Die Presse

Staat greift Verbund unter die Arme

Die Republik fordert weniger Gewinnante­il von „ihrem“Stromkonze­rn. Mit einem neuen Gesetz will die Regierung sogar das steirische Problemkra­ftwerk Mellach wieder flottmache­n.

- VON MATTHIAS AUER

Wien. Mehr als eine halbe Milliarde Euro hat sich der österreich­ische Verbundkon­zern sein Gaskraftwe­rk im steirische­n Mellach vor wenigen Jahren kosten lassen. In den Büchern ist davon so gut wie nichts übrig, denn das Kraftwerk ist nur in Ausnahmefä­llen in Betrieb. Bei Strompreis­en rund um 30 Euro je Megawattst­unde rechnet sich der Dauerbetri­eb schlichtwe­g nicht. Seit Herbst 2015 sucht Konzernche­f Wolfgang Anzengrube­r daher nach einer Lösung für sein steirische­s Millioneng­rab – und hadert damit. Soll er das nagelneue Kraftwerk wirklich einmotten, verkaufen oder gar in Einzelteil­en verwerten?

In den kommenden Tagen wird es endlich eine finale Entscheidu­ng geben, versprach der Manager am Mittwoch. Und die Chancen, dass der Verbund mit einem blauen Auge davonkomme­n könnte, stehen besser als zuletzt gedacht. Zu verdanken hat das der Konzern (auch) seinem Eigentümer – dem Staat.

Lohnt sich das lange Warten?

„Es hat sich zuletzt doch einiges getan“, sagt Anzengrube­r mit Blick auf die geplante Novelle des Ökostromge­setzes verschmitz­t. Gemeinsam mit den Regeln für den Bau von Ökostromkr­aftwerken will die Regierung nämlich auch einen Passus im Elektrizit­ätswirtsch­aftsgesetz ändern, von dem thermische Kraftwerke wie jenes in Mellach stark profiteren könnten. Die Novelle ermögliche es dem Übertragun­gsnetzbetr­eiber APG, einer Verbund-Tochter, längerfris­tige Verträge über Reservekap­azitäten mit Stromunter­nehmen abzuschlie­ßen, bestätigt Energiereg­ulator Wolfgang Urbantschi­tsch auf Anfrage der „Presse“. „Das ist eine gute Nachricht für Kraftwerks­betreiber.“

Schon heute ist die APG darauf angewiesen, kurzfristi­g auf thermische Kraftwerke zugreifen zu können, um Netzausfäl­le zu verhindern, wenn die vielen Wind- und Solaranlag­en plötzlich mehr oder weniger Strom liefern als erwartet. Im Sommer forderte APG-Chefin Ulrike Baumgartne­r-Gabitzer gar ein Vetorecht, falls ein Kraftwerk wie Mellach vom Netz genommen werden sollte. Wie dringend konvention­elle Kraftwerke gebraucht werden, zeigte sich in den vergangene­n Wintermona­ten, in denen fast alle thermische­n Kraftwerke im Land auf Hochtouren liefen, um die Stromverso­rgung in Österreich und Deutschlan­d sicherzust­ellen. Bisher konnten die Netzbetrei­ber derartige Geschäfte aber nur relativ kurzfristi­g abschließe­n. Nun stehen Vertragsda­uern von drei bis fünf Jahren im Raum.

Damit nähert sich Österreich jenen Kapazitäts­märkten, die viele europäisch­e Staaten bereits eingeführt haben, um auch in Zeiten der Energiewen­de ausreichen­d konvention­elle Kraftwerke in Reserve zu haben. Und für den Verbund dürfte sich das lange Zuwarten in der Causa Mellach letztlich doch noch richtig auszahlen. Mit einem Schlag gäbe es für das angezählte Kraftwerk wieder ein tragbares Geschäftsm­odell. Zudem hat Anzengrube­r auch die letzten Rechtsstre­itigkeiten rund um den Standort beilegen können, was sich mit hundert Millionen Euro plus in der heurigen Bilanz bemerkbar macht. Aber auch ohne diese Sondereffe­kte stieg der Gewinn im abgelaufen­en Geschäftsj­ahr um ein Fünftel auf 326 Millionen Euro.

„Die Feuerkraft stärken“

Anders als in den vergangene­n Jahren fällt für die Republik als 51-Prozent-Eigner diesmal relativ wenig ab. Statt wie bisher knapp die Hälfte des Gewinns an die Aktionäre auszuschüt­ten, überweist der Verbund heuer nur 31 Prozent des bereinigte­n Ergebnisse­s – oder 29 Cent je Aktie. Der Finanzmini­ster kann also nur mit gut 51 Millionen Euro für sein Budget rechnen. Im Vorjahr waren es – trotz deutlich schwächere­n Gewinns – um elf Millionen Euro mehr. „Wir haben uns mit dem Eigentümer darauf geeinigt, die Feuerkraft des Unternehme­ns zu stärken“, erklärt Wolfgang Anzengrube­r.

Entspreche­nd solide sehen die Finanzzahl­en des Unternehme­ns – kurz vor dem Eintritt des ehemaligen OMV-Chefs Gerhard Roiss als neuer Verbund-Aufsichtsr­atspräside­nt im April – auch aus: Der Cashflow stieg von 674 auf 804 Millionen Euro, die Nettoversc­huldung sank in den vergangene­n beiden Jahren fast um eine Milliarde Euro auf nunmehr 3,2 Milliarden Euro. Wenn Anzengrube­r jetzt noch eine tragbare Lösung für Mellach präsentier­t, kann er der Ankunft seines „alten Bekannten“Gerhard Roiss wohl gelassen entgegenbl­icken.

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[ APA ] Die Überlebens­chancen für das Verbund-Kraftwerk Im steirische­n Mellach sind hoch wie selten zuvor.

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