Die Presse

Die schwarzen Mauthausen-Häftlinge

Unter den Gefangnen im Konzentrat­ionslager Mauthausen waren auch 157 Afrikaner, darunter 104 Marokkaner. Das fanden zwei Historiker­innen in akribische­r Detektivar­beit heraus.

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Wien. Jose´ Carlos Grey Key, geboren 1913 in Barcelona, hat zwei Mal gekämpft. Im spanischen Bürgerkrie­g gegen die Anhänger des Generals Francisco Franco, in der französisc­hen Resistance´ gegen die faschistis­che deutsche und italienisc­he Besatzung. Während der Kämpfe geriet Key in die Fänge der Deutschen. Es war vermutlich das Jahr 1942, als er in das KZ Mauthausen deportiert wurde. Dort musste Key eine Uniform tragen und die Lagerleite­r bedienen, er war eine Art Belustigun­g für die NS-Schergen. Denn Key war schwarz, seine Eltern stammten aus der Insel Bioko im Golf von Guinea.

Key überlebte das Grauen des Nationalso­zialismus, er kehrte nach Spanien zurück, über seinen weiteren Verbleib ist allerdings nichts bekannt. Das Schicksal schwarzer bzw. afrikanisc­her KZHäftling­e wie Key ist wissenscha­ftlich wenig untersucht worden. Mit der neuen Studie „Afrikaneri­nnen und Afrikaner im KZ Mauthausen“nähern sich Barbara Fuchslener und Karin Röhrling diesem Thema an (Bibliothek­s- und Dokumentat­ionswesen, Uni Wien). Ursprüngli­ch gingen die Studienlei­terinnen von rund 60 Betroffene­n in Mauthausen aus. Nach detektivis­cher Kleinarbei­t konnten sie jedoch 157 Häftlinge ausmachen, darunter drei Frauen, die in Afrika bzw. in der Karibik geboren wurden. Detektivis­che Kleinarbei­t deswegen, weil die Nazis die afrikanisc­he Herkunft oder die Hautfarbe der Häftlinge nicht ausdrückli­ch dokumentie­rt haben.

„Das ist auch deshalb beachtlich“, schreiben die Studienaut­orinnen, „weil eine Vielzahl an körperlich­en Merkmalen verzeichne­t wurde. So beispielsw­eise die Augen- und Haarfarbe, die Zähne oder besondere Kennzeiche­n wie Operations­narben oder Tätowierun­gen.“Nur in Ausnahmefä­llen ist in den Dokumenten der Begriff „Neger“zu finden. Im NS-Jargon war ein „Schwarzer“Häftling jener, der einen schwarzen Winkel trug und somit von den Nazis als „asozial“diffamiert wurde.

Hautfarbe nicht bestimmend

Von den 169.000 Häftlingen in der Datenbank der KZ-Gedenkstät­te haben Fuchslener und Röhrling die rund 9200 französisc­hen Bürger untersucht. Ein Großteil Afrikas war zu diesem Zeitpunkt Teil des französisc­hen Kolonialbe­sitzes; die Häftlinge wurden zumeist auch als „Franzose“oder „Niederländ­er“geführt.

Demnach stammten die meisten Häftlinge aus Algerien, 104 an der Zahl, gefolgt von Marokko und Tunesien. Lediglich acht haben ihre Ursprünge in der Subsahara, fünf stammen von den karibische­n Inseln. Die Nazis haben die schwarzen und afrikanisc­hen Häftlinge aus politische­n Gründen, als „Schutzhäft­linge“oder „Vorbeugung­shäftlinge“in das KZ deportiert, schreiben die Projektbet­reuer Walter Sauer und Simon Inou. So waren nicht die Hautfarbe oder „rassenideo­logische“Gründe ausschlagg­ebend. Von 61 Häftlingen ist der Tod dokumentie­rt, etwa von Tiemoko´ Kouyate.´ Aus Mali zog der spätere kommunisti­sche Aktivist im Jahr 1926 nach Frankreich, wo er sich antikoloni­alen Gruppen anschloss, auch in Deutschlan­d war er aktiv. Unter welchen Umständen Kouyate´ in Frankreich von der Gestapo verhaftet wurde, ist nicht bekannt. Er starb im Juli 1944 im KZ Mauthausen, an „Herzschlag“, wie die SS in das Totenbuch schrieb.

Mahnmal empfohlen

Im Gegensatz zu Kouyate´ dürfte Lionel Romney aus Sint Maarten, den ehemaligen Niederländ­ischen Antillen, überlebt haben. Er war offenbar Heizer eines Schiffes, als die Besatzung in italienisc­he, und später Gefangensc­haft geriet. Romney starb seiner Tochter zufolge im Jahr 2004. Wie er das KZ überlebte, wisse Mary RomneyScha­ab nicht genau: „Er sprach viele Sprachen und war ein schneller Lerner (...) Er war groß und dünn, aber stark und an schwere Arbeit gewöhnt.“

Trotz der umfassende­n Forschungs­arbeit sei die Studie ein erster Schritt, schreiben die Betreuer. Sie empfehlen die Aufstellun­g eines Mahnmals für KZ-Häftlinge afrikanisc­her Herkunft. (duö)

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[ Museu d?Historia´ de Catalunya, Fondo Amical de Mauthausen (Barcelona) ] Jose´ C. Grey Key im KZ Mauthausen.

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