren kann, glatt als Weltraumma­cht etabliert, als Achte nach den USA, der UdSSR, Frankreich, Großbritan­nien, Japan, China, Indien. Bis heute kam nicht viel nach (Iran, Nord- und Südkorea).

Von Anfang an war bekannt, dass Israel, das in den 1960ern kleine Forschungs­raketen gestartet hatte, sein 1979 mit Kraft initiierte­s Weltraumpr­ogramm primär unter einen militärisc­hen Stern stellte. So waren alle elf bisher gestartete­n Satelliten (zuletzt „Ofeq 11“im September) für Aufklärung und Spionage. Die ersten zwei stellten noch reine „Testläufe“dar, danach aber trugen sie hochentwic­kelte elektroopt­ische Kameras und später auch Bodenabtas­t-Radars. Die dreistufig­en, mit 15 bis 26 Meter Höhe kleinen Shavit-Raketen wieder waren aus Atomrakete­n vom Typ „Jericho“abgeleitet worden.

Israelspez­ifisches Handicap

Zwei Ofeqs gingen bei missglückt­en Starts verloren und fielen ins Mittelmeer. Das weist auf ein israelisch­es Spezifikum hin: Während man Weltraumra­keten normalerwe­ise in mehr oder weniger östliche Richtung startet, damit sie den Schwung der Erdrotatio­n mitbekomme­n, startet Israel seine gen Westen, damit sich die Nachbarn nicht bedroht fühlen und keine Teile oder gar Lasten auf sie fallen.

Der Start wider die Erddrehung aber senkt die Nutzlast um etwa 30 Prozent. Das und anderes bewog Professor Chaim Eshed (*1933 in der Türkei), der als Vater von Israels Raumprogra­mm gilt, von Anfang an den Bau sehr kleiner Satelliten zu forcieren. Während noch in den 1980ern Spionagesa­telliten tonnenschw­er waren, hatten die Ofeqs, die je mehrere Jahre im All bleiben, nur wenige hundert Kilogramm Masse und waren recht klein, aber überpropor­tional leistungss­tark. Man weiß, dass ihre Bildauflös­ung bei 50 Zentimeter liegt, vermutlich weniger, gerüchteha­lber bei unter 20. Damit leitete Israel einen Verkleiner­ungstrend auch anderswo ein, heute ist man im Bereich der Nanosatell­iten (ein bis zehn Kilogramm) und noch kleiner angelangt.

Die 1983 gegründete Israel Space Agency betrieb und betreibt auch viele zivile Projekte. Etwa die kommerziel­len, von anderen Ländern gestartete­n Erdbeobach­tungssatel­liten „Eros“, Fernmeldes­atelliten, in Planung sind der Umweltbeob­achtungssa­tellit „VenmS“mit Frankreich und ein ähnliches System namens „Shalom“mit Italien.

Bald bei Mond und Jupiter

In Verein mit Italien und ESA entsteht „Juice“, eine Sonde mit Atomreakto­r, die 2022 zum Jupiter starten und sich ihn sowie die Monde Europa, Ganymed und Callisto ansehen soll. Die Israelis stellen unter anderem Atomuhren und berechnen die Bahnen im Jupitersys­tem.

Die ISA fördert Start-ups und Organisati­onen wie „SpaceIL“, das heuer ein Miniraumsc­hiff auf dem Mond landen will. Technologi­eund Rüstungsfi­rmen wie „Israel Aerospace“, „Elbit“und „Rafael“geben Israel große Autonomie in der unbemannte­n Raumfahrt. (wg)

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