OGH: Österreich muss Reha-Geld „exportieren“
Freizügigkeit. Anspruch auf Reha-Geld besteht trotz Übersiedlung nach Deutschland.
Eine 33-jährige gelernte Hotelfachfrau, die nur kurz in Österreich arbeitete und seit 2007 durchgehend in Deutschland lebt, hat Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus Österreich. Mit diesem Spruch des OGH endete ein jahrelanger Rechtsstreit der Frau mit der Pensionsversicherungsanstalt (10 ObS 133/15d).
Die Frau schloss im Jahr 2000 ihre Schulausbildung ab. Danach begann sie in Österreich eine Lehre, wechselte jedoch bald zu einer Lehrstelle in Deutschland und legte 2003 dort die Lehrabschlussprüfung ab. Insgesamt erwarb sie in Deutschland 66 Versicherungsmonate. In Österreich hatte sie zwischen Dezember 2004 und Juni 2006 mehrere Jobs, aber immer nur für kurze Zeit. Alles in allem brachte sie es hier auf 17 Beitragsmonate aus Erwerbstätigkeit, zehn weitere kamen aus Teilversicherungszeiten dazu – macht in Summe 27 Monate. Von Oktober 2011 bis März 2014 bezog die Frau, die damals schon seit Jahren ständig in Deutschland wohnte, in Österreich eine befristete Invaliditätspension.
„Besserung wahrscheinlich“
Am 1. Jänner 2014 trat das Sozialrechts-Änderungsgesetz in Kraft. Die befristete Invaliditätspension wurde abgeschafft, an ihre Stelle traten das Rehabilitations- und das Umschulungsgeld. Beide Leistungen haben das Ziel, Menschen, die vorübergehend berufsunfähig sind, wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern.
Von ihrem Gesundheitszustand her war die Frau eine Kandidatin dafür: Sie sei auch seit 1. April 2014 (also nach dem Auslaufen ihrer Invaliditätspension) nicht in der Lage gewesen, eine berufliche Tätigkeit zu verrichten, heißt es in der Entscheidung. „Schon bei geringen psychischen Belastungen ist derzeit mit längeren als den üblichen Arbeitsunterbrechungen zu rechnen, auch mit weitaus längeren Krankenständen als sieben Wochen pro Jahr.“Jedoch sei es hoch wahrscheinlich, dass sich ihr psychischer Zustand innerhalb der nächsten drei Jahre deutlich bessern werde. Und weiter: „Es ist keinesfalls mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Besserung des Leistungskalküls ausgeschlossen.“
Aber warum soll Österreich in der Pflicht sein, obwohl die Frau in Deutschland wohnt? Der OGH wog das Für und Wider sehr ausführlich ab. Zwar sei das Rehabilitationsgeld eine „Geldleistung bei Krankheit“, und dafür wäre an sich der Wohnsitzstaat zuständig. Diese Leistung habe aber einen Sondercharakter: Sie setzt Versicherungs- und Beitragszeiten voraus und soll die befristete Invaliditätspension ersetzen. Insgesamt sei sie somit – trotz allem – eine Gegenleistung für hier geleistete Pensionsversicherungsbeiträge.
Wäre dann aber das Wohnsitzland allein dafür zuständig, könne das die unionsrechtliche Freizügigkeit beschränken, befand das Höchstgericht. Denn wer in ein anderes EU-Land übersiedelt, könnte um die Leistung umfallen, obwohl er die nötigen Versicherungszeiten erworben hat. Der Leistungsverlust wäre somit eine unmittelbare Folge des Wohnsitzwechsels. Speziell, wenn der neue Wohnsitzstaat keine vergleichbare Geldleistung kennt – so wie es hier der Fall ist.
Fazit: Weil die Frau die sonstigen Voraussetzungen für das Rehabilitationsgeld erfüllt, gelten auch die EU-rechtlichen Regeln über die „Exportpflicht“. Österreich muss also zahlen, obwohl die Leistungsberechtigte nach Deutschland gezogen ist.