Leichter oder schwerer als früher?
Was ein Masterstudium im Vergleich zum früheren Magister oder Doktor an Aufwand erfordert, hängt – auch wegen der geänderten Studienbedingungen – vom Blickwinkel ab.
Auch im 18. Jahr nach Ratifizierung des Bologna-Prozesses, der die Umstellung der ordentlichen Studien auf das Bachelor-Master-System mit sich brachte, fremdelt so mancher noch mit den ungewohnten Abschlüssen. Landläufig wird dem „Master“oft weniger Prestige zugemessen als dem „Magister “oder dem „Diplom-Ingenieur“. Andererseits hört man von heutigen Studierenden nicht selten, dass ein Mastergrad von den Anforderungen her dem früheren Doktor-Titel entspricht. Christian Brünner, Vorsitzender der Rektorenkonferenz, hat Verständnis für diese Ansicht. „Wenn ich mein eigenes Gebiet der Juristerei ansehe, würde ich durchaus sagen, dass das jetzige Diplomstudium höhere Anforderungen stellt, als ich es seinerzeit als Student erlebt habe.“Er selbst habe 1966 in den Rechtswissenschaften nach acht Semestern bereits zum Doktor promovieren können.
Andere Modalitäten
Allerdings habe es damals jene gefürchteten kommissionellen Prüfungen gegeben, in denen gleich mehrere Sparten des Rechts gleichzeitig beherrscht werden mussten, was heute nicht mehr der Fall sei. Zudem sei es besser als heute möglich gewesen, sich be- stimmten Materien ausführlich zu widmen. Das derzeitige „Studiergehabe“, nur Fach um Fach „abzuhaken“, ist für Brünner nicht der Weisheit letzter Schluss.
Auch die Betroffenen selbst sehen das hektische Abspulen eines Studiums kritisch. Ein Grund dafür seien schlecht gestaltete Studienpläne, heißt es aus der Österreichischen Hochschülerschaft. Denn der Umbau der früheren Diplomstudien habe nicht immer dem Anspruch des Bologna-Systems Rechnung getragen, ein fachlich breit gefächertes Bachelor- und ein spezialisiertes Masterstudium hervorzubringen. „Oft wurden die alten Diplomstudiengänge einfach durch eine Kombination aus Bachelor- und Masterstudium ersetzt, ohne diese wirklich umzustrukturieren“, sagt Lucia Grabeth vom Vorsitzteam der ÖH-Bundesvertretung. „Das Ergebnis waren fachlich für Ordentliche (konsekutive) Masterstudien: Nach dem UG 2002 § 54 (3) hat der Arbeitsaufwand für Masterstudien nach einem dreijährigen Bachelorstudium mindestens 120 ECTS-Punkte zu betragen (nach sieben- oder achtsemestrigem Bachelorstudium 90 oder 60 ECTS ). Ein ECTS-Punkt soll dabei dem Lernaufwand von 25 Stunden (eine Semsterwochenstunde) entsprechen. zu dichte Bachelor- und Masterstudien, welche im Inhalt sehr redundant zum jeweiligen Bachelor gestaltet sind.“Auch von der Politik beschlossene Verschärfungen, etwa betreffend die Regelstudiendauer oder den Familienbeihilfebezug, hätten dazu geführt, „dass das Studium zu einer Lebensphase wird, die möglichst schnell durchlaufen werden muss“, so Grabeth.
Mehr Fairness durch ECTS?
Brünner schätzt trotz aller Hastigkeit modernen Studierens das heutige System als fairer ein. Das European Credit Transfer System (ECTS), das für jede Lehrveranstaltung Leistungspunkte (Credits) vergibt, stellt aus seiner Sicht eine gleichere Belastung der Studierenden als früher sicher. Grabeth widerspricht: „Der Aufwand für die Erlangung eines akademischen Grades ist je nach Universität, Studium und sogar nach Lehrkraft so stark unterschiedlich, dass die ECTS-Regelung – ein ECTS entspricht nominell 25 Stunden Lernaufwand – kaum noch ernst genommen werden kann.“
Anders als die sogenannten konsekutiven (bundesfinanzierten) Masterstudien sind MasterLehrgänge zur Weiterbildung privat zu bezahlen, weshalb ihnen bisweilen das Prinzip „Wer zahlt, schafft an“unterstellt wird. Für die Zulassung zum Master-Lehrgang braucht es nicht unbedingt ein Vorstudium (siehe Seite K8). Vom Gesetz her ist keine Verpflichtung zur Akkreditierung solcher Programme vorgesehen. „Die Rechtsgrundlagen für „Lehrgänge zur Weiterbildung“und „Universitätslehrgänge“, die beide auch MasterAbschlüsse bieten können, vermitteln derzeit sehr großen Spielraum, was die Konzeption der Lehrinhalte und damit auch das Niveau betrifft“, sagt der Hochschulforscher Werner Hauser.
Spielraum bei Weiterbildung
Zwar sei die große Flexibilisierung zu begrüßen, die sich durch die Möglichkeit ergeben habe, Masterprogramme auch als Weiterbildung anzubieten. Allerdings könne der bestehende Status quo – auf Grund von nur rudimentären inhaltlichen Akkreditierungen – im Einzelfall durchaus zu Qualitätsminderungen führen. „Daher gilt es aus meiner fachlichen Sicht, darüber nachzudenken, die Mechanismen einer regelmäßigen Re-Akkreditierung für den gesamten Hochschul-Bereich wieder etwas akzentuierter zu gestalten“, sagt Hauser. „Auch sollten stärkere Basisvorgaben etwa betreffend das zahlenmäßige Verhältnis von haupt- und nebenberuflichem Lehr- und Forschungspersonal oder zur generellen Personalauswahl getroffen werden.“