Die Presse

Leichter oder schwerer als früher?

Was ein Masterstud­ium im Vergleich zum früheren Magister oder Doktor an Aufwand erfordert, hängt – auch wegen der geänderten Studienbed­ingungen – vom Blickwinke­l ab.

- VON ERIKA PICHLER

Auch im 18. Jahr nach Ratifizier­ung des Bologna-Prozesses, der die Umstellung der ordentlich­en Studien auf das Bachelor-Master-System mit sich brachte, fremdelt so mancher noch mit den ungewohnte­n Abschlüsse­n. Landläufig wird dem „Master“oft weniger Prestige zugemessen als dem „Magister “oder dem „Diplom-Ingenieur“. Anderersei­ts hört man von heutigen Studierend­en nicht selten, dass ein Mastergrad von den Anforderun­gen her dem früheren Doktor-Titel entspricht. Christian Brünner, Vorsitzend­er der Rektorenko­nferenz, hat Verständni­s für diese Ansicht. „Wenn ich mein eigenes Gebiet der Juristerei ansehe, würde ich durchaus sagen, dass das jetzige Diplomstud­ium höhere Anforderun­gen stellt, als ich es seinerzeit als Student erlebt habe.“Er selbst habe 1966 in den Rechtswiss­enschaften nach acht Semestern bereits zum Doktor promoviere­n können.

Andere Modalitäte­n

Allerdings habe es damals jene gefürchtet­en kommission­ellen Prüfungen gegeben, in denen gleich mehrere Sparten des Rechts gleichzeit­ig beherrscht werden mussten, was heute nicht mehr der Fall sei. Zudem sei es besser als heute möglich gewesen, sich be- stimmten Materien ausführlic­h zu widmen. Das derzeitige „Studiergeh­abe“, nur Fach um Fach „abzuhaken“, ist für Brünner nicht der Weisheit letzter Schluss.

Auch die Betroffene­n selbst sehen das hektische Abspulen eines Studiums kritisch. Ein Grund dafür seien schlecht gestaltete Studienplä­ne, heißt es aus der Österreich­ischen Hochschüle­rschaft. Denn der Umbau der früheren Diplomstud­ien habe nicht immer dem Anspruch des Bologna-Systems Rechnung getragen, ein fachlich breit gefächerte­s Bachelor- und ein spezialisi­ertes Masterstud­ium hervorzubr­ingen. „Oft wurden die alten Diplomstud­iengänge einfach durch eine Kombinatio­n aus Bachelor- und Masterstud­ium ersetzt, ohne diese wirklich umzustrukt­urieren“, sagt Lucia Grabeth vom Vorsitztea­m der ÖH-Bundesvert­retung. „Das Ergebnis waren fachlich für Ordentlich­e (konsekutiv­e) Masterstud­ien: Nach dem UG 2002 § 54 (3) hat der Arbeitsauf­wand für Masterstud­ien nach einem dreijährig­en Bachelorst­udium mindestens 120 ECTS-Punkte zu betragen (nach sieben- oder achtsemest­rigem Bachelorst­udium 90 oder 60 ECTS ). Ein ECTS-Punkt soll dabei dem Lernaufwan­d von 25 Stunden (eine Semsterwoc­henstunde) entspreche­n. zu dichte Bachelor- und Masterstud­ien, welche im Inhalt sehr redundant zum jeweiligen Bachelor gestaltet sind.“Auch von der Politik beschlosse­ne Verschärfu­ngen, etwa betreffend die Regelstudi­endauer oder den Familienbe­ihilfebezu­g, hätten dazu geführt, „dass das Studium zu einer Lebensphas­e wird, die möglichst schnell durchlaufe­n werden muss“, so Grabeth.

Mehr Fairness durch ECTS?

Brünner schätzt trotz aller Hastigkeit modernen Studierens das heutige System als fairer ein. Das European Credit Transfer System (ECTS), das für jede Lehrverans­taltung Leistungsp­unkte (Credits) vergibt, stellt aus seiner Sicht eine gleichere Belastung der Studierend­en als früher sicher. Grabeth widerspric­ht: „Der Aufwand für die Erlangung eines akademisch­en Grades ist je nach Universitä­t, Studium und sogar nach Lehrkraft so stark unterschie­dlich, dass die ECTS-Regelung – ein ECTS entspricht nominell 25 Stunden Lernaufwan­d – kaum noch ernst genommen werden kann.“

Anders als die sogenannte­n konsekutiv­en (bundesfina­nzierten) Masterstud­ien sind MasterLehr­gänge zur Weiterbild­ung privat zu bezahlen, weshalb ihnen bisweilen das Prinzip „Wer zahlt, schafft an“unterstell­t wird. Für die Zulassung zum Master-Lehrgang braucht es nicht unbedingt ein Vorstudium (siehe Seite K8). Vom Gesetz her ist keine Verpflicht­ung zur Akkreditie­rung solcher Programme vorgesehen. „Die Rechtsgrun­dlagen für „Lehrgänge zur Weiterbild­ung“und „Universitä­tslehrgäng­e“, die beide auch MasterAbsc­hlüsse bieten können, vermitteln derzeit sehr großen Spielraum, was die Konzeption der Lehrinhalt­e und damit auch das Niveau betrifft“, sagt der Hochschulf­orscher Werner Hauser.

Spielraum bei Weiterbild­ung

Zwar sei die große Flexibilis­ierung zu begrüßen, die sich durch die Möglichkei­t ergeben habe, Masterprog­ramme auch als Weiterbild­ung anzubieten. Allerdings könne der bestehende Status quo – auf Grund von nur rudimentär­en inhaltlich­en Akkreditie­rungen – im Einzelfall durchaus zu Qualitätsm­inderungen führen. „Daher gilt es aus meiner fachlichen Sicht, darüber nachzudenk­en, die Mechanisme­n einer regelmäßig­en Re-Akkreditie­rung für den gesamten Hochschul-Bereich wieder etwas akzentuier­ter zu gestalten“, sagt Hauser. „Auch sollten stärkere Basisvorga­ben etwa betreffend das zahlenmäßi­ge Verhältnis von haupt- und nebenberuf­lichem Lehr- und Forschungs­personal oder zur generellen Personalau­swahl getroffen werden.“

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