Ausländer ohne Versammlungsrecht
Laut dem Juristen Heinz Mayer könnten Reden türkischer Politiker untersagt werden. Aber nicht so, wie Sobotka es plant.
Wien. Die Frage, ob und wie man türkischen Politikern Wahlkampfreden in Österreich verbieten kann, sorgt weiterhin für Debatten. War der jüngste Gesetzesvorschlag von Innenminister Wolfgang Sobotka von mehreren Verfassungsjuristen noch skeptisch beäugt worden, sieht der Experte Heinz Mayer sehr wohl einen Weg, Drittstaatsangehörigen das Versammlungsrecht zu verbieten. Und zwar ohne rechtliche Schwierigkeiten, wie der frühere Jus-Dekan an der Universität Wien der „Presse“schildert.
Mayer verweist auf Artikel 16 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), die in Österreich im Verfassungsrang steht. Laut diesem Artikel dürfen bestimmte in der EMRK verbriefte Rechte (darunter das Versammlungsrecht) nicht so ausgelegt werden, dass die Staaten daran gehindert sind, „ die politische Tätigkeit von Ausländern Beschränkungen zu unterwerfen“. Daraus schließt Mayer, dass das Versammlungsrecht laut der EMRK nur Österreichern und Bürgern anderer EUStaaten (sie müssen gleich behan- delt werden) zusteht. Drittstaatsangehörigen hingegen könnte das Versammlungsrecht per einfachem Gesetz untersagt werden, meint Mayer. Von diesem Recht habe der österreichische Gesetzgeber aber bisher nicht Gebrauch gemacht.
Außenpolitische Gründe
Wobei Mayer davon abrät, per Gesetz Ausländern ganz das Versammlungsrecht zu entziehen. Das, so meint der Jurist, würden die Straßburger Richter, die über die EMRK wachen, dann vermutlich doch nicht durchgehen lassen. Aber ein Gesetz, dem zufolge der Innenminister oder eine andere Behörde Versammlungen von Ausländern untersagen kann, weil außenpolitische Gründe dafür sprechen, wäre laut Mayer wasserdicht.
Nichts hält der Jurist hingegen von Sobotkas Plan, wonach die Regierung eine Veranstaltung dann untersagen kann, „wenn dies dem Schutz der in der EMRK liegenden Menschen- und Grundrechte dient“. „Das ist wirr“, meint Mayer, zumal schwer fassbar sei, wer unter dieses Verbot fallen soll. Und nur weil jemand in seiner Rede von Zielen der EMRK abweiche, dürfe man die Veranstaltung auch noch nicht untersagen. Dafür bräuchte man schon handfeste Gründe, eben etwa außenpolitische Erwägungen, betont Mayer.
Sobotka hatte seinen Vorschlag am Dienstag präsentiert und dabei erklärt, er wolle seine Vorschläge zur Änderung des Versammlungsgesetzes nun Experten zukommen lassen. Anlass sind angekündigte Wahlkampfauftritte des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan˘ und seinen Ministern in Deutschland. Für Österreich wurden bisher noch keine Auftrittstermine angekündigt. Am 16. April findet in der Türkei ein Referendum über die Ausweitung der Machtbefugnisse Erdogans˘ statt. Im Ausland lebende Türken sind dabei stimmberechtigt.