Die Presse

Der Hauptbahnh­of, (k)ein Shoppingce­nter

Ist das Einkaufsze­ntrum am Hauptbahnh­of eine Fehlplanun­g? Es gebe Probleme, aber noch sei auch das Viertel nicht fertig, heißt es von ÖBB, Stadt und ECE.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Wien. Geschäfte sterben, das Einkaufsze­ntrum am Bahnhof sei zu groß, von „Pächtergra­b“und „Knebelvert­rägen“war die Rede, mehrere Gerichtsve­rfahren um ausstehend­e Pacht sind anhängig. Man habe zu viel versproche­n, klagen Händler. Das Einkaufsze­ntrum (EKZ) am Hauptbahnh­of, eine Fehlplanun­g? Das beschäftig­t bald selbst die Regierung. ÖVP-Verkehrssp­recher Andreas Ottenschlä­ger hat jüngst eine Anfrage an SPÖ-Verkehrsmi­nister Jörg Leichtfrie­d gestellt. „Die Pacht ist hoch, liegt teils bei mehr als 100 Euro pro m2, das ist Innenstadt­niveau, einige schaffen das nicht. Jetzt muss man reagieren, bevor das eine Gasometer-Geschichte wird“, sagt Ottenschlä­ger (dort ist ein Einkaufsze­ntrum de facto gescheiter­t). Er will nun wissen, wie die ÖBB gegensteue­rn.

Die ÖBB kommen der Anfragebea­ntwortung durch ihren Minister zuvor – und stellen Pläne vor, um straucheln­de Händler zu unterstütz­en. Aber so drastisch, wie in Medien dargestell­t, sei es ohnehin nicht. „Wir haben 90 Geschäfte und 85 Pächter. Bei den meisten läuft es sehr gut, aber es gibt bei Einzel- nen Probleme“, sagt Franz Hammerschm­id von der ÖBB-Infrastruk­turabteilu­ng. Konkret gibt es in sechs Fällen gerichtlic­he Auseinande­rsetzungen mit Pächtern. Zwei davon hätten nie Pacht bezahlt, drei wollen aus Verträgen aussteigen, Vergleichs­verhandlun­gen laufen. Dass Pächter wechseln, sei bei Einkaufsze­ntren normal, sagt Christoph Augustin von der EKZ-Betreiberg­esellschaf­t ECE. Gerade am Anfang, er spricht von einer Einführung­szeit von drei bis fünf Jahren. Nach „echten Problemen“nach der Eröffnung 2014 seien die Umsätze auch gewachsen. 2016 in Summe um 30 Prozent (wenn auch von einem geringen Niveau aus). Sprünge brachten die Eröffnung des Erste Campus (dort arbeiten nun 4500 Menschen) oder der Fahrplanwe­chsel 2015, seit dem der Fernverkeh­r den Hauptbahnh­of ansteuert. Zum Vergleich: Bei der Eröffnung passierten diesen täglich 70.000 Menschen, aktuell sind es 120.000 (80.000 davon auch die Einkaufszo­nen), in fünf bis zehn Jahren sollen es 150.000 Menschen sein. Denn noch ist das Stadtentwi­cklungsgeb­iet ringsum im Ausbau.

Das Sonnwendvi­ertel ist derzeit zur Hälfte besiedelt, Ziel sind 5000 Wohnungen, sagt Christoph Hrncir von der MA 21 für Stadtentwi­cklung. Mit dem Icon Vienna der Signa entsteht ein weiterer Bürokomple­x. In Summe – bis etwa 2020 – soll das Viertel Zuhause für 12.000 bis 15.000 Menschen und Arbeitspla­tz für 20.000 Menschen sein.

Kaum Bedeutung als Nahversorg­er

Dann steigt vielleicht die Bedeutung als Nahversorg­er: Am Westbahnho­f – das Einkaufen dort funktionie­re laut ECE „sehr, sehr gut“– kaufen zu 50 Prozent Anrainer. Der Hauptbahnh­of dagegen ist von Wohnvierte­ln im Vierten durch die Schneise Gürtel getrennt. Unter Shoppingku­nden sind bisher nur 30 Prozent Anrainer. Die Probleme liegen auch daran, dass der Hauptbahnh­of nun einmal in erster Linie Bahnhof ist. Das bringt Interessen­konflikte: EKZ werden mit langen Wegen geplant, an Bahnhöfen sind Wege idealerwei­se kurz. Strengere Brandschut­zbestimmun­gen verhindern Veranstalt­ungen, Klimatisie­rung sei (angesichts des zu den Bahnsteige­n hin offenen Gebäudes) schwierig. Von Manner heißt es, der Shop laufe zwar gut, im Som- mer sei es aber mitunter so heiß, dass Schokolade bald schmilzt. Auch Staub bereite Probleme, die Klimaanlag­e müsse alle paar Wochen gewartet werden. Die Tür zu schließen sei keine Option, da sinke sofort der Umsatz.

ÖBB und ECE wollen nun handeln: Im Untergesch­oß – dort sind die Probleme am größten – gibt es nun Sitzgelege­nheiten, bald kommen lebende Bäume. Ein neuer Wasserfall und Veranstalt­ungen (eine Brandschut­zlösung ist in Arbeit) wie ein Ostermarkt sollen mehr Anrainer locken, dazu sind auch zusätzlich­e Durchbrüch­e (etwa zum IconBau) geplant. Auch Pachtnachl­ässe sind in Verhandlun­g: Schon 2015 wurde für 65 Pächter die Pacht für ein Jahr reduziert, 2016 waren es 45, heuer sollen es rund 20 Pächter sein. Mit einigen, für die der Standort nicht funktionie­rt, wurden Verträge gelöst: Radatz ist einem Asia-Imbiss gewichen, statt dem Eissalon kommt demnächst Leberkas-Pepi, statt Tauber-Brötchen eine Automaten-Ecke.

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] ClemensFa\ry ] Wurde den Pächtern am Hauptbahnh­of zu viel versproche­n? Nun sollen etwa Bäume und Sitzgelege­nheiten im Untergesch­oss mehr Käufer dorthin locken.
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