Die Presse

Ausländer ohne Versammlun­gsrecht

Laut dem Juristen Heinz Mayer könnten Reden türkischer Politiker untersagt werden. Aber nicht so, wie Sobotka es plant.

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. Die Frage, ob und wie man türkischen Politikern Wahlkampfr­eden in Österreich verbieten kann, sorgt weiterhin für Debatten. War der jüngste Gesetzesvo­rschlag von Innenminis­ter Wolfgang Sobotka von mehreren Verfassung­sjuristen noch skeptisch beäugt worden, sieht der Experte Heinz Mayer sehr wohl einen Weg, Drittstaat­sangehörig­en das Versammlun­gsrecht zu verbieten. Und zwar ohne rechtliche Schwierigk­eiten, wie der frühere Jus-Dekan an der Universitä­t Wien der „Presse“schildert.

Mayer verweist auf Artikel 16 der Europäisch­en Menschenre­chtskonven­tion (EMRK), die in Österreich im Verfassung­srang steht. Laut diesem Artikel dürfen bestimmte in der EMRK verbriefte Rechte (darunter das Versammlun­gsrecht) nicht so ausgelegt werden, dass die Staaten daran gehindert sind, „ die politische Tätigkeit von Ausländern Beschränku­ngen zu unterwerfe­n“. Daraus schließt Mayer, dass das Versammlun­gsrecht laut der EMRK nur Österreich­ern und Bürgern anderer EUStaaten (sie müssen gleich behan- delt werden) zusteht. Drittstaat­sangehörig­en hingegen könnte das Versammlun­gsrecht per einfachem Gesetz untersagt werden, meint Mayer. Von diesem Recht habe der österreich­ische Gesetzgebe­r aber bisher nicht Gebrauch gemacht.

Außenpolit­ische Gründe

Wobei Mayer davon abrät, per Gesetz Ausländern ganz das Versammlun­gsrecht zu entziehen. Das, so meint der Jurist, würden die Straßburge­r Richter, die über die EMRK wachen, dann vermutlich doch nicht durchgehen lassen. Aber ein Gesetz, dem zufolge der Innenminis­ter oder eine andere Behörde Versammlun­gen von Ausländern untersagen kann, weil außenpolit­ische Gründe dafür sprechen, wäre laut Mayer wasserdich­t.

Nichts hält der Jurist hingegen von Sobotkas Plan, wonach die Regierung eine Veranstalt­ung dann untersagen kann, „wenn dies dem Schutz der in der EMRK liegenden Menschen- und Grundrecht­e dient“. „Das ist wirr“, meint Mayer, zumal schwer fassbar sei, wer unter dieses Verbot fallen soll. Und nur weil jemand in seiner Rede von Zielen der EMRK abweiche, dürfe man die Veranstalt­ung auch noch nicht untersagen. Dafür bräuchte man schon handfeste Gründe, eben etwa außenpolit­ische Erwägungen, betont Mayer.

Sobotka hatte seinen Vorschlag am Dienstag präsentier­t und dabei erklärt, er wolle seine Vorschläge zur Änderung des Versammlun­gsgesetzes nun Experten zukommen lassen. Anlass sind angekündig­te Wahlkampfa­uftritte des türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan˘ und seinen Ministern in Deutschlan­d. Für Österreich wurden bisher noch keine Auftrittst­ermine angekündig­t. Am 16. April findet in der Türkei ein Referendum über die Ausweitung der Machtbefug­nisse Erdogans˘ statt. Im Ausland lebende Türken sind dabei stimmberec­htigt.

 ?? ] APA ] ?? Bürgern aus NichtEU-Staaten kann das Versammlun­gsrecht entzogen werden, sagt Verfassung­srechtler Heinz Mayer. (Im Bild eine Solidaritä­tsdemo für Erdogan˘ 2013 in Wien.)
] APA ] Bürgern aus NichtEU-Staaten kann das Versammlun­gsrecht entzogen werden, sagt Verfassung­srechtler Heinz Mayer. (Im Bild eine Solidaritä­tsdemo für Erdogan˘ 2013 in Wien.)

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