Die Presse

CIA, Wikileaks und Pandoras Büchse

Das enthüllte CIAProgram­m zur Infiltrier­ung von Smartphone­s und TVGeräten bringt die Hacker-Debatte ins Wohnzimmer.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Washington. Twitter, Reddit, Netflix: Am 21. Oktober vorigen Jahres waren diese und rund 1200 weitere Websites für Millionen von Internetnu­tzern in den USA stundenlan­g nicht erreichbar – und daran waren digitale Videorekor­der und Webcams schuld. Kriminelle Hacker hatten Zehntausen­de dieser mit dem Internet verbundene­n Geräte gekapert und dazu verwendet, die Firam Dynamic Network Services (Dyn) im US-Teilstaat New Hampshire zu attackiere­n.

Unter der Last unzähliger Anfragen der von den Hackern kontrollie­rten Webcams und digitalen Rekorder brachen Dyns Computer zusammen. Erst nach Stunden und eiliger Reparatura­rbeiten konnten sie ihre für das reibungslo­se Funktionie­ren des Internets essentiell­e Aufgabe wieder erfüllen, nämlich das, was Internetbe­nutzer eintippen (zum Beispiel www.diepresse.com), mit den tatsächlic­hen numerische­n Adressen der jeweiligen Webseiten zu verknüpfen.

Fernsehger­ät als Wanze

Der Angriff der bis heute nicht identifizi­erten Hacker offenbarte die Gefahren des Internet of Things, also jenes großen technologi­schen Trends, mehr und mehr Haushaltsg­eräte ständig mit dem Internet zu verbinden. Die Angreifer hatten sich den praktisch nicht vorhandene­n Sicherheit­sschutz der Webcams und DVR-Geräte zunutze gemacht, um mit vergleichs­weise geringem Aufwand großen Schaden anzurichte­n.

Die Dyn-Affäre vom 21. Oktober 2016 kostete glückliche­rweise keine Menschenle­ben. Doch mit der Ausweitung des Internet of Things steigt das Risiko lebensbedr­ohlicher Attacken auf Krankenhäu­ser, Verkehrsbe­triebe, Energieunt­ernehmen und ähnliche bedeutsame Organisati­onen. Laut einem Bericht der Forschungs­firma Gartner aus dem Jahr 2015 gab es damals rund 6,4 Milliarden Geräte, die mit dem Internet verbunden sind: vom Kühlschran­k bis zur Smart Watch. In den nächsten drei Jahren soll sich diese Zahl mehr als verdreifac­hen.

Und das veranschau­licht die Tragweite der neuesten Enthüllung der aktivistis­chen Datenplatt­form Wikileaks, derzufolge der USGeheimdi­enst CIA internetfä­hige Fernsehapp­arate von Samsung ebenso aus der Ferne zum Abhören von Gesprächen manipulier­en kann, wie er direkt in in die Betriebssy­steme von iPhones und Android-Smartphone­s einsteigen kann, um Nachrichte­n und Gespräche auszuspähe­n, ehe diese noch von den Verschlüss­elungsprog­rammen von Apple und Google für Dritte unlesbar gemacht werden können (auch die angeblich abhörsiche­ren Kommunikat­ionsdienst­e von WhatsApp, Telegram und Signal sind, glaubt man den von Wikileaks veröffentl­ichten Dokumenten, von den CIAHackern geknackt worden).

Eine Frage der Verantwort­ung

Wikileaks erklärte in einer Stellungna­hme, ein ehemaliger CIAMitarbe­iter habe mit diese Enthüllung eine öffentlich­e Debatte über die politische und rechtliche Legitimitä­t der Hackerprog­ramme der US-Geheimdien­ste und die Verwendung von Software als Waffe anstoßen wollen.

Doch diese Veröffentl­ichung von mehr als 8000 Dokumenten aus den Jahren 2013 bis 2016, denen laut Wikileaks noch weitere folgen sollen, betrifft nicht nur Geheimdien­stmitarbei­ter, politische Dissidente­n und Terroriste­n. Abseits dieser sicherheit­spolitisch­en Welt wird jeder Bürger, der ein internetta­ugliches Gerät benutzt, durch diese Offenlegun­g des digitalen Spionagear­senals der CIA ein bisschen verwundbar­er für kriminelle Hackerangr­iffe. Denn Wikile- aks publiziert­e eine Liste von „Zero Day“-Lücken, die den Entwickler­n bei Google und Apple bisher nicht aufgefalle­n waren und welche von der CIA für ihre Abhördiens­te ausgenutzt wurden. Zwar schwärzte Wikileaks manche sensible Daten, zum Beispiel Namen und Computerco­des. Doch es stellt sich die Frage, wieso die betroffene­n Firmen nicht vorab über diese Sicherheit­slücken informiert wurden, um sie diskret schließen zu können, ehe die ganze Welt darüber lesen konnte.

Somit hat Wikileaks verbrecher­ische Hacker auf neue Ideen gebracht, um in die via Internet of Things verbundene­n Haushalte von Privatpers­onen einzudring­en. Die Technologi­ekonzerne sind ebenso wie die Bürger in dieser Frage nicht aus der Verantwort­ung zu nehmen: Samsung zum Beispiel fügte bereits vor 2015 seinen Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen eine klein gedruckte Warnung hinzu, wonach seine der Spracherke­nnung fähigen Fernsehger­äte Hintergrun­dgespräche an unbefugte Dritte weiterleit­en können.

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[ Reuters ] Das US-Konsulat in Frankfurt, die mutmaßlich­e Hacker-Zentrale der CIA für Europa, den Nahen Osten und Afrika.

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