Der Hauptbahnhof, (k)ein Shoppingcenter
Ist das Einkaufszentrum am Hauptbahnhof eine Fehlplanung? Es gebe Probleme, aber noch sei auch das Viertel nicht fertig, heißt es von ÖBB, Stadt und ECE.
Wien. Geschäfte sterben, das Einkaufszentrum am Bahnhof sei zu groß, von „Pächtergrab“und „Knebelverträgen“war die Rede, mehrere Gerichtsverfahren um ausstehende Pacht sind anhängig. Man habe zu viel versprochen, klagen Händler. Das Einkaufszentrum (EKZ) am Hauptbahnhof, eine Fehlplanung? Das beschäftigt bald selbst die Regierung. ÖVP-Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger hat jüngst eine Anfrage an SPÖ-Verkehrsminister Jörg Leichtfried gestellt. „Die Pacht ist hoch, liegt teils bei mehr als 100 Euro pro m2, das ist Innenstadtniveau, einige schaffen das nicht. Jetzt muss man reagieren, bevor das eine Gasometer-Geschichte wird“, sagt Ottenschläger (dort ist ein Einkaufszentrum de facto gescheitert). Er will nun wissen, wie die ÖBB gegensteuern.
Die ÖBB kommen der Anfragebeantwortung durch ihren Minister zuvor – und stellen Pläne vor, um strauchelnde Händler zu unterstützen. Aber so drastisch, wie in Medien dargestellt, sei es ohnehin nicht. „Wir haben 90 Geschäfte und 85 Pächter. Bei den meisten läuft es sehr gut, aber es gibt bei Einzel- nen Probleme“, sagt Franz Hammerschmid von der ÖBB-Infrastrukturabteilung. Konkret gibt es in sechs Fällen gerichtliche Auseinandersetzungen mit Pächtern. Zwei davon hätten nie Pacht bezahlt, drei wollen aus Verträgen aussteigen, Vergleichsverhandlungen laufen. Dass Pächter wechseln, sei bei Einkaufszentren normal, sagt Christoph Augustin von der EKZ-Betreibergesellschaft ECE. Gerade am Anfang, er spricht von einer Einführungszeit von drei bis fünf Jahren. Nach „echten Problemen“nach der Eröffnung 2014 seien die Umsätze auch gewachsen. 2016 in Summe um 30 Prozent (wenn auch von einem geringen Niveau aus). Sprünge brachten die Eröffnung des Erste Campus (dort arbeiten nun 4500 Menschen) oder der Fahrplanwechsel 2015, seit dem der Fernverkehr den Hauptbahnhof ansteuert. Zum Vergleich: Bei der Eröffnung passierten diesen täglich 70.000 Menschen, aktuell sind es 120.000 (80.000 davon auch die Einkaufszonen), in fünf bis zehn Jahren sollen es 150.000 Menschen sein. Denn noch ist das Stadtentwicklungsgebiet ringsum im Ausbau.
Das Sonnwendviertel ist derzeit zur Hälfte besiedelt, Ziel sind 5000 Wohnungen, sagt Christoph Hrncir von der MA 21 für Stadtentwicklung. Mit dem Icon Vienna der Signa entsteht ein weiterer Bürokomplex. In Summe – bis etwa 2020 – soll das Viertel Zuhause für 12.000 bis 15.000 Menschen und Arbeitsplatz für 20.000 Menschen sein.
Kaum Bedeutung als Nahversorger
Dann steigt vielleicht die Bedeutung als Nahversorger: Am Westbahnhof – das Einkaufen dort funktioniere laut ECE „sehr, sehr gut“– kaufen zu 50 Prozent Anrainer. Der Hauptbahnhof dagegen ist von Wohnvierteln im Vierten durch die Schneise Gürtel getrennt. Unter Shoppingkunden sind bisher nur 30 Prozent Anrainer. Die Probleme liegen auch daran, dass der Hauptbahnhof nun einmal in erster Linie Bahnhof ist. Das bringt Interessenkonflikte: EKZ werden mit langen Wegen geplant, an Bahnhöfen sind Wege idealerweise kurz. Strengere Brandschutzbestimmungen verhindern Veranstaltungen, Klimatisierung sei (angesichts des zu den Bahnsteigen hin offenen Gebäudes) schwierig. Von Manner heißt es, der Shop laufe zwar gut, im Som- mer sei es aber mitunter so heiß, dass Schokolade bald schmilzt. Auch Staub bereite Probleme, die Klimaanlage müsse alle paar Wochen gewartet werden. Die Tür zu schließen sei keine Option, da sinke sofort der Umsatz.
ÖBB und ECE wollen nun handeln: Im Untergeschoß – dort sind die Probleme am größten – gibt es nun Sitzgelegenheiten, bald kommen lebende Bäume. Ein neuer Wasserfall und Veranstaltungen (eine Brandschutzlösung ist in Arbeit) wie ein Ostermarkt sollen mehr Anrainer locken, dazu sind auch zusätzliche Durchbrüche (etwa zum IconBau) geplant. Auch Pachtnachlässe sind in Verhandlung: Schon 2015 wurde für 65 Pächter die Pacht für ein Jahr reduziert, 2016 waren es 45, heuer sollen es rund 20 Pächter sein. Mit einigen, für die der Standort nicht funktioniert, wurden Verträge gelöst: Radatz ist einem Asia-Imbiss gewichen, statt dem Eissalon kommt demnächst Leberkas-Pepi, statt Tauber-Brötchen eine Automaten-Ecke.