Wo Unis die Studenten glücklich machen
Wie erleben Österreicher den wissenschaftlichen Alltag im Ausland? Anita Auer ging als Masterstudentin nach England. Heute genießt sie es als Frau Professor in der Schweiz, an einer gut finanzierten Universität zu forschen.
Seit drei Jahren bin ich jetzt Professorin für Englische Linguistik an der Universität Lausanne und sehe starke Unterschiede zu den Ländern, in denen ich bisher war“, sagt Anita Auer. Die Oberösterreicherin zog während des Anglistikstudiums von Wien nach Manchester und begann in England zu forschen und zu lehren. 2005 ging sie als PostDoc in die Niederlande, wo ihre akademische Karriere bis zur vollen Professur weiterging.
„Der größte Unterschied zwischen England, den Niederlanden und der Schweiz ergibt sich aus dem, wie Universitäten finanziert werden“, sagt Auer. In Holland und England findet der Großteil der Finanzierung über Forschungsprojekte statt: Der Staat gibt Geld in nationale Fonds, die gezielt Projekte unterstützen. „Dadurch entsteht ein starker Wettbewerb zwischen den Forschern und ein enormer Druck auf die Institute.“Jeder versucht Drittmittel an Land zu ziehen, weil „money generates money“, die Institute profitieren von finanziell erfolgreichen Forschern: Denn die bringen nicht nur Geld, sondern auch Doktoranden mit.
„In Holland erhält die Universität vom Staat zigtausend Euro für jeden Doktoranden, der dort abschließt“, sagt Auer. In ihrem Vertrag an der Universität Utrecht war festgehalten, dass sie sich um große Forschungsförderungen bewerben muss. „In der Schweiz ist das ganz anders, weil die Finanzierung vom Kanton kommt“, sagt Auer.
Außer der ETH Zürich und der EPFL in Lausanne, die staatlich sind, werden alle Universitäten vom jeweiligen Kanton budgetiert. „Hier ist der Druck, Drittmittel einzuwerben, momentan nicht so groß. Wir können aus den Geldern der Uni Konferenzen organisieren und Studienreisen veranstalten.“Freilich kann man auch aus dem nationalen SNF Fonds Projektgelder erhalten – muss man aber nicht, um sein Ansehen zu stärken.
„In England und Holland werden die Forscher zum Superstar, die viele Gelder wie z. B. einen ERC Grant erhalten: Um diese Leute reißen sich die Universitäten.“In der Schweiz weiß man oft nicht einmal, welche Kollegen mit einem ERC Grant des europäischen Forschungsrates, der mehrere Millionen Euro bringt, ausgezeichnet wurden. „Hier wird das nicht unbedingt an die große Glocke gehängt.“Und in der Schweiz gibt es noch strukturelle Doktorandenstellen: „Wenn ein Doktorand abschließt, kommt gleich ein neuer nach, den man ausbilden kann. Das kannte ich nicht: In England und Holland musste man Doktoranden von außen finanzieren.“
Aus der Lehre herauskaufen
Der Druck, Drittmittel einzutreiben, hat in den Ländern aber dazu geführt, dass Forschung und Lehre voneinander abrücken. „Obwohl es doch das Besondere einer Uni- versität ist, dass Lehre und Forschung voneinander profitieren“, betont Auer. In England und Holland entwickeln sich fast Paralleluniversen zwischen den Forschern, die viel Geld einholen und nur Forschung betreiben und den Restlichen, die sich ganz auf die Lehre fokussieren. „In den Niederlanden kann man sich sogar aus dem Unterricht herauskaufen, wenn man genug Drittmittel hat“, so Auer. In der Schweiz sind Lehre
(41) stammt aus Hartkirchen, Oberösterreich, und studierte Anglistik an der Uni Wien. Seit 1999 lebt sie im Ausland: zuerst in Manchester, England, dann in den Niederlanden, wo sie an der Universität Leiden und der Universität Utrecht lehrte und forschte.
lebt Auer mit ihrer Familie in Lausanne in der Schweiz, wo sie als Professorin für Englische Linguistik Vorlesungen hält und über die Entwicklung der englischen und anderer westgermanischen Sprachen forscht. und Forschung enger verbunden, da man die Projekte zusätzlich zu den fixen Wochenstunden der Lehre macht. Auers Vorlesungen in Lausanne heißen etwa „Language and Identity“oder „Language and Migration“.
Schweizer Dialekte im Ausland
Ihr aktuelles Projekt untersucht, wie sich Schweizer Dialekte und Sprachen entwickeln, wenn man auswandert. „Heute reden alle von der Schweiz als Einwanderungsland. Doch vor allem Mitte des 19. Jahrhunderts ging es den Schweizern nicht so gut, und viele wanderten aus“, beschreibt Auer. Sie und ihre Kollegen fragen, wie die Nachkommen der Migranten in Nordamerika heute Schweizer Dialekte sprechen und wie das auf ihre Identität wirkt. „Das Projekt passt gut zu mir: Ich bin stolze Österreicherin, die Dialekt spricht, aber im Ausland lebt“, sagt sie im breiten Oberösterreichisch.
Ihr fiel auch auf, dass die Studenten in den verschiedenen Ländern ganz anders an das Studium herangehen. „In England zahlt man 9000 Pfund pro Jahr an Studiengebühren. Daher entwickelt sich ein gewisses Elitedenken.“Es studiert nur, wer es sich leisten kann oder wem es egal ist, Schulden zu machen. „Weil so viel gezahlt wird, sieht man das Studium als Dienstleistung an. Als Dozent hast du das Gefühl, du musst einen tollen Unterricht, fast ein Unterhaltungsprogramm, abliefern.“
Sonst beschweren sich die Studenten – und ihre Meinung hat bei den regelmäßigen Evaluierungen einen hohen Wert für die Uni. Die University of Manchester baute kürzlich ein Gebäude nur für das Wohl der Studenten: mit Sofas zum Entspannen, ruhigen Ecken zum Skypen und Räumen für Gemeinschaftsarbeiten. „Die Unis bieten ein gutes Ambiente, weil die Studenten dann motivierter sind und schneller das Studium abschließen“, so Auer.
In der Schweiz würde sich niemand den Kopf zerbrechen, wie man Studenten privat glücklicher macht, nur damit sie schneller studieren. Hier gibt es sehr niedrige Studiengebühren, jeder kann zur Uni – ähnlich wie in Österreich.
„Trotzdem sind die Studenten hier sehr motiviert, denn es kommen nur die an die Uni, die gezielt diese Ausbildungsart wählen“, sagt Auer. Das liegt wohl daran, dass in der Schweiz auch handwerkliche oder kaufmännische Lehren hoch angesehen sind. „Hier gehen Leute nicht in die Berufsschule, weil höhere Schulen eventuell eine Herausforderung sind, sondern weil sie etwas besonders gut können und sie eine Lehre zu einem wertvollen Beruf führt.“