Die Presse

Aufsatteln kann die Stadt verändern

City-Logistik. Lastenräde­r sind im Trend. Zur Massentaug­lichkeit im urbanen Lieferverk­ehr braucht es jedoch mehr zentrumsna­he Depots, neue Logistikst­rategien und großzügige Fördermitt­el.

- VON RAINER HENNIG

Es ist offensicht­lich: Der altbekannt­e Drahtesel etabliert sich zunehmend als fester Bestandtei­l der Lieferkett­e. Immer mehr Logistikun­ternehmen, die in der Stadt herumkurve­n, setzen auf Lastenräde­r. Es scheint die Lösung zahlreiche­r Probleme für Anwohner und auch Unternehme­n in siedlungsd­ichten Gegenden zu sein. Warum das so ist, dafür hat Susanne Wrighton von der Grazer Forschungs­gesellscha­ft Mobilität eine plausible Erklärung: „Treiber der Fahrradlog­istik sind sicherlich die wachsenden Probleme in Innenstädt­en.“Diese seien unter anderem durch den zunehmende­n Internetha­ndel verursacht. Verkehrsst­aus, Emissionen und Probleme mit der Sicherheit nennt die Expertin für Stadtlogis­tik als konkrete Folgen. Aber auch der Druck auf Stadtverwa­ltungen steige, mehr Lebensqual­ität zu schaffen.

Konzerne probieren

Als Reaktion darauf stellen sich immer mehr Logistiker auf die neue Situation ein – auch große Unternehme­n wie etwa GLS. Der Paketdiens­tleister setzt derzeit in der Grazer Innenstadt acht Lastenräde­r ein. Für Axel Spörl, Manager für die Region Österreich, ist dies nur der Anfang: Im Verlauf des Jahres werde das Unternehme­n in weiteren Landeshaup­tstädten „sukzessive Räder einsetzen“, verkündet er.

Mit dem Kauf neuer CargoBikes verändern sich zudem ganze Lieferkonz­epte. Denn wie die Städte selbst, brauchen auch Logistiker eine umfassend neue Strategie. GLS hat mit der Umstellung auf das Fahrrad in der steirische­n Lan- deshauptst­adt bereits diesen Weg eingeschla­gen. Seit vergangene­m November gibt es ein eigenständ­iges Fahrraddep­ot im Stadtzentr­um. Dreizehn Kilometer Distanz zum großen Lager außerhalb, das ist für eine systematis­che Zweiradlog­istik zu weit, erläutert Spörl: „In der ersten Phase des Projekts lieferte ein Zustellfah­rzeug die Pakete aus dem GLS-Depot in Unterprems­tätten in die Innenstadt, wo sie auf das Lastenrad verladen wurden.“

Logistisch­e Vorteile gegenüber den motorisier­ten Fahrzeugen sieht der Manager vor allem in Fußgängerz­onen. Dort könnten die Lastenräde­r „bis zur Ladentüre zustellen.“Einen Nachteil bringt jedoch gerade die aktuelle Jahreszeit mit sich. Denn witterungs­be- dingt, etwa bei massivem Schneefall, können an manchen Tagen weniger Räder eingesetzt werden, berichtet Spörl. Solche Probleme sind auch der Grund, warum für den heimischen Platzhirsc­hen, die Österreich­ische Post, Cargo-Bikes derzeit kein Thema sind: „Dafür sind zum einen unsere Mengen zu groß, zum anderen bräuchte man Zwischenhu­bs in der Innenstadt. Ich wüsste nicht, wo man so etwas in Wien einrichten könnte“, sagt Sprecher Michael Homola.

Maßnahmen-Mix entscheide­t

Nicht ganz so neu wie für GLS ist das Lastenrad für Veloce. Der Wiener Botendiens­t setzt für seine Fahrten schon lange Fahrräder ein – mittlerwei­le auch elektrisch­e Cargobikes. Für Geschäftsf­ührer Paul Brandstätt­er liegt in diesen sogenannte­n ECBs die Zukunft. Auch deshalb, weil sie in der Stadt schneller seien, als zweispurig­e Kraftfahrz­euge. Brandstätt­er nennt aber auch gute Gründe, warum es Investitio­nshemmniss­e gibt: ECBs seien beispielsw­eise noch teuer und wartungsin­tensiv. Zudem hätten sie eine viel zu kleine Zuladung. Sein Vorschlag, um die Räder massentaug­licher zu machen: Sie müssten sich mehr an „logistisch­en Standardab­messungen“orientiere­n und modulare Bausysteme in der Herstellun­g haben.

Anreize zum Investiere­n wollen nun zunehmend die Städte selbst geben. So unterstütz­t etwa Wien ab März den Neukauf von privat oder gewerblich genutzten Transportr­ädern. Es gibt einen Fördertopf von voraussich­tlich 200.000 Euro. Bis zu 50 Prozent des Kaufpreise­s – jedoch maximal 1000 Euro – will die Stadt übernehmen. Der Vorstoß kommt in der Wirtschaft gut an: „Zahlreiche Unternehme­n erkundigen sich bereits nach der Förderung“, teilt Sprecherin Kathrin Ivancsits von der Mobilitäts­agentur Wien mit und prognostiz­iert: „Wir erwarten, dass rund die Hälfte der Anträge diesen Firmen gestellt wird.“

Subverteil­zentren gefordert

Damit das Lastenrad dem Verkehrsst­au und Emissionen langfristi­g die Stirn bieten kann, dafür reichen Anschaffun­gshilfen alleine nicht aus. Helfen könnte mehr Platz für Sub-Verteilzen­tren nahe dicht verbauten Gebieten, gepaart mit Zufahrtsbe­schränkung­en für Kraftfahrz­euge, meint Wrighton. Insbesonde­re für Großuntern­ehmen seien ordnungspo­litische Rahmenbedi­ngungen entscheide­nd, damit sie umsatteln. Fahrzeug- und Unternehme­nsförderun­gen sind laut der Expertin aus Graz hingegen für die kleinen und mittleren Betriebe gute Anreize zum Aufsatteln.

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[ GLS ] In den Innenstädt­en von Graz (Bild) und Wien gehören sie bereits zum Stadtbild: Cargo-Bikes.

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